Vivid Money konnte seine Bewertung verdreifachen (Bild: Yehleen gaffney/Unsplash & PR)

Bewertung verdreifacht: Vivid Money sammelt 60 Millionen Euro von einem geheimnisvollen Investor ein

Zehn Monate nach Gründung sind bereits mehr als 100 Millionen Euro in den Aufbau der Berliner Neobank Vivid Money geflossen. Mit einem neuen Mega-Funding geht die aggressive Expansion weiter.

Nur wenige Monate nach der ersten Finanzierungsrunde hat Vivid Money erneut Kapital aufgenommen. Greenoaks Capital aus San Francisco steckt gemeinsam mit dem bestehenden Geldgeber Ribbit Capital 60 Millionen Euro in das Fintech. Die schon zum Start hohe 100-Millionen-Bewertung konnte Vivid mehr als verdreifachen: sie liegt bei 360 Millionen Euro.

Während die anderen europäischen Neobanken sich zurzeit auf die nächsten Wachstumsrunden vorbereiten, holt der Angreifer Vivid auf. „Sie werden mit einer Aggressivität auf den Markt kommen, die Revolut und N26 so noch nicht kennen“, sagte Chris Weafer, ehemaliger Chefstratege der Sberbank, einst über die beiden Vivid-Gründer Artem Yamanov und Alexander Emeshev, die vom russischen Fintech-Vorbild Tinkoff kommen.

Knapp ein halbes Jahr nach dem Start erreichte Vivid 100.000 Nutzer, inzwischen dürfte die Zahl um einiges höher liegen. Die Cashback-Rabatte und das Investment-Produkt haben in den vergangenen Monaten viele Nutzer angelockt. Mit Greenoaks Capital ist jetzt ein Geldgeber bei der Smartphone-Bank eingestiegen, der sich nicht vor umkämpften Finanzierungen scheut. Allein im April hat die Firma sieben Deals gemacht, darunter die Beteiligungen an den globalen Hype-Startups Brex und Gorillas, dem Berliner Lieferdienst.

Wer ist der geheimnisvolle neue Investor Greenoaks?

Trotzdem ist der Investor zurückhaltend. Auf seiner Webseite verrät Greenoaks nicht viel, abgesehen von einem Logo ist nur der Verweis auf eine Emailadresse und ein Investorenportal zu finden. Öffentlichkeitsarbeit macht der Wagniskapitalgeber kaum. Bekannt ist er vor allem durch seine Investments, Greenoaks hält neun Prozent an Deliveroo, das seit dem Börsengang zu kämpfen hat. Außerdem befindet sich die Chat-App Discord und ein beachtlicher Anteil an der südkoreanischen E-Commerce-Plattform Coupang im Portfolio, die Greenoaks-Anteile sind allein 13,5 Milliarden Dollar wert.

Insgesamt hat Greenoaks bislang mehr als drei Milliarden US-Dollar an Wagniskapital investiert, berichtet die Financial Times unter Berufung auf einen Insider. Neil Mehta, der den VC 2010 gegründet hat, wird von seinem Umfeld als ein äußerst sorgfältiger Analyst beschrieben. „Er hat wirklich ein tiefgründiges Verständnis für unsere Vision entwickelt“, zitiert das Blatt Brex-Mitgründer Henrique Dubugras. Nachdem ein Investor am Vorabend eines Deals zum Kauf von Brex-Anteilen im Wert von zehn Millionen Dollar ausstieg, habe sich Mehta sechs Stunden Zeit genommen, um das Geschäft zu analysieren und dann den gesamten Deal finanziert.

Mehr als drei Viertel des von Greenoaks investierten Kapitals hat es laut Financial Times in nur zehn Unternehmen investiert. Die Firma habe ihren eigenen Geldgebern mitgeteilt, dass sie nur etwa fünf neue Investitionen pro Jahr tätigen sollten. Seit ein paar Wochen zeigt sich allerdings, dass Greenoaks Capital offenbar gezwungen ist, auf einige aktuelle Hypes aufzuspringen – und somit bei wesentlich mehr Deals beteiligt ist.

Das Investment-Tempo nimmt zu. Zu den sieben Beteiligungen im April gehörten auch Fintech-Investments in den brasilianischen KMU-Kreditanbieter Cora (mit Ribbit und QED) und die indischen Neobank Cred (mit DST Global und Sequoia). Und jetzt die Finanzierungsrunde über 60 Millionen Euro für das deutsche Vivid Money.

Vivid als Superapp-Kandidat

Von dem Investment verspricht sich Greenoaks offenbar eine Chance im Rennen um die Superapp. Genau wie ihr ehemaliger Arbeitgeber Tinkoff versuchen die beiden Vivid-Gründer sich nämlich daran, eine App zu bauen, die weitaus mehr bietet als reines Banking. Tinkoff hat bereits viele andere Features: die Kunden können über die App beispielsweise auch Tickets buchen, in Restaurants reservieren, Taxis bestellen oder auch shoppen. Damit ist Tinkoff bereits seit Jahren profitabel – eine Seltenheit unter Neobanken.

Vivid ist als Versuch gestartet, diesen Erfolg in Westeuropa zu wiederholen. Artem Yamanov sei „definitiv sein talentiertester Manager“, schrieb Tinkoff-Gründer Oleg Tinkov vor einem Jahr auf Instagram. Und der Vivid-Mitgründer werde Revolut-Gründer Nikolay Storonsky „in den Hintern treten“.

Das ist auch die Wette des neuen Investors. „Wir sind der festen Überzeugung, dass sich der Markt in Richtung All-in-One-Produkt für digitales Banking und Investments entwickelt, und ein solches wird von Vivid Money realisiert“, lässt sich Greenoaks-Partner Patrick Backhouse in einer Mitteilung zitieren. „Das Vivid-Team entwickelt sein Produkt mit enormer Geschwindigkeit und bietet mittlerweile weit mehr als ein reines Banking-Produkt an.“

Im Gegensatz zum deutschen Branchenprimus N26 hat Vivid bereits in kurzer Zeit viele Dinge ausprobiert. Zurzeit liegt der Fokus auf dem Thema Finanzen. Es ist mit Investments, Aktien und Krypto-Assets losgegangen, Schulungsmaterialien zum Thema Finanzen sollen folgen, sagt Gründer Yamanov. Damit will sich Vivid, das für seine Banklizenz mit der Berliner Solarisbank kooperiert, von der europäischen Konkurrenz abheben.

Produktoffensive und Expansion kosten viel Geld

Gestartet war es mit einem groß-angelegten Cashback-System: Auf Abos bei Streamingdiensten, aber auch bei Online-Einkäufen bei bekannten Marken wie Rewe, Lieferando oder auch Thalia gibt es für die Kunden bis zu zehn Prozent des Geldes als Cashback. Darüber hinaus will es sich in den Bereich der Finanzbildung bewegen, dafür warb es extra den ehemaligen Bloomberg-Journalisten Oliver Sachgau ab.

Vor wenigen Wochen kam dann ein Aktien- und ETF-Angebot hinzu. Dabei setzt Vivid in Kooperation mit dem Münchner Finanzdienstleister CM-Equity auf sogenannte Teilaktien, gerade teure Tech-Aktien sind so auch für Kleinanleger verfügbar. Vor ein paar Tagen kamen zehn Kryptowährungen zu dem Angebot hinzu. Bei N26 blieb es seit Monaten bei einer Ankündigung für ein Trading-Feature.

Produkte abseits der Finanzwelt sind allerdings bei Vivid noch nicht zu sehen. Die Superapp ist der Versuch, mit einem breiten Produktangebot viele verschiedene Einnahmequellen aufzubauen. Dafür braucht es allerdings viel Kapital, das Startup mit aktuell rund 200 Mitarbeitern investiert derzeit gleichzeitig in eine Produktoffensive und die Expansion. Insgesamt sind nach Informationen von Finance Forward mit dem neuen Investment 105 Millionen Euro in das Startup geflossen – und das nur zehn Monate nach der Gründung. Die beiden Chefs hatten selbst gemeinsam mit der Tinkoff-Holding TCS bereits 30 Millionen Euro in Vivid gesteckt, im November hatte es 15 Millionen Euro unter anderem von Ribbit Capital eingesammelt.

Bisher schlägt sich Vivid im Vergleich zur Konkurrenz solide. Das Unternehmen kommuniziert derzeit eine Kundenzahl von „mehr als 100.000“, doch nach Schätzungen des Analysetools Airnow Data dürfte die echte Zahl weit darüber liegen. Demnach wurde die App in allen Märkten zusammen 425.000 Mal heruntergeladen. Natürlich sind Downloadzahlen nicht mit Kunden gleichzusetzen, denn die Nutzer müssen sich noch anmelden. Trotzdem ist es eine beeindruckende Zahl – N26 hatte 2015 ein Jahr gebraucht, um 100.000 Kunden zu erreichen.