Ein Urgestein der Tech-Welt: die Silicon Valley Bank. (Bild: IMAGO / UPI Photo)

Hoffnung auf eine Rettung: Was folgt auf den Crash der Silicon Valley Bank?

Die Hausbank der globalen Tech-Industrie ist am Freitag zusammengebrochen, die Aufsichtsbehörden übernahmen das Kommando bei der Silicon Valley Bank. Unterdessen hat die US-Regierung angekündigt, einzuspringen und Kundeneinlagen abzusichern. Neue Erkenntnisse zeigen, wer betroffen ist und welche Folgen drohen – auch für Europa.

Insgesamt zwölf Millionen Dollar hat Jan Oberhauser in einer Finanzierungsrunde eingesammelt. Geld für das künftige Wachstum. Mit dem von ihm gegründeten Software-Anbieter N8N lassen sich Arbeitsabläufe automatisieren – Sequoia, einer der bekanntesten Investoren der Welt, setzte zusammen mit anderen Geldgeber auf die Idee. 2021 überwiesen sie das Geld.

Um den Negativ-Zinsen zu entgehen, parkte das Unternehmen damals einen Teil des Geldes auf einem Konto der Silicon Valley Bank. Mehrere Millionen Dollar liegen dort bis heute, um ein paar Prozent Zinsen einzubringen.

Seit diesem Freitag ist unklar, wie schnell das Startup dieses Geld wiedersieht. Denn die Silicon Valley Bank ist zusammengebrochen, die Aufsicht Federal Deposit Insurance Corporation – kurz FDIC – hat die Geschäfte übernommen. Seitdem verfolgt die Tech-Industrie die Ereignisse gebannt. Die Krisenfolgen sind bereits greifbar: Der Stablecoin-Anbieter Circle hatte mehr als drei Milliarden Dollar bei der Bank liegen, die Spiele-Firma Roblox oder der Streaming-Anbieter Roku sind ebenfalls betroffen. Bei manchen Unternehmen ist noch unklar, ob sie Anfang der Woche noch Gehälter zahlen können.

Bei N8N würde zum Glück nur ein Teil der Gelder bei der Silicon Valley Bank liegen, sagt Oberhauser. Bitter sei es trotzdem. Und das Startup ist eines von vielen deutschen Unternehmen, das ein Konto bei der britischen Tochter der Silicon Valley Bank hat, bestätigen mehrere Brancheninsider. Viele Firmen sollen dort ein Konto liegen haben. Finance Forward berichtete. Doch Sonntagnacht gab es durchaus Signale für eine Rettung.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum aktuellen Stand:

Was ist der Hintergrund des Crashs?

Der Tech-Boom seit 2020 führte dazu, dass die Vermögenswerte der Silicon Valley Bank in den vergangenen drei Jahren um mehr als das Doppelte stiegen. Startups parkten dort ihr Geld aus den Finanzierungsrunden und viele der großen Wagniskapitalfonds zählten ebenfalls zu den Bankkunden. Gleichzeitig musste die Bank das Geld anlegen und ging einen unvorteilhaften Deal ein: Sie steckte vor einiger Zeit das Geld in Bonds, zu einer durchschnittlichen Verzinsung von 1,79 Prozent pro Jahr. Währenddessen erzielen zehnjährige US-Staatsanleihen mittlerweile 3,9 Prozent pro Jahr – und der Wert der gekauften Anleihen sank.

Gegen Ende der Woche kündigte die Bank nun an, Bonds im Wert von 21 Milliarden Dollar zu verkaufen, bei dem ein Verlust von 1,8 Milliarden entstanden war. Mit der Ausgabe neuer Aktien wollte sie den Verlust ausgleichen. Das löste Panik aus – und Wagniskapitalgeber und Startups zogen massenhaft ihr Geld ab. Es kam zu einem Art Bankrun (mehr Hintergründe zu der Ursache erfahrt ihr bei den Kollegen von Finanz-Szene).

Ist eine Rettung zu erwarten?

Die Behörde Federal Deposit Insurance Corporation übernahm die Geschäfte. Zurzeit soll es Übernahmegespräche geben und die Regierungen suchen nach Lösungen, auch wenn die US-Finanzministerin Janet Yellen einen kompletten „Bail-out“ ausschloss. Für Montag erwarten viele Startup-Vertreter Neuigkeiten. Eine Einlagensicherung gibt es in den USA nur bis zu einer Summe von 250.000 Dollar – ein Großteil der Kunden überschreitet das.

Gab es am Sonntag neue Entwicklungen?

Tatsächlich hat die US-Regierung Maßnahmen angekündigt, dass die Kunden der Silicon Valley Bank ab Montag den Zugang zu all ihren Einlagen haben werden. Dafür solle eine neue Fazilität eingerichtet werden, die den Banken Notfallmitteln verschaffe, so berichtet es etwa die Nachrichtenagentur Reuters. „Die amerikanische Bevölkerung und die amerikanischen Unternehmen können darauf vertrauen, dass ihre Bankeinlagen da sind, wenn sie sie brauchen“, sagte US-Präsident Joe Biden.

Welche Techfirmen sind im schlimmsten Fall betroffen?

Laut Techcrunch gehen Experten in den USA davon aus, dass rund 30 Prozent der Startups betroffen sind. In einer Liste, die zurzeit kursiert und auf öffentlichen Daten basiert, gehörte das Who’s Who der internationalen Wagniskapitalgeber zu den Kunden der Silicon Valley Bank, darunter Accel, Benchmark, Ribbit oder der bekannte Fintech-Fonds Hedosophia.

Besonders prominent war der Fall um den Stablecoin-Anbieter Circle. Nachdem bekannt wurde, dass 3,3 Milliarden Dollar bei der Silicon Valley Bank liegen, verlor der von Circle herausgegebene USDC seine Dollarbindung.

Wie ist die Lage in Europa?

Auch wenn der Name Silicon Valley Bank in Deutschland eher unbekannt war, sind viele Startups betroffen. Laut offiziellen Angaben hatte die Silicon Valley Bank rund 3.600 Kunden in Europa und davon zehn Prozent in Deutschland. Zwei prominente Wagniskapitalfonds haben ihr Portfolio analysiert und auf Nachfrage, die Daten mitgeteilt. Beide wollen nicht genannt werden, doch die Zahlen sprechen für sich: Rund 30 Prozent des gesamten Portfolio eines Fonds hätte ein Konto bei der Silicon Valley Bank, heißt es. Doch die meisten hätten das Geld rechtzeitig abgezogen. Nicht möglich ist das bei Festgeld – dies war auch bei N8N der Fall. Bei dem anderen Investor ist es auf Fondsbasis bis zu 24 Prozent der Firmen. Die wenigsten der Unternehmen hätten allerdings ihr ganze Geld bei Bank liegen, heißt es. Die meisten Kunden sind bei der britischen Tochter.

Wie steht die britische Tochter da?

Die britische Tochter arbeitet eigenständig, wie sie selbst betonte. Nach dem Kollaps am Freitag stellt sie den Betrieb allerdings auch ein. Der britische Finanzminister Jeremy Hunt veröffentlichte am Sonntag ein Statement und versprach, dass man an einer Lösung arbeite. Führende Wagniskapitalgeber, darunter Accel, Project A oder Headline, appellierten an die Regierung.

Gibt es für die wichtige britische Tochter eine Lösung?

Mit der „Bank of London“ hat sich am Sonntagabend ein potenzieller Käufer gemeldet. Der britische Premierminister Rishi Sunak hatte erklärt, dass seine Regierung daran arbeite, die Auswirkungen des Crashs zu begrenzen. Am Montagmorgen verkündete die Regierung, dass die Bank HSBC den britischen Ableger übernimmt, wie CNBC berichtet.

Welche Fintechs sind betroffen?

Der milliardenschwere Zahlungsdienstleister Sumup soll nach Informationen von Finance Forward auch Geld auf den Konten der Silicon Valley Bank gehabt haben, doch dieses sei rechtzeitig abgezogen worden, schrieb Daniel Klein in einer internen Slacknachricht. Es habe sich dabei aber um wenig Geld gehandelt, heißt es vom Unternehmen. Zu den Partnern für Fremdkapitalfinanzierungen zählen in Deutschland etwa Modifi und Recap. Wie es damit weitergeht, ist zurzeit unklar.

Was sind die Folgen für die deutsche Tech-Szene?

Kurzfristig werden wenig Probleme erwartet. Allerdings liegen teilweise signifikante Beträge der deutschen Startups auf den Konten – das verkürzt die sogenannte Runway. Und der Finanzierungsmarkt ist zurzeit schwierig. Das könnte zu Problemen in den kommenden Monaten führen. Viele Firmen werden weiter gebannt auf die Nachrichten am Montag warten.

Mitarbeit: Hannah Schwär und John Hunter; Hinweis: Eine Info zur Übernahme durch HSBC wurde ergänzt.