Die beiden Finanzfluss-Gründern Thomas Kehl und Arno Krieger (Bild: PR)

Finanzfluss baut erstes eigenes Fintech-Produkt

Seit sieben Jahren erklärt Thomas Kehl Einsteigern auf Youtube und in Podcasts die Finanzwelt, Millionen Menschen schauen seine Videos. Dahinter steckt ein Startup mit 18 Beschäftigten – jetzt startet Finanzfluss erstmals mit eigenen Produkten. Was hat der Gründer vor?

Ein leerer Raum, die Wände sind weiß und kahl. Nur ein kleines Fenster lässt im Hintergrund etwas Leben vermuten – im Bürogebäude gegenüber. Das Video von Thomas Kehl zeigt die Anfänge von Finanzfluss im Oktober 2015. Seitdem ist viel passiert.

Gemeinsam mit Arno Krieger hat Kehl ein Startup gegründet, den Youtube-Kanal haben mehr als eine Million Menschen abonniert, es sind Ratgeber und Podcasts hinzugekommen. Die Community ist über die Jahre gewachsen, mit ihr auch das Team. Inzwischen beschäftigt Finanzfluss 18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Jetzt beginnt die nächste Phase der Unternehmensgeschichte: Finanzfluss bringt ein erstes eigenes Produkt auf den Markt. An der ETF-Suche hat das Team rund ein Jahr gearbeitet, sagt Kehl. Und er verrät auch, was er mit Finanzfluss für die Zukunft plant.

Start in Paris und London

Mittlerweile sitzt Finanzfluss in Berlin, los ging es allerdings in Paris und London – dort wohnten die beiden Gründer zu der Zeit. Kehl studierte damals an der ESCP Business School, Mitgründer Krieger war bei dem britischen Fintech Wise (ehemals Transferwise) angestellt. Seit dem ersten Tag sei das Projekt bereits profitabel und organisch gewachsen. Bereits das zweite Video erreichte eine große Reichweite. Der Titel: „ETF Erklärung: Was sind ETFs? In nur 4 Minuten erklärt!

Das bestimmte auch die Richtung von Finanzfluss. Kehl erklärt Themen wie Immobilienkauf, Altersvorsorge, Versicherungen, Kryptowährungen und die große Frage nach der Portfoliogewichtung. Mit großem Erfolg: Viele der Videos haben mehr als eine Million Aufrufe. Inzwischen wird er damit auch von Medien wie dem Spiegel oder der Wirtschaftswoche zitiert.

Millionen-Umsatz pro Jahr

Sein Geld verdient Finanzfluss mit sogenannten Affiliate-Links, die es zu den jeweiligen Themen unter die Videos und auch auf der eigenen Webseite anzeigt. Wenn die Zuschauerinnen und Zuschauer darauf klicken, etwas kaufen oder abschließen, erhält Finanzfluss eine Provision. „Wir machen inzwischen einen Umsatz im niedrigen siebenstelligen Bereich“, sagt Kehl. Weitere Details will er aber nicht nennen.

Finanzfluss hat mit seiner siebenjährigen Geschichte zwar bereits einen Vorsprung, doch es kommt Konkurrenz auf: Im Windschatten des Trading-Hypes entstand in den vergangenen Jahren eine neue Fintech-Generation, die das Interesse an Geldanlage nutzen und mit Finanzbildung und Coachings ihre Kunden beim Investieren stärker begleiten will (Finance Forward berichtete).

Getquin, die neue Wette von Trade-Republic-Investor Sino, beispielsweise versucht sich an einem sozialen Trading-Netzwerk, in dem Anleger sich über ihre Investments austauschen können. Auf Forget Finance aus Berlin setzen Investoren wie Btov und dem von BMW-Erbin Susanne Klatten gegründeten Unternehmertum VC. Madame Moneypenny bloggt über Finanzanlagen und Vermögensaufbau für Frauen, mit Videokursen erzielt sie einen siebenstelligen Jahresumsatz.

„Ich sehe aktuell keinen Sinn darin, Wagniskapital aufzunehmen“

Thomas Kehl will einen anderen Weg gehen. „Ich sehe aktuell keinen Sinn darin, Wagniskapital aufzunehmen“, sagt er. Stattdessen will Finanzfluss seine Community mit weiteren Produkten an sich binden. Erstes Beispiel ist die ETF-Suche. „Wir haben unsere Community mit dem Bildungsschwerpunkt aufgebaut – auf die Antwort, was ein ETF ist.“ Darauf folge allerdings die Frage, welches Produkt das richtige für den einzelnen Anleger sei.

In seinen Videos hat Kehl bislang auf das Portal JustETF verwiesen. Doch das Thema kam so häufig wieder auf, dass er ein eigenes Tool bauen wollte. Nicht zuletzt auch als eine weitere Umsatzquelle: Bei vielen ETFs gibt es direkt einen Link zu einem Sparplan bei unterschiedlichen Brokern, wieder mit Affiliate-Vergütung.

Finanzfluss sieht sich trotz der Abhängigkeit von den Brokern als unabhängig. Er wolle Vergleichskriterien transparent aufbereiten, auch Anbieter ohne Affiliate-Angebot würden aufgelistet. „Da verlinken wir nicht raus, aber die Nutzerinnen und Nutzer finden alle Konditionen bei uns.“ Hinzu kommt: „Wir werden früher oder später auch auf Werbung bei der ETF-Suche setzen“, sagt Kehl.

ETF-Suche nach Hype-Themen

Die Suche, ein neues Feature auf der eigenen Webseite, zeigt mehr als 2.400 in Deutschland zugelassene ETFs an. Das Ergebnis sollte, genau wie die Videos auch, nah an der Community sein, sagt Kehl. Deshalb hat er in einer Umfrage 4.000 Leute dazu befragt, wie sie sich eine ETF-Suche vorstellen.

Die Daten bezieht es von Anbietern wie Morningstar, es sei aber auch „viel händische Arbeit“. Finanzfluss unterteilt in der Suche beispielsweise nach Kategorien wie Länder, Nachhaltigkeit oder Währungen.

Ein Problem der ETF-Suche könnte sein, dass Anlegerinnen und Anleger sich einmal ein Portfolio zusammenstellen und dann nie wieder auf die Website kommen. Kehl sagt, die ersten Datenpunkte würden auf ein anderes Verhalten hindeuten: „Die Leute suchen immer nach dem, was gerade in der Zeitung steht.“

Zu Beginn des Ukraine-Krieges hätten sie nach Defense-ETFs gesucht, als die Cannabislegalisierung diskutiert wurde, wurden entsprechende ETFs gesucht. Wichtig sei allerdings: Das Feature soll immer ohne Registrierung zugänglich sein. „Das ist ein Startschuss, wir können viel Content auf Grundlage der ETF-Suche bauen“, sagt der Gründer.

Angriff auf Stiftung Warentest

Langfristig will er mehr in dem Vergleichsbereich mit Finanzfluss entwickeln, ähnlich wie Stiftung Warentest würde es Girokonten, Kreditkarten und andere Finanzangebote analysieren. Eine wichtige Abgrenzung: „Wir müssen es nicht so allgemein halten: Unserer Community sind Apple Pay und Google Pay wichtig, wie viel ein Scheck beim Konto kostet, dafür nicht so wichtig.“ Entsprechend wären die Tests auf die Zielgruppe zugeschnitten. 60 Prozent der Finanzfluss-Community kommt über das Smartphone.

Eine rote Linie sind für Kehl eigene Finanzprodukte, beispielsweise ein eigener Broker, den es als White-Label-Produkt von etablierten Anbietern einbinden könnte. Das sei aufgrund des Bildungsschwerpunktes aber ein Interessenskonflikt.


Über ihr Erfolgsrezept auf Tiktok, unseriöse Werbeangebote sowie ihr Finanzbildungsprogramm und seine Kosten haben wir kürzlich im Podcast mit den beiden Finanz-Influencern Kamiar Bar Bar und Maurice Impraim von Teachingfinance gesprochen. Den FinanceFWD-Podcast gibt es auch bei SpotifyDeezer oder iTunes.