N26 plant 300 weitere Stellen in Brasilien
Exklusiv: Während N26 in Europa von der Finanzaufsicht Bafin gezwungen wurde, das Wachstum zu drosseln, erkennt die Neobank in Brasilien die große Chance – und will dort seine Präsenz in diesem Jahr massiv ausbauen.
Es sei der „nächste logische Schritt“, nach Brasilien zu expandieren, teilte N26 in einer Pressemitteilung mit. Das war vor gut drei Jahren. In der Zwischenzeit ist viel bei der Smartphonebank passiert, nach einem Rückzug aus Großbritannien wollte sich das Fintech zunächst wieder auf seine europäischen Kernmärkte konzentrieren.
Ende 2021 zog es sich sogar überraschend aus dem wichtigen Auslandsmarkt USA komplett zurück. Beide Versuche waren teuer und allein die Marketing-Kampagnen verbrannten viele Millionen. Mit einem großen Angriff in Brasilien, wo sich Platzhirsch Nubank bereits mit beeindruckenden 48 Millionen Kunden etabliert hat, rechnete also keiner. „Was mich nachts wach hält, das ist letztlich die Frage, wie wir den [Kampf um den] europäischen Markt gewinnen können“, sagte Mitgründer Maximilian Tayenthal noch vor nicht allzu langer Zeit in einem Interview mit Insider.
Plan B: Brasilien-Launch
Die Expansion auf dem südamerikanischen Hoffnungsmarkt lief alles andere als problemlos. Zunächst suchte das Fintech zum Start 2019 in Brasilien nach einem Bankpartner. Es folgte der erste Richtungswechsel: N26 wollte doch eine eigene lokale Banklizenz beantragen, um das Produkt eigenständiger gestalten zu können. Auch die Erfahrungen mit dem US-Bankpartner sollen diese Entscheidung beschleunigt haben.
Vor rund einem Jahr teilte die brasilianische Zentralbank mit, sie habe N26 eine Lizenz gewährt. Zu dem Zeitpunkt war man in Berlin überrascht. Nach Informationen von Finance Forward hatte das Bank-Management so schnell nicht damit gerechnet.
Entsprechend brach lagen die Pläne in São Paulo auch in den Folgemonaten. N26 sammelte weitere Finanzierungsrunden ein und wird mittlerweile mit neun Milliarden US-Dollar bewertet. Die Gründer kündigten neue Bankprodukte an, ein ganzer Marktplatz für neue Funktionen solle in der App geschaffen werden, beispielsweise eine Trading-Funktion ist in der Mache.
Doch nun zwang die Finanzaufsicht Bafin das Bank-Startup wegen gravierender interner Probleme, sein Neukundenwachstum auf 50.000 pro Monat zu begrenzen (Finance Forward berichtete). Auch die Produktoffensive soll sich auf Druck der Aufseher verzögern, berichtete die Wirtschaftswoche.
Kann sich N26 gegen Nubank durchsetzen?
Sucht das Startup nun einen Ausweg, um weiteres Wachstum außerhalb der EU vorweisen zu können? Durch das sogenannte Passporting gelten die Bafin-Regeln für alle EU-Länder, in einigen Ländern sind mittlerweile Wartelisten geschaltet. In Brasilien wird N26 dagegen von der lokalen Behörde beaufsichtigt. Dieser Strategiewechsel wäre ein Ausweg.
Von einer Sprecherin heißt es auf Nachfrage nur: „Um auch die zukünftige Produktentwicklung weiter voranzutreiben, wird das Team in Brasilien sich darauf fokussieren, zusätzliche SpezialistInnen einzustellen.“ Zurzeit sind rund 60 Mitarbeiter in São Paulo beschäftigt. 300 neue sollen noch in diesem Jahr dazu kommen, die Hälfte im Tech-Team, die andere Hälfte für den Geschäftsbetrieb.
Das Produkt befinde sich bereits in der Betaphase. Auf der Webseite ist indes weiterhin lediglich eine Warteliste sichtbar. „Ziel ist ein Produkt, das die Bedürfnisse des brasilianischen Marktes bedient und gleichzeitig die N26 Banking-Erfahrung abbildet“, so die Sprecherin.
Die Besonderheit: Brasilien hat mehr als 200 Millionen Einwohner, viele von ihnen besitzen zwar ein Smartphone, aber noch kein Konto. Umstände, unter denen Konkurrent Nubank zu einer der größten Digitalbanken der Welt heranwachsen konnte. Entsprechend wird N26 dort also auch nicht einfach seine deutsche App übersetzen können, es gilt ein eigens auf den Markt zugeschnittenes Angebot zu bauen.