Square, Klarna, Solarisbank – wie ein Kaufrausch die Fintech-Szene neu ordnet
Die Schlagzahl bei den Zukäufen nimmt zu: Der Zahlungsanbieter Square will Afterpay für 29 Milliarden Dollar kaufen, Klarna befindet sich weiter auf Einkaufstour. Auch in Deutschland schlagen Finanz-Startups immer häufiger bei der Konkurrenz zu. Wie geht es weiter?
Ein australischer Journalist kommentiert den neuen Deal mit den Worten: „Willkommen im Jahr 2021.“ Eine Firma, die zuletzt 70 Prozent ihrer Umsätze mit Bitcoin erzielte und mit dem 120-Fachen des prognostizierten Gewinns bewertet wird, kauft in einem Aktiendeal eine Firma, die noch nie Gewinne erzielt hat – für einen Preis von 29 Milliarden Dollar.
Die Rede ist vom Coup, den der amerikanische Payment-Player Square landen will. Für besagte 29 Milliarden Dollar versucht CEO Jack Dorsey den australischen „Buy now, pay later“-Anbieter Afterpay zu übernehmen. Der Raten- und Rechnungskauf von Afterpay soll künftig in Squares populärer Cash-App integriert werden. Außerdem haben die Amerikaner dank ihrer Mini-Kartenterminals Millionen von kleinen Händlern unter Vertrag. Diese können nun auch die Bezahlmethode von Afterpay einbinden.
Ein Grund für die steigende Schlagzahl sind die hohen Bewertungen der neuen Finanzanbieter. „Fintechs wie Square, Stripe und Klarna nutzen ihren Firmenwert von 30 bis 100 Milliarden Dollar, um weiter zuzukaufen“, sagt Tech-Aktienexperte Philipp Klöckner. Den Stocard-Kaufpreis zahlte Klarna beispielsweise zur Hälfte in Anteilen, der Kaufpreis für Afterpay soll sogar komplett in Square-Aktien beglichen werden. Auch sonst lässt sich für die großen Player leichter Geld einsammeln, um Übernahmen zu finanzieren.
Die Finanzpower ist gewachsen
Die Riege dieser Branchengrößen ist zuletzt gestiegen, dazu gehören mittlerweile Firmen wie die Krypto-Börse Coinbase, der Neobroker Robinhood, die E-Commerce-Plattform Shopify oder die Neobank Revolut. Auch Ant Financial, das hinter der Super-App Alipay steht, schaut sich in Europa nach Übernahmezielen um: An Stocard soll die chinesische Firma ebenfalls Interesse gehabt haben. Und Klarna sucht auch nach mehreren Zukäufen weiter nach Akquisitionszielen, heißt es aus der Branche.
In Deutschland sind die Dimensionen zwar ein bis zwei Nummern kleiner, es geht allerdings kaum weniger rege zu. Das Beispiel Solarisbank und Contis ist nur eines unter mehreren. Der Ident-Spezialist IDnow kaufte kürzlich zu einer Bewertung von 50 Millionen Euro den französischen Wettbewerber Ariadnext, Finleap Connect schnappte sich für einen mutmaßlich einstelligen Millionenbetrag den spanischen Wettbewerber My Value Solutions. „Es zeigt sich, dass die Branche langsam erwachsen geworden ist – und nun auch aus Deutschland heraus nationale und internationale Champions entstehen“, sagt Julian Riedlbauer von der Investmentbank GP Bullhound. „Noch vor wenigen Jahren hat man sich vor allem kopiert und bekämpft.“
Ausloten der Chancen
Die Marktdynamik führt dazu, dass Startups häufiger einen sogenannten dualen Prozess durchführen, dabei planen die Startups neue Investorengelder einzuwerben, loten aber parallel auch aus, ob es nicht Verkaufsinteressenten gebe. Das Münchner Startup Fintecsystems soll sich in so einem Prozess befunden habe – und entschied sich am Ende für einen Exit an den schwedischen Konkurrenten Tink.
Auch der britisch-italienische Robo-Advisor Moneyfarm spreche schon länger über mögliche Zusammenschlüsse oder einen Verkauf, heißt es aus der Szene. Er zählt mit mehr als einer Milliarde an verwaltetem Vermögen zu den größten Anbietern der Branche, merke aber, dass dies zu wenig sein könnte, um das nächste Wachstumslevel zu erreichen. Auch der österreichische Trading-Anbieter Wikifolio suche nach einem Käufer, berichtete Bloomberg kürzlich.
Für die finanzkräftigen Player ist es die Chance, sich komplementäre Technologie, neue Länder oder andere Kundengruppen zu erschließen. Die Solarisbank kauft sich mit Contis den Zugang zu einer britischen Lizenz und dem Kundenstamm. Klarna will das Kundenkarten-Feature von Stocard in seiner App integrieren und die 60 Millionen Kunden für seine Kreditkarte gewinnen.
Wachstum zukaufen
Square hat es auf die 16 Millionen Afterpay-Kunden abgesehen, kann sich zudem geografisch erweitern. Vor allem im Heimatmarkt Australien ist der Player groß, aber expandiert auch zunehmend nach Großbritannien, die USA und den Rest von Europa. Deutschland gehört ebenfalls zu den Zielmärkten (Finance Forward berichtete).
Die Zukäufe bieten den hochbewerteten Fintech-Firmen die Chance, sich Wachstums-Kanäle dazuzukaufen, um wiederrum die hohen Bewertungen zu rechtfertigen. Viele der Anbieter haben auf extrem hohen Wachstumszielen ihre Gelder eingesammelt – oder haben Aktionäre mit extrem hohen Erwartungen. Diese Wetten müssen jetzt aufgehen.