4,4 Milliarden Euro in drei Monaten – europäische Fintechs im Funding-Fieber
Exklusiv: Europäische Fintech-Startups sammeln immer mehr Geld ein, im ersten Quartal floss mehr als doppelt soviel Kapital wie im Vorjahreszeitraum. Das zeigt eine Auswertung des französischen Wagniskapitalgebers BlackFin Tech.
Es ist, als hätten Startup-Investoren sich plötzlich zusammengetan und entschieden: Das Geld soll nach Europa fließen. Fintech-Startups bekommen derzeit so viel Aufmerksamkeit wie nie zuvor.
Vor allem US-Geldgeber suchen nach den heißen Fintech-Wetten, denn die Unternehmensbewertungen sind noch nicht so hoch wie auf dem Heimatmarkt. „Investoren bekommen gerade in Europa Anteile an vielversprechenden Startups zu Konditionen, die in den USA derzeit nicht mehr denkbar sind“, sagt Romain Grimal vom französischen VC BlackFin Tech. Hinzukommt, dass Firmen wie der Banking-Software-Anbieter Mambu oder der Payment-Pionier Klarna zeigen, dass sie das Zeug haben, sich global auszubreiten.
„Und wenn ein Sequoia anklopft, dann sagt kein Startup ab“
Renommierte US-Investoren würden zunehmend im Frühphasenbereich auf europäische Startups setzen, beobachtet Grimal. „Und wenn ein Sequoia anklopft, dann sagt kein Startup ab.“ Der Venture Capitalist (VC) hinter US-Fintechgrößen wie Robinhood, Stripe und Paypal streckt seine Fühler immer stärker nach Europa aus, im vergangenen Jahr eröffnete Sequoia ein Büro in London und habe mit der gehypten Anlage-App Trade Republic verhandelt, berichtete Deutsche Startups. Auch Iconiq Capital, das Family Office von Tech-Größen wie Mark Zuckerberg, fahndet nach europäischen Firmen und sucht zurzeit einen deutschen Partner, wie das Branchenmedium Deutsche Startups ebenfalls berichtete.
Früher waren diese VC-Firmen aus den USA eher nur für größere Beteiligungen in Europa zu begeistern, inzwischen tätigen sie bereits einige kleine Investments unter dem Radar, so Grimal. Das beweise die Reife und gesteigerte Attraktivität des europäischen Marktes.
Der Hype hat auch Auswirkungen auf die Mega-Fundings: Die größten 15 Deals machten im ersten Quartal des Jahres 72 Prozent des gesamten Investitionsvolumens aus. Die hohen Summen sind auch nötig, denn die globale Konkurrenz wächst massiv. Der US-Paymentanbieter Stripe sammelte kürzlich 600 Millionen Dollar ein, um vor allem in Europa zu expandieren. Europäische Anbieter wie Mollie müssen dagegen halten – und ihre Kriegskasse füllen.
Krypto-Startups sind im VC-Mainstream angekommen
Erstmals sind auch einige Blockchain-Startups unter den Top-Deals: Die Zeiten, in der sich die Krypto-Community von klassischem Venture Capital fern hält und größtenteils über sogenannte ICOs finanziert, sind vorbei.
Das britische Blockchain.com konnte in den vergangenen drei Monaten gleich zwei Mal Wagniskapital zu einer Bewertung von 5,2 Milliarden Dollar einsammeln, unter anderem von namhaften VCs wie Lakestar und Lightspeed oder Partner von DST Global. Es bietet privaten und institutionellen Anlegern eigene Wallets und Handelsdienstleistungen an, eigenen Angaben zufolge zählt es 31 Millionen Kunden. Der österreichische Krypto-Broker Bitpanda schaffte den Sprung zum Unicorn, also einer Milliardenbewertung.
Auffällig viel Geld für Payment-Startups
Zwei Auffälligkeiten setzen sich aus dem vergangenen Jahr fort: Zum einen bleibt London der Top-Standort, während vergleichsweise wenige deutsche Startups große Summen einsammeln konnten. Von den 15 größten europäischen Fintech-Deals kommen neun Startups aus Großbritannien. Mit Mambu und Clark entfallen nur zwei der größten Deals auf deutsche Startups (der Payment-Anbieter Sumup erhielt einen 750-Millionen-Kredit)
Der Brexit hat offenbar keine negativen Auswirkungen auf die britische Startup-Szene gehabt. „Die britischen Fintechs bedienen wie Starling entweder den eigenen Markt sehr gut oder führen ohne weitere Probleme international ihre Geschäfte – wie Rapyd und Ppro“, sagt Grimal. Investoren sehen in den regulatorischen Veränderungen keinen Anlass, britische Finanz-Startups abzuwerten. Auch die Neobank Starling wurde im März zum Unicorn.
Zudem befeuert der Corona-getriebene E-Commerce-Boom weiterhin die Payment-Branche. Mehr als ein Drittel der größten Deals bekamen Anbieter aus dem Segment, besonders der schwedische „Buy now, pay later“-Anbieter Klarna sticht hervor. Anfang März sammelte das Unternehmen eine Milliarde Dollar zu einer Bewertung von 31 Milliarden Dollar ein – und steht vor einem Börsengang. „Klarna ist überfällig, an die Börse zu gehen“, sagte Techaktien-Experte Philipp Klöckner im FinanceFWD-Podcast im Januar.