Die größten VC-Deals 2020 für Fintechs in Europa – und was sie bedeuten
Eine exklusive Auswertung zeigt die größten Finanzierungsrunden von europäischen Fintechs im ersten Halbjahr 2020. London bleibt der Top-Standort, während vergleichsweise wenige deutsche Startups große Summen einsammeln konnten.
Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht ein weiteres der großen europäischen Fintechs eine neue Finanzierungsrunde verkünden kann. Die Geldgeber legen regelmäßig große Millionensummen nach. Schaut man nur auf die Headlines in den Fachpublikationen, dann zeichnen die Deals ein gesundes Bild der Branche, die trotz der Coronakrise weiterhin großzügig mit Kapital versorgt wird.
Doch wie hat sich die Szene wirklich entwickelt? Das zeigt nun eine Auswertung der 30 größten europäischen Fintech-Deals aus dem ersten Halbjahr 2020, die der französische Fintech-Wagniskapitalgeber BlackFin Tech für Finance Forward erstellt hat.
Klar ist: Fintechs kommen grundsätzlich besser durch das Jahr der Coronakrise als Startups vieler anderer Branchen. Manche der etablierten Player mit einem funktionierendem Geschäftsmodell konnten in den vergangenen Monaten sogar von den Umständen profitieren. Ein ähnliches Bild zeichnen auch die Finanzierungsrunden der ersten sechs Monate des Jahres.
Reife Startups werden weiter finanziert
Wie die Auswertung zeigt, sind die Geldgeber krisenbedingt zwar vorsichtiger geworden, allerdings in erster Linie bei Neuinvestitionen. Viele Finanz-Startups, die bereits vor der Krise Fundings erhalten hatten, wurden von ihren Bestandsinvestoren in den vergangenen Monaten erneut gestärkt. Teilweise sind auch neue Investoren bei den großen Fintechs eingestiegen.
Gleich zwei wichtige Player konnten in diesem Jahr mit einer Rekordbewertung gleichziehen: Revolut und Checkout.com wurden in den vergangenen Monaten von Investoren beide mit 5,5 Milliarden Dollar bewertet und teilen sich nun mit Klarna die höchste Fintech-Bewertung in Europa. Die drei größten Deals gehen somit auch an die drei höchst-bewerteten Fintechs.
Insgesamt belaufen sich die Top 30 der europäischen Deals im Fintech- und Insurtech-Bereich im ersten Halbjahr 2020 auf etwas mehr als 2,5 Milliarden Euro – 1,5 Milliarden Euro im ersten Quartal und eine Milliarde Euro im zweiten Quartal. Die ersten Monate werden dabei durch die Megarunde von Revolut beeinflusst. Es zeigt sich ein Anstieg der Finanzierungen: Im vierten Quartal 2019 summierten sich laut BlackFin die Top-Deals nur auf eine halbe Milliarde Euro.
Im Vergleich zu 2019 zeigt sich aber, dass das Gesamtvolumen der größten Deals tatsächlich zurückgegangen ist, im Vorjahreszeitraum kamen die Top 30 immerhin auf 2,8 Milliarden Euro – also etwa 300 Millionen mehr.
London bleibt die Fintech-Hauptstadt
Auffällig ist auch: Von den 30 größten europäischen Fintech-Deals kommen 16 Startups aus Großbritannien. Allein unter den Top 10 sind sechs britische Startups. Nur vier der größten Deals entfallen überhaupt auf deutsche Startups. In der Summe bekamen besonders deutsche Fintechs weniger als noch im Vorjahr, wie das aktuelle Startup-Barometer der Unternehmensberatung EY zeigt: Sie mussten im Vorjahresvergleich einen Rückgang um 55 Prozent hinnehmen, der Finanzierungsbetrag fiel auf 313 Millionen Euro.
Unter den Top 30 der europäischen Deals ist das Banking-Startup N26 mit seiner Finanzierung über 100 Millionen Dollar zwar auf Platz fünf, doch der Betrag ist für das Berliner Startup vergleichsweise niedrig. In einem nächsten Schritt wird die Bank anpeilen, eine Summe zwischen 300 bis 500 Millionen aufzunehmen, um das massive Kundenwachstum in neuen Märkten zu befeuern. N26 konnte seine Bewertung zudem nicht erhöhen, sondern wurde, wie 2019 bereits, mit 3,5 Milliarden Dollar bewertet. Darüber hinaus können sich aus Deutschland lediglich die Anlage-App Trade Republic, die Solarisbank und die Steuer-App Taxfix mit den anderen europäischen Top-Fintechs messen.
Bei wenigen der Finanzierungsrunden ging es – trotz Coronakrise – ums nackte Überleben, das legt auch das FinanceFWD-Stimmungsbarometer unter deutschen Fintech-CEOs nahe: Ende März gaben noch fast zwölf Prozent von ihnen an, ihre Kapitalausstattung reiche weniger als sechs Monate, im Juni waren es nur noch etwa fünf Prozent. Viele Unternehmen hatten sich in der Zwischenzeit mit Sparmaßnahmen auf die Situation eingestellt.
Die Auswertung von BlackFin Tech berücksichtigt alle Deals aus den ersten beiden Quartalen 2020. Die 50 Millionen Euro für den deutschen Robo-Advisor Scalable Capital und weitere 80 Millionen Dollar für Revolut – beides Deals aus dem Juli – wurden somit nicht mehr einbezogen.