Der Hauptsitz von Checkout.com ist in London (Bild: PR)

Was Checkout.com zu einem der wertvollsten Fintechs Europas macht

Checkout.com steigt zu einem der wertvollsten Fintechs Europas auf. Was steckt hinter dem Londoner Unternehmen – und was hat es vor?

Die Meldung drohte in der Woche, in der der deutsche Payment-Konzern Wirecard Insolvenz anmelden musste, fast unterzugehen: Ein weiterer europäischer Zahlungsdienstleister, das britische Checkout.com, wird nun mit 5,5 Milliarden Dollar bewertet – nur Revolut und Klarna können in Europa die ebenfalls diese Bewertung aufweisen. Wertvollere Fintechs gibt es auf dem Kontinent nicht.

Checkout.com erledigt die komplette Zahlungsabwicklung zwischen Kasse und Kreditkartennetzwerk bei Onlinehändlern. Damit bedient es einen riesigen Markt, der weiterhin wächst. Statista prognostiziert ein Wachstum von 3,6 Billionen Dollar 2018 auf 6,7 Billionen bis 2023. Und es gibt noch viel zu holen: Die beiden größten Player und Hauptkonkurrenten von Checkout.com, Stripe und Adyen, decken lediglich ein bis zwei Prozent des Marktes ab.

Das Unternehmen profitiert von der Entwicklung, es wächst rasant, nicht nur bei der Bewertung. Anfang 2019 hatte es 262 Mitarbeiter, Ende des Jahres schon 535, inzwischen sind es 750. Es gibt auch ein Berliner Büro und eine deutsche Checkout GmbH. Und bis Ende des Jahres will die Firma weltweit 1.000 Mitarbeiter beschäftigen.

Das Transaktionsvolumen ist in der Coronakrise um 250 Prozent gestiegen

Das Unternehmen von Gründer und CEO Guillaume Pousaz ist bereits seit acht Jahren am Markt und gibt an, von Beginn an profitabel zu arbeiten. Das liege an „disziplinierten Unit Economics“, erklärt Finanzchef Thomas Hovaguimian im Gespräch mit Finance Forward. Zu den Kunden von Checkout.com gehören Samsung, Transferwise und Deliveroo, dazu seit kurzem die beliebte Trading-App Robinhood sowie die Uber-Fintechs Revolut und Klarna.

Das überzeugt die Investoren: Checkout.com konnte im Mai 2019 mit 230 Millionen Dollar die größte Series-A-Runde in der europäischen Startup-Geschichte verkünden. Am Montag kamen in der Series B weitere 150 Millionen Dollar hinzu, die Bewertung wurde von zwei auf 5,5 Milliarden Dollar fast verdreifacht.

Getrieben hat die Bewertung das zuletzt stark gestiegene Transaktionsvolumen von Checkout.com: Eigenen Angaben zufolge lag es im Mai im Vergleich zum Vorjahr um 250 Prozent höher. Profitiert hat das Geschäft vom boomenden Onlinehandel in der Coronakrise. 2018 setzte das Unternehmen 74,8 Millionen Dollar um, der Gewinn lag bei 2,3 Millionen Dollar, immerhin ein Umsatzwachstum von 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Für 2019 gibt es noch keine offiziellen Zahlen.

„Wir sind das nächste Adyen“, tönte Pousaz 2018 im Gespräch mit der Financial Times. Bis dahin ist allerdings noch ein weiter Weg für Checkout.com – das börsennotierte Adyen hat eine Marktkapitalisierung von 38 Milliarden Dollar, US-Konkurrent Stripe wurde kürzlich erst mit 36 Milliarden Dollar bewertet.

Nicht mehr nur Zahlungsabwicklung

Doch es geht voran – inzwischen auch über Zukäufe. In den vergangenen Monaten verkündete das Milliardenunternehmen seine ersten beiden Startup-Übernahmen: im Februar das französische Processout, dessen Technologie für Kunden beim Onlinehandel den Zahlungsanbieter mit den günstigsten Gebühren heraussucht, und im Mai Pinpayment, das digitale Zahlungen für 12.000 Unternehmen in Australien und Neuseeland abwickelt.

Übernahmen kämen grundsätzlich nur in Frage, wenn sie das Produkt wirklich weiterbrächten, so Hovaguimian – eine größere Liste mit potentiellen Kandidaten habe das Unternehmen nicht. Doch das Angebot von Checkout.com soll noch ausgeweitet werden. „Bislang haben wir uns auf ‚Pay-ins‘ konzentriert – den Moment, in dem ein Verbraucher sein Geld gegen eine Ware oder Dienstleistung eintauscht“, sagt Hovaguimian. „Wir haben eine ‚Auszahlungslösung‘ entwickelt, weil der Geldfluss dort nicht aufhört.“

Viele Unternehmen, meistens Handelsplattformen, müssen ihre Zulieferer nachträglich bezahlen. Die Auszahlung könnte auf zwei Arten erfolgen: Entweder über eine Pay-to-Card – das Geld wird an eine Debitkarte gesendet –, oder Pay-to-Bank, Unternehmen können das Geld direkt auf das Bankkonto des Verkäufers überweisen. Das Feature wird aktuell bei Checkout.com getestet und soll bald ausgerollt werden. An diesen Prozessen will sich Checkout.com zusätzlich zur Zahlungsabwicklung beteiligen, die Series-B-Runde soll die Entwicklung befeuern.

Die Ausweitung des Angebots passt gut in die bisherige Strategie. Das Alleinstellungsmerkmal des Unternehmens ist es, die drei wichtigen Stationen der Zahlungsabwicklung als Komplettpaket anzubieten: Gateway, Acquiring und Verarbeitungsplattform. Die Konkurrenz bietet häufig nur einen Teil des Angebots, in jedem Bereich gibt es einzelne Player. Die Technologie, das alles zu vereinen, hat Checkout.com selbst entwickelt. Damit sei die Lösung besonders zuverlässig, stabil und auch schneller, da sie nicht auf Schnittstellen anderer Player zurückgreifen muss.

Ein graues, unauffälliges Büro in Berlin

Hovaguimian betont im Gespräch, dass Deutschland als größter Markt in Europa für das Unternehmen eine signifikante Bedeutung habe. Der Auftritt hierzulande ist jedoch noch nicht besonders glamourös. Die Räumlichkeiten der Checkout GmbH befinden sich in einem unscheinbaren grauen Gebäude in Berlin-Kreuzberg zwischen dem Axel-Springer-Haus und dem Checkpoint Charlie. Für den Standort Berlin sind mehrere Stellen ausgeschrieben, die meisten davon in den Bereichen Produkt- und Softwareentwicklung sowie Sales.

Die ganz großen Zukunftspläne spielen sich jedoch außerhalb Europas ab. Als nächstes will die Firma in den USA an die Börse gehen und in China Fuß fassen. Dafür soll ein Büro in Shanghai eröffnet werden.

Mit den Problemen der Branche in Europa – Stichwort Wirecard-Bilanzskandal – will sich das Unternehmen hingegen nicht in Verbindung bringen lassen. Die weiteren Wettbewerber hätten damit nichts zu tun gehabt, so Hovaguimian – und die Skandalfirma selbst sei wenig präsent gewesen: „Uns ist Wirecard in der Branche kaum aufgefallen, es war eine Art Mysterium für uns.“