Bux zählte rund eine halbe Million Kundinnen und Kunden in Europa (Bild: PR).

Neobroker-Exit von Bux an Großbank hinterlässt enttäuschte Crowdinvestoren

Exklusiv: Einer der größten europäischen Neobroker hat einen Käufer gefunden. Die Bank Abn Amro schluckt das niederländische Fintech Bux, an dem auch die Neobank N26 interessiert war. Ein großer Erfolg war dieser Exit aber offenbar nicht: Die Investoren der frühen Stunde drohen leer auszugehen.

Es ist einer der ersten Deals dieser Art: Die niederländische Großbank Abn Amro verkündete in der vergangenen Woche, den Neobroker Bux zu kaufen. „Wir hatten schon immer die Ambitionen, mit unserem Angebot für Privatanleger in Europa führend zu sein, und der Zusammenschluss mit Abn Amro ist ein entscheidender Schritt zur Erreichung dieses Ziels“, lässt sich der Bux-CEO Yorick Naeff zitieren. Eine halbe Million Kundinnen und Kunden zählt das Fintech, auch in Deutschland. Über die Jahre flossen mehr als 100 Millionen Dollar in die Firma – von prominenten Geldgebern wie Tencent, Prosus und der Bank Abn Amro selbst. Über den Kaufpreis schweigen die Parteien.

Ein Grund zur Freude? Nicht für alle. Denn ein Teil der Investoren wird wahrscheinlich bei dem Verkauf leer ausgehen, darunter auch Kleinanleger, von denen Bux über die Crowdinvestmentplattform Seedrs Geld eingesammelt hatte. Vertrauliche Nachrichten an die Crowd, die Finance Forward vorliegen, geben Hinweise über die tatsächliche Größe des Deals – und sie werfen eine brisante Frage auf.

115 Millionen Dollar Funding – auch von Kleinanlegern

Bux war einer der Neobroker, der auf den Hype aufsprang – 2014 gründeten Egbert Pronk, Joost van de Wijgerd, Nick Bortot und Robbert Bos das Unternehmen, um dann 2019 in den Niederlanden und kurze Zeit später auch in Deutschland zu starten. Ähnlich wie die deutschen Anbieter Trade Republic und Scalable Capital warb das Unternehmen von Anfang an mit provisionsfreiem Handel. Die breite Masse sollten einfacheren und vor allem günstigeren Zugang zum Kapitalmarkt erhalten.

Für diese Mission sammelte Bux über die Jahre laut Crunchbase insgesamt 115 Millionen Dollar Risikokapital ein, mit bekannten Geldgebern wie Prosus (ehemals Naspers), Tencent und HV Capital im Rücken. Auch wenn Bux kleinere Summen einsammelten als die deutschen Konkurrenten Trade Republic und Scalable Capital fiel das Unternehmen auf – etwa mit einem offensiven Marketing. Ein Teil des eingesammelten Geldes kam derweil von sogenannten Crowdinvestoren, also Kleinanlegern. 2017 wickelte Bux eine Finanzierungsrunde über die Crowdfunding-Plattform Seedrs ab. Laut Analyse-Dienst Pitchbook kamen dabei knapp 1,7 Millionen Dollar zusammen.

Sonderrechte für späte Geldgeber

Wie nun durch die interne Investorenkommunikation klar wird, ist der Exit deutlich schlechter gelaufen, als Bux und seine Investoren sich dies gewünscht hätten. In einem Schreiben, das Finance Forward vorliegt, richtet sich Bux an seine Crowdinvestoren: Darin heißt es, dass der Verkaufswert nicht alle Liquiditätspräferenzen der getätigten Investmentrunden übersteigen werde – im Klartext: einige Investoren bekommen ihr Geld womöglich gar nicht oder nur zum Teil zurück. „Der Verkauf wird tatsächlich einen Verlust darstellen“, schreibt Bux. „Uns ist klar, dass dies nicht das Ergebnis ist, das ihr euch gewünscht hättet.“ Der Deal muss noch von den niederländischen Behörden genehmigt werden, dies entscheide sich erst in den kommenden Monaten, teilt das Unternehmen mit.

Liquiditätspräferenzen sind Sonderrechte der Geldgeber einzelner Finanzierungsrunden. Das Geld aus dem Verkauf wird dabei nicht gleich verteilt, sondern beispielsweise spätere Investoren erhalten erst einmal ein Vielfaches ihres Investments wieder. Sie verhandeln dies, um sich abzusichern. Erst danach erhalten die Investoren der früheren Finanzierungsrunden überhaupt Geld.

Schwacher Exit verärgert Anleger

Wie die niederländische Branchenzeitung Het Financieele Dagblad berichtet, soll Abn Amro tatsächlich nicht mehr als 100 Millionen Euro (also knapp 110 Millionen Dollar) gezahlt haben. Doch dieses Geld wird unter den Investoren nicht gleich verteilt. Wie aus den internen Mitteilungen hervorgeht, gibt es eine Klausel in der Bridge-Finanzierung, die das Unternehmen im vergangenen Juni durchgeführte. Es räumte den teilnehmenden Investoren einen dreifachen Multiple auf ihr Investment ein – also erhalten sie dreimal ihr ursprüngliches Investment. Alle vorherigen Geldgeber, die nicht an diesem Funding teilgenommen haben, werden erst danach bedient.

Die Crowd-Community reagiert nun verärgert. „Herzlichen Glückwunsch, Yorick und sein Team, dass ihr die treuen Seedrs-Crowdfunder verarscht habt, die Bux vom ersten Tag an unterstützt haben“, schreibt einer von ihnen auf der Karriere-Plattform Linkedin. „Warum teilt ihr nicht die Ankündigung, dass eure frühen Aktionäre über Seedrs eine Rendite von 0$ erzielen werden?“, fragt ein weiterer.

Auf Anfrage erklärt das Unternehmen, die Crowdinvestoren hätten – analog zu allen anderen Investoren – in sämtlichen Folgerunden ein entsprechendes Vorkaufsrecht gehabt. So sei es auch in der im diesen Sommer durchgeführten Überbrückungsrunde gelaufen. Neue Wagniskapitalgeber seien in dieser Runde nicht dazugekommen – stattdessen habe man den Bestandsinvestoren die Möglichkeit gegeben, proportional zu ihrem bisherigen Anteilen zu investieren.

Bux im Sinkflug

Auf Anfrage von Finance Forward legt Bux offen, warum es überhaupt zur Zwischenfinanzierung kam: „Die Runde sollte die Verluste bis zum Jahresende finanzieren“, heißt es. Der Jahresbericht aus dem vergangenen Jahr offenbart, wie schlecht es wirklich um das Geschäft des Broker stand: Den etwas mehr als zwei Millionen Euro Umsatz standen rund 16 Millionen Euro Verlust gegenüber. Um im folgenden Jahr profitabel zu werden, habe man entschieden, Geschäftsteile außerhalb der Niederlande zu verkaufen oder zu schließen. Außerdem habe man die Preisstruktur angepasst und versucht, die Kosten zu senken – auch durch Entlassungen von mehr als 40 Prozent der Beschäftigten. „Die dreifache Liquiditätspräferenz ergab sich folglich aus dem höheren Risiko dieser Investitionsrunde”, teilt Bux mit.

Seedrs informierte die Bux-Investoren auf seiner Plattform allerdings erst am 20. November über diese neue Funding-Möglichkeit. Einige Crowdinvestoren stören sich nun daran, dass das Angebot erst Wochen vor dem Verkauf kam. Es kommt ihnen komisch vor, dass die beiden Ereignisse so kurz hinter einander passierten. Sie äußern den Verdacht, jemand könnte bereits gewusst haben, dass es zum Exit kommt.

Dass Bux nach einem Käufer suchte, war bekannt. Mit der größten deutschen Neobank N26 hatte Bux verhandelt, auch Public.com soll Interesse gezeigt haben – doch die Deals kamen nicht zustande. Schon im Februar wurde bekannt, dass die Verhandlungen mit N26 geplatzt waren, wie das Handelsblatt zu der Zeit berichtete.

Der Verkauf sei noch nicht absehbar gewesen

Bux widerspricht dem Verdacht der Crowdinvestoren: Der Verkauf im Sommer sei noch nicht absehbar gewesen. „Abn Amro hat Interesse gezeigt“, heißt es. „Doch die Gespräche waren noch in einem frühen Stadium – weder eine konkrete Bewertung, noch ein Deal waren zu diesem Zeitpunkt klar.“ Warum Seedrs die Information zur Finanzierung erst Ende November verschickte, wisse das Bux-Management nicht. Seedrs antwortet auf Anfrage nur mit einem allgemeinen Statement.

Das Fintech bedauere den Verlust der Investoren. Der dramatische Rückgang von Startup-Bewertungen der vergangenen zwei Jahre habe außerhalb ihrer Kontrolle gelegen, heißt es in einem Statement. „Alle professionellen Investoren von Bux, die in denselben Runden wie die Seedrs-Investoren investiert haben, erhalten in dieser Runde den gleichen Erlös auf ihre Anteile“, teilt das Unternehmen mit.

Ob und wie viel Geld die frühen Investoren nun zurückbekommen, wird sich im Laufe der nächsten Monate klären. Die großen Venture-Capital-Fonds werden ihren Kapitaleinsatz aber im Zweifel leichter abschreiben können als private Kleinanleger. Unterdessen reiht sich der Fall Bux in viele missglückte Crowdinvestments bei Startups wie Volocopter ein, bei dem die Crowd am Ende trotz Erfolgsmeldungen das Nachsehen hat.

Mitarbeit: Caspar Tobias Schlenk