Public.com-Gründer Leif Abraham (Bild: Finance Forward).

„Akquisitionen liegen schon auf dem Tisch“: Public.com-Gründer Leif Abraham im FinanceFWD-Podcast

Leif Abraham ist einer der wenigen deutschen Fintech-CEOs in den USA. Vor fünf Jahren gründete er Public.com, eine Mischung aus Trade Republic und einer Investment-Community. Das Milliarden-Startup konnte namhafte Investoren wie Accel, Tiger Global und Scott Galloway gewinnen, nun schielt es auf den europäischen Markt. Im Podcast spricht Abraham über seinen Weg von der Werbeagentur Jung von Matt bis hin zu seinen Gründungen in New York.

Vor rund fünf Jahren saß er in einem New Yorker Hotel, ihm gegenüber: Oliver Samwer. Es musste schnell gehen, Samwer hatte wohl wenig Zeit oder Geduld – oder beides nicht. „Das war einer meiner kürzesten Pitches jemals“, erzählt Leif Abraham heute über das Treffen. Nach etwa neun Minuten hatte er den Deal sicher und mit Samwer einen prominenten Investor gewonnen. Damals ging es um Abrahams Freelancer-Plattform And.co.

Schon zu diesem Zeitpunkt war er kein unbeschriebenes Blatt mehr: Der gebürtige Hamburger hatte seine Karriere bei der renommierten Werbeagentur Jung von Matt begonnen und wechselte 2008 in die USA. Er schrieb ein Buch über Digital-Marketing, baute nur als Nebenprojekt die Twitter-App „Pay with a Tweet“, die unter anderem durch Nutzer wie Präsidentschaftskandidat Mitt Romney schnell viral ging. Nach einer Station bei West – dem Marketing-Team des Twitter-Gründers Jack Dorsey – folgte dann die Gründung von And.co. Neben Samwer investierte damals auch Joshua Kushner, Bruder des Trump-Schwiegersohns Jared. Wenig später wurde der Verkauf des Unternehmens zu Abrahams erstem großen Millionen-Exit.

Ein Gegenmodell zu „Glücksspiel-Apps“?

Seine nächste Gründung sollte ein Fintech werden. Mit der Anlage-App Public.com möchte Abraham zusammen mit seinem Mitgründer Jannick Malling Platzhirsche wie Etoro oder Robinhood angreifen. „Die erste Generation der Trading-Apps war eher für das Glücksspiel gemacht“, sagt er. Mit Hebelprodukten und Trading-Krediten hätten diese ihre Kundschaft eher zum zocken angeregt. Einerseits sei das für Anbieter sehr profitabel, allerdings verliere man seine Kunden auch schnell. „Wenn man richtig viel Glück hat, hat man damit eine Customer Lifetime von zwei Jahren“, sagt er.

Public.com will es anders machen. Auf der Plattform findet man ein breites Angebot an handelbaren Titeln, darunter neben klassischen Aktien und Anleihen auch Krypto oder sogenannte „Collectables“ wie Kunst oder begehrte Kleidungsstücke. Auch Investitionen in Musikrechte, Immobilien und Startup-Anteile sollen bald möglich sein. Anleger können daraus aktiv ihr Portfolio zusammenstellen und eine „emotionale Verbindung zu ihrem Portfolio aufbauen“, sagt Abraham. Von Emotionen spricht er gerne. Denn Abraham versucht in seiner Trading-App einen sozialen Kontext herzustellen: Nutzer können ihr Portfolio öffentlich machen und verfolgen, was etwa Meinungsführer oder ihre Freunde handeln. Außerdem gibt es in der App einiges an Informations-Content, beispielsweise Live-Shows, Risikowarnungen oder Erklärungen zu Aktienschwankungen. „Context is king“, lautet Abraham’s Leitspruch dahinter.

Verzicht auf lukratives „Payment for order flow“

Sein Ziel ist es, nicht bloß Kunden, sondern eine Fanbase für die Marke Public.com aufzubauen. „Kunden sollen nicht nur gerne unsere Features nutzen, sondern wirklich hinter unserer Firma stehen“, sagt er. Die Erfahrungen aus seiner Agentur-Zeit als Werber helfen ihm dabei. Die meisten Fintechs seien zu Feature-fokussiert. Die Kundenakquisition werde dann beispielsweise über simple Kaufanreize wie Gratisaktien versucht. „Die Standard-BWL-Denke“ nennt er das. Dabei gehe es vielmehr darum, die eigenen Firmenwerte zu kennen und durch eigenes Handeln zu belegen.

Ein Beispiel hierfür ist das Thema „Payment for order flow“ (kurz: PFOF), ein Modell, mit dem manche Neobroker einen Großteil ihres Umsatzes generieren. Konkret funktioniert das Modell so, dass Broker ihre Trades über sogenannte Market-Maker abwickeln und dafür Zahlungen erhalten. Unter Experten ist es umstritten. Auch auf EU-Ebene waren sich die Mitgliedsstaaten bezüglich eines möglichen PFOF-Verbots zuletzt uneinig (Finance Forward berichtete).

Abraham ist sich allerdings sicher, dass PFOF falsche Anreize für Broker setze, die den Interessen ihrer Kunden entgegenstünden. Deshalb entschied sich das Public.com-Gründerteam 2021 dazu, auf PFOF zu verzichten. „Es steht nicht im Einklang mit unserer Mission, dem Produkt, das wir entwickeln, der Gemeinschaft, der wir dienen“, hieß es damals – ein großer Schritt, um den eigenen Werten gerecht zu werden. Um den Umsatzverlust abzufedern, führten sie damals das „Tipping“ ein. Nutzer können sich aussuchen, ob und wie viel sie für einen Trade bezahlen – eine Art Trinkgeld für Public.com.

Mittlerweile zählt Public.com nach eigenen Angaben mehr als drei Millionen Kunden und wird mit mehr als einer Milliarde US-Dollar bewertet. Profitabel ist das Geschäftsmodell aber noch nicht, im November 2021 war der Cashburn noch auf Rekord-Hoch. Abraham wird heute noch mulmig, wenn er sich daran erinnert. „Das war unser Wendepunkt“, erzählt er. „Seitdem haben wir unsere Kosten extrem herunter gedrosselt. Die Ansage an das Management damals lautete: Wenn ihr Geld braucht, müsst ihr den Umsatz steigern.“ Und das, obwohl Public.com damals sehr liquide gewesen sei. „Als wir die Serie-D geraised hatten, hatten wir das Geld von der Series-B noch nicht mal angerührt“, sagt er.

Europäischer Wettbewerb heizt sich auf

Nun steht die Expansion nach Europa auf dem Plan. Details möchte Abraham noch nicht verraten. Nur so viel: Das europäische Trading-Geschäft soll nach wie vor über Public.coms US-Modell laufen. Hiesige Kunden würden dann US-Trading-Konten eröffnen und in US-Dollar handeln. Ob das operativ so einfach wird, muss sich zeigen. Dabei spielt natürlich auch die Bereitschaft der lokalen Zielgruppe, in einer fremden Währung zu handeln, eine große Rolle.

Angesichts des geplanten Markteinstiegs scheinen die Gründer sogar in Kauflaune zu sein. „Akquisitionen liegen schon auf dem Tisch“, verrät Abraham. Finance Forward berichtete bereits über mutmaßliche Verhandlungsgespräche zwischen Public.com und dem niederländischen Broker Bux. Es ist Bewegung im Markt. Auch US-Konkurrent Robinhood wagt sich offenbar wieder nach Europa. Im April vergangenen Jahres kaufte der Neobroker den britischen Krypto-Anbieter Ziglu, nun tauchten erste Stellenanzeigen und Tochtergesellschaften in Großbritannien und den Niederlanden auf. Noch gibt es zwar einige Fragezeichen zur neuen US-Konkurrenz. Gleichzeitig dürfte es auf dem europäischen Broker-Markt in diesem Jahr äußerst spannend werden.

Im Podcast erzählt Leif Abraham über seinen außergewöhnlichen Werdegang, Hollywood-Investoren und die Europapläne von Public.com. Das Gespräch haben wir zusammen mit dem OMR-Gründer Philipp Westermeyer geführt.

Im FinanceFWD-Podcast spricht Abraham über …

… seinen Sprung von Hamburg nach New York
… das Modell von Public.com
… seine Kritik am “Payment for order flow”-Modell
… die Bedeutung von wertebasiertem Marketing
… die Expansionspläne von Public.com

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