Beide Vivid-Gründer kommen von Tinkoff: Artem Yamanov und Alexander Emeshev (Bild: PR)

Softbank nimmt N26 in die Zange – Vivids Chancen nach der 100-Millionen-Runde

Vivid gelingt mit einer nächsten hohen Finanzierung ein Coup. Die Berliner Neobank kann zurzeit eine Schwäche von N26 ausnutzen – und setzt auf einen grundsätzlich anderen Ansatz. Wer macht das Rennen?

Softbank erhielt früh einen Spitznamen: Königsmacher. Aggressiv investierte der japanische Tech-Investor in Startups überall auf der Welt. Die mehr als 100 Milliarden US-Dollar schweren Fonds sollten die jungen Unternehmen von jeglichen Geldsorgen befreien – ein Wettbewerbsvorteil gegenüber den Konkurrenten.

Ausgerechnet dieser Geldgeber hat sich, wie gestern bekannt wurde, an dem aufstrebenden N26-Konkurrenten Vivid Money beteiligt. 100 Millionen Euro flossen insgesamt in die erst 2020 gegründete Neobank, die Bewertung stieg auf 750 Millionen Euro.

Das Berliner Fintech Vivid ist derweil nicht der einzige N26-Konkurrent, den Softbank finanziert: Auch beim britischen Erzfeind Revolut sind die Japaner an Bord. Eigentlich ist es ungewöhnlich, dass ein Wagniskapitalgeber konkurrierende Startups finanziert. Denn das Marketing von Wettbewerbern lassen Geldgeber ungern gegeneinander antreten, doch Softbank hat diese Regel schon mehrfach gebrochen. Mit dem Vivid-Investment ist Softbank nun wieder dabei mehrere Konkurrenten zu finanzieren. Und die haben alle einen gemeinsamen Gegner: N26.

Schnelligkeit trotz eines späten Starts

Ziemlich genau vor zwei Jahren tauchten die ersten Anzeichen auf: Artem Yamanov und Alexander Emeshev, zwei frühere Manager der russischen Challenger-Bank Tinkoff, gründeten in Berlin Vivid Money. Durch eine Kooperation mit der Solarisbank gelang der rasche Launch.

Trotz des späten Starts – im Vergleich zu Konkurreten wie N26 und Revolut – konnte Vivid erstaunlich schnell aufholen. Mit der neuen Finanzierungsrunde verkündet der Herausforderer nun eine Kundenzahl von einer halben Million. Das neue Geld wird zu großen Teilen in das Marketingbudget fließen. Kostete es anfangs noch mehr als 100 Euro, um einen Kunden zu gewinnen, sei die Zahl nun im zweistelligen Euro-Bereich, heißt es vom Unternehmen, ohne genaue Zahlen zu nennen. In drei europäischen Ländern ist Vivid jetzt unterwegs.

Der anstehende Wettkampf N26 gegen Vivid wird derweil ein Wettbewerb der Modelle sein. Auch wenn sich die Fintech-Anbieter von außen ähneln, gibt es vier große Unterschiede.

1. Produktinnovation

Vivid lanciert seit dem Start mit großem Tempo immer neue Features: Eine Cashback-Funktion, die das gesparte Geld in Aktien investiert, hohe Rabattangebote, Aktien- und Krypto-Handel, Hotelbuchungen und ein Feature für Steuererklärungen. Bei den Produkt-Launches ging das Team manchmal lieber früher als später an den Markt. Die Rabattprogramme änderten sich beispielsweise im Eiltempo. Schnelligkeit ging vor Perfektion.

Der Konkurrent N26 hat sein Produkt schon seit Längerem nicht mehr grundlegend weiterentwickelt. Zurzeit arbeitet der Platzhirsch an einem Krypto- und Aktienhandel, doch auch das dürfte noch Monate dauern. Vivid Money – obwohl Jahre später gestartet – ist deutlich weiter, werkelt zurzeit am Aufbau einer Investment-Community.

2. Partner und Lizenz

N26 setzt stärker auf Eigen-Entwicklungen und will auch die neuen Features selbst austüfteln oder eng mit einem Partner zusammenarbeiten. Vivid stützt sich nicht nur auf Lizenz und Infrastruktur der Solarisbank – sondern hat sich zum Beispiel für sein Trading-Tool mit dem Münchner Anbieter CM Equity zusammengetan. Der bietet den Handel von sogenannten Teilaktien an. Das ist zwar nicht die reine Lehre. Führte aber zum raschen Marktstart.

N26 mit eigener Banklizenz hat zurzeit eine Untersuchung der Finanzaufsicht Bafin laufen und darf nur eingeschränkt wachsen – eine Schwäche, die Vivid nun ausnutzen kann. Gegen vier Führungskräfte wird zudem von der Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt, wie das Handelsblatt berichtete.

3. Geschäftsmodell

Im Ansatz liegt der große Unterschied der Geschäftsmodelle: Bei Vivid bleiben insgesamt viel weniger Erträge hängen. Allein für die halbe Millionen Kunden dürfte die Neobank pro Jahr zwischen 10 Millionen und 15 Millionen Euro an die Solarisbank überweisen (die an einem Konto grob zwischen 25 Euro und 30 Euro je Konto in Rechnung stellt). Beim Aktien- und Krypto-Handel teilt wiederum Vivid die Marge mit CM Equity. Und bei den Rabatt-Angeboten legt der Newcomer teilweise sogar Geld drauf, um die Kunden anzulocken.

Zehn Prozent gehören zu den zahlenden Kunden bei Vivid, heißt es auf Nachfrage. Bei grob 50.000 der sogenannten Prime-Kunden erzielt die Firma damit rund sechs Millionen Euro Jahresumsatz. Damit wären nur grob die Hälfte der Solarisbank-Kosten gedeckt. Dafür gibt es mit den Aktien- und Krypto-Produkten auch mehr Angebote, um Geld zu einzunehmen. Noch gibt es keine Geschäftszahlen, allerdings ist nicht ersichtlich, wie Vivid mit dem heutigen Modell in allzu naher Zukunft Geld verdienen will.

N26 kann mit eigener Lizenz unabhängiger agieren. In der Theorie dürfte sich diese Aufbauarbeit gelohnt haben – denn vom umgesetzten Euro bleibt bei N26 deutlich mehr hängen.

4. Super-App-Ambitionen

Beide Neobanken haben das Ziel verkündet, bald mehr externe Dienste zu integrieren. N26-Gründer Valentin Stalf sprach bereits davon, wie es wäre, sein Taxi per N26-App zu bestellen. Vivid hegt den Plan einer sogenannten Super-App auch schon länger und ermöglicht beispielsweise Hotelbuchungen dank einer Kooperation über das Reiseportal Booking.

Doch erst eine „hohe vierstellige Anzahl“ an Kunden habe darüber schon gebucht, teilt ein Sprecher mit. Scheitert der Ansatz? Kann sein. Wäre aber Teil der Idee. Vivid Money ist Trial-and-Error. Verglichen damit tritt N26 fast schon konservativ auf.