N26-CEO Valentin Stalf (Bild: imago images/Christian Kielmann)

„Wir haben nicht genau genug zugehört“

Der Streit um einen Betriebsrat beim gehypten Banking-Startup N26 ist in den vergangenen Tagen eskaliert. Nun äußert sich Gründer Valentin Stalf erstmals ausführlich im Interview mit Finance Forward dazu. Er gesteht Versäumnisse ein – dass das Management versuchte, Wahlversammlungen vor Gericht zu verhindern, sei aber richtig gewesen.

Als Valentin Stalf am späten Freitagvormittag sein erstes Interview zur Debatte um einen Betriebsrat bei seiner Challengerbank N26 gibt, laufen einige Kilometer entfernt im Hofbräu am Alexanderplatz gerade die Abstimmungen zum Wahlvorstand. Es geht turbulent zu, sogar die Polizei schaut vorbei, um sich vor Ort von der Sicherheit zu überzeugen – wer sie zum Veranstaltungsort gerufen hat, bleibt bislang offen.

Es ist ein verheerendes Bild, das N26 in den vergangenen zwei Wochen abgegeben hat. Mitarbeiter beklagen, das Vertrauen in ihr Unternehmen sei auf einen „historischen Tiefstand“ gesunken. Das Management schreibt in einer Mail, ein Betriebsrat widerspreche den „Werten“ des Unternehmens. Dass es versucht, geplante Wahlversammlungen vor Gericht zu verhindern, löst einen öffentlichen Aufschrei auf.

Was sagt der N26-Gründer zu den Vorwürfen? Und wie geht es jetzt weiter? Darüber hat Stalf mit Finance Forward gesprochen.

Valentin, ihr habt in der vergangenen Woche viel getan, um eine Betriebsratswahl bei N26 zu erschweren. Das Unternehmen hat eine einstweilige Verfügung gegen die Initiatoren erwirkt. In einer Mail von euch hieß es, ein Betriebsrat widerspreche „fast allen Werten, an die wir bei N26 glauben“. Warum habt ihr solche Angst vor einem Betriebsrat?

Das Zitat ist stark aus dem Zusammenhang gerissen. Ich habe in den vergangenen Tagen mehrmals gesagt, dass es für unser Unternehmen sehr, sehr wichtig ist, dass unsere Mitarbeiter auch mitbestimmen können. Ich glaube ganz stark, dass eine etablierte Feedback-Kultur für jedes Unternehmen sehr wichtig ist, dazu gehört auch die Mitbestimmung.

Das ist doch der falsche Begriff. Es geht nicht um Feedback, sondern um rechtlich zugesicherte Mitbestimmung.

Ich bin natürlich auch für eine rechtlich zugesicherte Mitbestimmung von Mitarbeitern. Als Geschäftsführer und Gründer dieses Unternehmens habe ich aber auch eine Verantwortung für die Sicherheit meiner Mitarbeiter und eine Fürsorgepflicht. Eine der ersten Fragen, die ich den Initiatoren des Betriebsrates gestellt habe, war: Wie lässt sich während der Coronakrise überhaupt eine Wahl mit mehreren hundert Menschen durchführen? Darauf gab es aus unserer Sicht keine zufriedenstellende Antwort. Als Arbeitgeber haben wir eine Fürsorgepflicht und tragen die Verantwortung dafür, dass die erforderlichen Hygieneregeln eingehalten werden. Ich will noch einmal klarstellen: Wir unterstützen eine Betriebsratswahl. Aber es muss eine Wahl sein, die auch die aktuellen gesetzlichen Covid-19-Bestimmungen einhält und allen Mitarbeitern die Möglichkeit gibt teilzunehmen. Wir haben uns ja sofort mit den Initiatoren zusammengesetzt und unter anderem auch das Sicherheitskonzept angesprochen, das hat leider gefehlt, und gegen geltende Gesetze können wir nicht handeln. Warum war die Wahl nicht auch einige Tage später möglich, mit entsprechend mehr Zeit zur Planung und Entwicklung von Sicherheitskonzepten, die den gesetzlichen Anforderungen entsprechen?

Ihr wolltet die Versammlung mit einer einstweiligen Verfügung vor dem Berliner Arbeitsgericht stoppen. Eure konkrete Kritik: Es habe kein Hygienekonzept für den Veranstaltungsort vorgelegen. Der Betreiber des Berliner Hofbräus sagt dagegen, dass euch ein mit den Behörden abgestimmtes Konzept vorgelegen habe. Eine Aussage kann nicht stimmen.

Das Hofbräuhaus hat uns lediglich an die Gewerkschaft verwiesen. Das Arbeitsgericht hat die Veranstaltungen per Gerichtsbeschluss untersagt. Das hat nichts mit meiner Meinung zu einen Betriebsrat zu tun, sondern mit unserer Verantwortung als Arbeitgeber gegenüber unseren Mitarbeitern und deren Gesundheit. Wir arbeiten jetzt mit den Initiatoren zusammen, wie wir in den nächsten Wochen die Betriebsratswahl unter geltenden Covid-Bestimmungen möglich machen können. Wichtig ist, dass sich alle Mitarbeiter sicher fühlen, an so einer Wahl auch teilzunehmen. Daher müssen wir das professionell vorbereiten, gemeinsam mit den Initiatoren.

In den Vorgesprächen mit euch soll das Thema Sicherheitskonzept keine große Rolle gespielt haben. Der für die Sicherheit zuständige Mitarbeiter soll von euch nicht mit einbezogen worden sein.

Seitdem wir Kenntnis von der Betriebsratsinitiative hatten, haben wir immer wieder das Gesundheitskonzept mit den Initiatoren angesprochen. Unser Sicherheitsteam war über die letzten Tage auch im Gespräch mit den Initiatoren, allerdings sollten die Wahlen ja nicht bei uns im Büro stattfinden, und unsere Experten sind viel zu spät eingebunden worden. Eine Veranstaltung mit mehreren hundert Teilnehmern bedarf einer entsprechenden Vorbereitung der Veranstalter. Wir können die Sorge um die Gesundheit der Mitarbeiter und die Fürsorgepflicht ja nicht einfach aussetzen.

Wenn es keinen Zeitdruck gibt und ihr einen Betriebsrat unterstützt, warum habt ihr dann eine Parallelveranstaltung zur gleichen Zeit wie die Versammlung am Donnerstag angesetzt? Bei dem Treffen habt ihr eure Alternative zum Betriebsrat vorgestellt.

Die Versammlung am Donnerstag wurde gerichtlich untersagt und hätte gar nicht stattfinden dürfen. Das wurde auch von den Initiatoren so intern kommuniziert. Daher ist ein großes Durcheinander entstanden, als dann doch kurzfristig Einladungen an alle Mitarbeiter verschickt wurden. Wir hatten unabhängig davon schon Tage vorher online eine Kick-Off-Veranstaltung für interessierte Mitarbeiter angesetzt, damit das deutsche Betriebsratsmodell sowie alternative Ansätze besprochen werden können. Ich halte es für sehr wichtig, dass alle unsere Mitarbeiter auch entsprechend über die Funktionsweise eines Betriebsrats oder einer alternativen Arbeitnehmerbeteiligung informiert sind. Wir als Gründer und unser Führungsteam nehmen das Thema Arbeitnehmerbeteiligung sehr ernst, deswegen wollten wir auch zeigen, dass wir etwas starten. Aus meiner Sicht hätte man das ganze Durcheinander vermeiden können, wenn man sich etwas mehr Zeit genommen hätte, um alles gut zu planen.

Aus deiner Perspektive mag es stimmen, dass es keinen Zeitdruck gab, aber für die Initiatoren des Betriebsrats ist das gerade eine heikle Zeit. Sie haben Angst, dass das Unternehmen ihnen kündigt.

Ich will es noch einmal betonen – vielleicht kommt das nicht klar genug rüber. Wir unterstützen Mitarbeiterbeteiligung in allen Formen, einen deutschen Betriebsrat genauso wie Alternativen. Außerdem denken wir natürlich nicht darüber nach, jemanden wegen der Initiative zu einem Betriebsrat zu kündigen. Ich bin aber davon überzeugt, dass jede Mitarbeiterbeteiligung von einer breiten Mehrheit getragen werden sollte, um diese auch entsprechend zu vertreten. Dazu gehört, dass alle Mitarbeiter auch verstehen, um was es geht, was passiert, wann und wo abgestimmt wird. All das benötigt nicht viel Zeit, aber es wäre aus meiner Sicht gut gewesen dem Prozess zumindest zwei Wochen zu geben.
Wir sollten uns auch die Zeit geben, alternative Konzepte zumindest durchzudenken. N26 ist ein Unternehmen mit Standorten auf der ganzen Welt und einem digitalen Fokus. Bei dem traditionellen deutschen Betriebsrat sind ja zum Beispiel nur die Mitarbeiter in zwei Unternehmenseinheiten und nur in Deutschland repräsentiert. Im traditionellen Konzept sind auch keine digitalen Wahlen möglich. Insbesondere in Covid-19-Zeiten führt das zu geringen Teilnahmen mit unnötigem Gesundheitsrisiko. Es gibt viele weitere Punkte und deshalb wollen wir in den nächsten Wochen eine aktive Diskussion unter unseren Mitarbeitern anregen.

Aber kann es mit einem solchen Alternativgremium zu einer echten Mitbestimmung kommen? Schließlich könntet ihr unbequeme Mitarbeiter einfach feuern. Der Kündigungsschutz der Betriebsräte ist ja ein wichtiges Element.

Das habe ich nie in Frage gestellt – Kündigungsschutz ist auch in einem alternativen Vorschlag ein Bestandteil, der natürlich enthalten sein kann. Leute, die sich engagieren, die offen Feedback geben und ihre Meinung sagen, sollten auch keine Angst haben. Das ist auch die Kultur, die wir bei N26 leben. Aktive Mitarbeiterbeteiligung ist für uns sehr wichtig. Und wir als Gründer schreiben das Konzept nicht an die Tafel, wir wollen, dass unsere Mitarbeiter so ein Konzept selbst erarbeiten. Am Ende wird es rechtsverbindliche Regeln geben, die auch von Anwälten geprüft werden. Nur weil es vielleicht nicht das traditionelle Modell ist, heißt das nicht, dass es nicht rechtsverbindlich ist.

Ihr strebt kürze Wahlperioden als vier Jahre an, doch für eine Vertretung auf Augenhöhe müssen die Betriebsräte erst einmal lernen – dafür braucht es Zeit. Schließlich stehen sie einem Management gegenüber, das sehr gut über alle Regeln informiert ist.

Ich möchte nicht vorgeben, wie ein Konzept am Ende aussieht. Aber wenn man sich unsere Arbeitsrealität anschaut, sind vier Jahre eine lange Zeit. Vor vier Jahren waren wir weniger als 300 Mitarbeiter, jetzt sind es mehr als 1.300 weltweit. Viele der Mitarbeiter in digitalen Unternehmen bleiben keine vier Jahre, die Arbeitswelt hat sich beschleunigt. Aber ob am Ende eine Wahlperiode von vier Jahren steht – oder ein oder zwei Jahren, das werden die Mitarbeiter entscheiden.

Du sagst, dass du eine „Zweiklassengesellschaft“ zwischen den deutschen Mitarbeitern und den Standorten in Brasilien und den USA befürchtest. Aber das Arbeitsrecht unterscheidet sich ja auch in den unterschiedlichen Märkten. Ihr werdet ja wohl nicht den deutschen Arbeitsschutz auch in Amerika anwenden.

Das schließt sich nicht aus. Bei einem internationalen Unternehmen muss man die unterschiedlichen Märkte mitdenken. Zweiklassengesellschaft ist vielleicht das falsche Wort. Ich will ein faires System für die Mitarbeiter in Berlin und Barcelona. Ich möchte niemanden ausschließen. Alle sollen sich am Ende damit identifizieren können – das vermisse ich bislang bei den Initiativen hier in Deutschland. Unser alternatives Gremium wird übrigens kommen, unabhängig von einem deutschen Betriebsrat. Ich finde, beides muss sich ja auch nicht ausschließen, sondern kann sich ergänzen. Mitbestimmung ist für uns weltweit wichtig.

Nach unseren Informationen wurde das Thema Betriebsrat immer wieder in öffentlichen Gesprächen mit dir und Max angebracht. Die Mitarbeiter hatten nicht das Gefühl, dass ihr in der Vergangenheit offen dafür wart. Warum brauchte es erst eine Initiative für einen Betriebsrat, um euch selbst auf das Thema Mitarbeiterbeteiligung zu bringen?

Ich muss anerkennen, dass wir in der Vergangenheit offensichtlich nicht genau genug zugehört haben. Wahrscheinlich hätten wir die alternativen Konzepte früher starten sollen – absolut. Als Unternehmer sage ich: Lasst uns zusammen aus dieser Situation das beste machen. Denn der Erfolg des Unternehmen hängt von unseren Mitarbeitern ab, sie sind unser wertvollstes Gut und wir haben tolle Köpfe bei N26.

Lass uns über die Gründe für die Unzufriedenheit reden: Die Mitarbeiter berichten von hoher Arbeitsbelastung, vielen befristeten Verträgen und sehr ungleichen Gehältern. Was plant N26, um diese Kritikpunkte anzugehen?

Ich glaube, die Themen muss man separat sehen. Wir arbeiten in einem Unternehmen mit einer sehr großen Vision. Wir verlangen von unseren Mitarbeitern, dass sie großen Arbeitseinsatz bringen, sie können dafür aber auch viel bewegen und das motiviert unglaublich. Das kann bei Einzelnen dazu führen, dass sie das Gefühl einer zu hohen Belastung haben. Wir arbeiten mit dem Management stark daran, die Teams so aufzustellen, dass das nicht vorkommt. Was wir konkret machen, hängt sehr vom Einzelfall ab. Aber wir gehen mit unseren Mitarbeitern sehr nachhaltig um.

Und die Befristungen?

Wir nutzen den gesetzlichen Rahmen. Wenn es einen Job nur ein Jahr gibt, geht der Job auch nur solange. Befristete Verträge im gesetzlichen Rahmen sind ja in vielen Unternehmen in Deutschland Teil des Arbeitsalltages. Unabhängig davon wollen wir unsere Mitarbeiter langfristig im Unternehmen halten. Ein großer Teil der Mitarbeiter hat daher unbefristete Verträge. Und die Unzufriedenheit beim Gehaltsgefüge kann man nicht immer vermeiden. Man ist nicht immer mit dem eigenen Gehalt zufrieden. Wir haben aber insbesondere beim Gehalt in den letzten Jahren viel getan um Diversität und Transparenz sicherzustellen. Das System im Hintergrund ist implementiert und funktioniert, wird aber auch regelmäßig überprüft. Jeder Mitarbeiter ist auf einem gewissen Level eingestuft und wir haben ganz klare Gehaltsbandbreiten für jedes Level definiert. Wir arbeiten zudem mit externen Firmen, die jedes Jahr Gehaltsstudien erstellen. Unsere Gehälter werden jährlich überprüft, nicht zuletzt weil wir ja auch die Mitarbeiter im Unternehmen halten wollen und neue Mitarbeiter gewinnen wollen, was wir ja auch erfolgreich schaffen.

Mitarbeiter beklagen, dass vor allem neuere Kollegen im Verhältnis mehr verdienen. N26 nutze die Intransparenz zu seinem Vorteil.

Grundsätzlich machen wir unsere Gehaltsbandbreiten nicht außerhalb des Unternehmens öffentlich. Trotzdem versuchen wir in den Einstellungsprozessen und Managemententscheidungen, das ganze verständlich zu gestalten. Es gibt trotzdem immer Bandbreiten und zu jedem spezifischen Gehalt auch ein Vorgeschichte. Wir haben zweimal im Jahr einen Beförderungszyklus, im September und im März, da passen wir die Gehälter an, so wie viele andere Unternehmen auch. Ich bin also stolz darauf, welchen Prozess wir da etabliert haben, sehe aber auch, dass wir innerhalb des Unternehmens dazu mehr kommunizieren können. Und das werden wir in der nächsten Zeit auch verstärkt tun.

Der Konflikt um den Betriebsrat beschäftigt euch sehr, daneben gibt es aber auch noch die Coronakrise, Kurzarbeit ist ein Thema bei euch, in den USA mussten ein paar Leute entlassen werden. Wo steht N26 aktuell?

Corona hat natürlich auch auf uns einen Einfluss. In den Monaten des Lockdowns haben wir gesehen, dass die Kunden weniger Geld ausgegeben haben. In der Zeit haben wir weniger Umsatz gemacht, waren aber sicher weniger betroffen als andere Branchen. Interessant war allerdings: Die Leute haben zwar weniger ausgegeben, dafür sind aber die Kontostände überproportional gestiegen. Die Leute hatten weiterhin ihr Einkommen, konnten es aber nicht wie vorher ausgeben. In den letzten zwei Monaten haben wir sogar wieder ein höheres Ausgabenniveau pro Kunde als vor der Krise erreicht. Ich glaube, das liegt daran, dass wir heute mit unserem Produkt relevanter sind denn je. Durch Lockdown und Abstandsregeln sind wir mit dem mobilen Konto, das man von zu Hause aus bedienen kann, noch besser positioniert als vor der Krise. Trotzdem muss man sagen, dass die Krise auf unsere Profitabilität und unseren Gesamtumsatz in diesem Jahr Auswirkungen haben wird. Wir sind aber gut durch die Krise gekommen und ich bin mit der derzeitigen Entwicklung zufrieden.

Wie entwickelt sich das Neukundenwachstum, besonders bei dem Premiummodell? In der Krise ist die größte Sorge der Menschen ja nicht unbedingt, ob sie eine Metallkarte im Portemonnaie haben.

Eine direkte Korrelation habe ich da nicht gesehen. Wir entwickeln aktuell für das Premiummodell weitere Features, die wir schon in den nächsten Monaten präsentieren wollen. Nach wie vor sind viele Kunden an unserem Premiummodell sehr interessiert.

Die USA sind ein wichtiger Markt für euch – nun verlässt euer US-CEO das Unternehmen. Wie läuft die Expansion eigentlich?

Mit Nicolas Kopp haben wir uns schon vor über sechs Monaten geeinigt, er gründet sein eigenes Unternehmen und darauf sind wir sehr stolz. Die Expansion läuft gut, da können wir auch bald neue Kundenzahlen verkünden. Trotzdem sind die USA für uns ein deutlich jüngerer Markt als Europa. In den USA brauchen wir sicher noch Zeit, um zu verstehen, wie wir dort über die nächsten Jahre zehn bis zwanzig Millionen Kunden gewinnen können.

In den vergangenen sechs Monaten haben insgesamt sieben Manager aus eurem Führungsteam das Unternehmen verlassen – nach unseren Informationen nun auch Produktchefin Georgina Smallwood. Warum schafft ihr es nicht, die Führungskräfte zu halten?

Wir haben sehr viele Führungskräfte, die schon lange bei uns sind, wie etwa Alexander Weber, unseren Chief Growth Officer, und Gino Cordt, unseren Chief Technology Officer. Ich akzeptiere aber auch, dass wir ein Unternehmen sind, das sehr viele Herausforderungen hat. Vor zwei Jahren hatten wir noch mehrere hundert Mitarbeiter, jetzt sind es mehr als tausend. Wir haben uns von einem Startup zu einem Unternehmen mit weit mehr als fünf Millionen Kunden entwickelt. Da sieht man, wie sich alles verändert hat. Das führt dazu, dass sich auch die Manager manchmal entscheiden wieder in ein eher Startup-orientiertes Umfeld zu wechseln, wir aber auch für einzelne Phasen manchmal andere Manager haben müssen. Ich arbeite stark daran, dass uns die Führungskräfte bei N26 langfristig begleiten und wir tun alles um auch ihre Entwicklung zu unterstützen, im Unternehmen oder außerhalb. Wir müssen weiter daran arbeiten, als Arbeitgeber besser zu werden.

Die Fintech- und Bankenwelt ist immer noch sehr männerdominiert. Ihr hattet drei Frauen in der Führungsriege, die jetzt alle gehen. Was tut ihr, um einen Ausgleich zu schaffen?

Das ist ein sehr wichtiges Thema. Diversität müssen wir auch auf Führungsebene weiter vorantreiben. Ich kann noch nicht alles verkünden, was in den kommenden Monaten passieren wird, aber wir haben die Stellen entsprechend mit dem Fokus darauf ausgeschrieben, unserer obersten Führungsriege wieder mehr Diversität zu verleihen. Mein Ziel für N26 ist, dass mindestens 50 Prozent der Mitarbeiter Frauen sind. Aber wir müssen auch realistisch sein, dass wir das nicht innerhalb des kommenden Jahres erreichen werden.

N26 ist kein kleines Startup mehr, sondern ein großes Unternehmen in einem hoch regulierten Markt. Wie willst du dafür sorgen, dass die Ruhe und Stabilität einkehren, die von einem Unternehmen dieser Größe erwartet werden?

Ich habe nicht das Gefühl, dass wir intern keine Stabilität haben. Ich erkenne an, dass wir Führungswechsel hatten und ich glaube, dass die Betriebsratsinitiative für uns ein Weckruf war, das Mitarbeiterfeedback auch noch ernster zu nehmen. Insgesamt glaube ich aber auch, dass wir uns in den vergangenen Jahren extrem weiterentwickelt haben. Eine Initiative ist, Mitbestimmung zu formalisieren. Wir arbeiten auch intensiv daran, Gehaltsfragen transparenter zu gestalten. Wir geben unseren Mitarbeitern noch mehr Möglichkeiten, sich zu entwickeln und haben auch immer noch eine starke Marke für Mitarbeiter.

Wie sehr hat euch die Diskussion in den vergangenen Tagen geschadet?

Ich hoffe, dass dieses Interview dazu beiträgt, dass wir unsere Sichtweise klarer darstellen können. Ich unterstütze einen Betriebsrat, freue mich auf die weiteren Gespräche und finde es schade, dass diese Diskussion öffentlich bislang so konfrontativ geführt wird. Unsere Mitarbeiter sind das wichtigste Gut, das wir haben. Mir ist wichtig, dass alle Feedback geben können. Ich erkenne auch an, dass wir in der Vergangenheit sicher stärker hätten zuhören können. Ich glaube, wir werden auch an diesem Thema als Unternehmen weiter wachsen.