Noch etwa zehn Wirecard-Interessenten – Mitarbeiter bangen um ihre Jobs
Exklusiv: Branchengrößen wie Paypal und die Deutsche Bank sollen über den Kauf von Wirecard-Teilen verhandeln. Die Vorbereitungen dafür laufen im Hintergrund. Mitarbeiter haben derweil Angst davor, wie es für sie weitergeht.
An die Tage, als die Krise losging, denkt Michael Hauser (Name geändert) nicht gerne zurück. „Es kamen wütende Aktionäre zum Büro und haben uns mit Tomaten beworfen“, berichtet der Wirecard-Mitarbeiter. Ein Sicherheitsdienst schützte in den folgenden Wochen die Zentrale in Aschheim.
Und während nun die Aufarbeitung des Wirecard-Skandals in vollem Gange ist, fürchten viele Beschäftigte nicht mehr die Aktionäre – sondern um ihre Jobs. Nur ein Teil der etwa 1.600 Mitarbeiter in Aschheim kommt noch zur Arbeit, viele sind auf Jobsuche.
Nun sollen noch etwa zehn Unternehmen unter den Interessenten sein, die konkret über einen Kauf von Wirecard-Teilen verhandeln, heißt es von Insidern. Darunter die Deutsche Bank, die spanische Santander-Bank, der US-Konzern Paypal und der Payment-Konkurrent Heidelpay. Die Parteien sollen sich gerade die Technologie von Wirecard anschauen. Zu den Informationen wollten sich die Finanzunternehmen auf Nachfrage nicht äußern.
„Sie haben Angst, dass sie bald das Land verlassen müssen“
Bei einem Verkaufsszenario wird es auch eine Rolle spielen, wie viele Mitarbeiter das Unternehmen künftig noch braucht. Intern soll das Management mit jenen Beschäftigten sprechen, die sie für wichtig erachten. Der Plan im Hintergrund sei, den Payment-Betrieb mit etwa 300 Mitarbeiter fortzuführen. „Wer nicht zu den auserwählten Kollegen gehört, erhält praktisch keine Informationen“, heißt es von einem Mitarbeiter.
Die Bank und einige wenige attraktive Unternehmensteile seien dabei für Käufer interessant, berichten Brancheninsider, wie zum Beispiel das Acquiring und Issuing. Schlecht sehe es dagegen für andere Gesellschaften aus. „Viele der Töchter haben keinerlei Assets, selbst die Büropflanzen waren geleast“, sagt Michael Hauser. Eine Sales-Tochter etwa habe jetzt keinen Wert mehr, sagt eine Mitarbeiterin. Aus diesem Grund befürchten viele Mitarbeiter, dass für sie Ende August Schluss ist.
Doch sie wollen nicht kampflos aufgeben. An diesem Donnerstag wählen drei Wirecard-Gesellschaften einen Wahlvorstand, um auf die Schnelle noch einen Betriebsrat zu installieren (Finance Forward berichtete). Die Vertretung soll denen helfen, die nicht so leicht neue Jobs finden. Dazu gehörten alleinerziehende, ältere und internationale Wirecard-Mitarbeiter, heißt es von Beschäftigten.
40 Prozent der Belegschaft kämen laut Schätzungen aus dem Nicht-EU-Ausland. Viele würden eine Blue Card besitzen, den Aufenthaltstitel für Hochqualifizierte. Sollten sie ihren Job verlieren, haben die Mitarbeiter etwa drei Monate Zeit, einen neuen zu finden. „Sie haben Angst, dass sie bald das Land verlassen müssen“, sagt eine Mitarbeiterin.
Die Diskussion über den Betriebsrat bei N26 hat ihnen Mut gemacht
Bis Ende August erhalten die Beschäftigten noch Insolvenzgeld, denn bis auf die Wirecard-Bank mussten alle Gesellschaften Insolvenz anmelden. Die Unicredit hatte das Insolvenzgeld für die Mitarbeiter vorfinanziert.
Die öffentliche Diskussion um einen Betriebsrat beim Berliner Startup N26 hat den Initiatoren bei Wirecard unterdessen Mut gemacht. Sie hoffen nun auf eine ähnliche Resonanz in den kommenden Tagen.
Eine weitere Wirecard-Geschichte – nämlich über die unheimliche Nähe zwischen der deutschen Politik und dem Konzern aus Aschheim – lest ihr in der neuen Ausgabe von Capital, die am Donnerstag erscheint. Interesse an Capital? Hier geht es zum Abo-Shop, hier zur Digital-Ausgabe bei iTunes und GooglePlay.