Neue Zahlen der Insurtechs: Wie schlagen sich Lemonade, Coya und Co.?
Exklusiv: Der US-Star Lemonade enttäuscht mit schwachen Geschäftszahlen. Die deutschen Versicherungs-Startups haben es dagegen geschafft, ihr Ergebnis zu verbessern – und Wachstum zu zeigen. Wie stehen die Millionen-finanzierten Insurtechs da?
Die Europa-Expansion will nicht so richtig gelingen. Während das Versicherungs-Startup Lemonade im vergangenen Jahr die Einnahmen verdoppeln konnte und an der Börse mit 5,7 Milliarden Dollar bewertet wird, sehen die Zahlen in Deutschland eher bescheiden aus. Im ersten vollen Jahr nach dem Start knackt die US-Firma nicht einmal die Millionen-Marke: Gerade mal 618.895 Euro hat sie an Versicherungsprämien eingenommen. Dem stehen Schadenzahlungen von etwa 800.000 Euro entgegen, wie ein neuer Geschäftsbericht zeigt. Lemonade ist in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden am Markt, trotz der Startphase waren die Erwartungen höher.
Die Bundesregierung listet dabei auch Versicherungs-Startups wie Coya, Neodigital, Element oder Ottonova auf, insgesamt sechs Firmen besitzen mittlerweile eine eigene Lizenz. Doch wie hat sich ihr Geschäft tatsächlich entwickelt? Neue Finanzberichte zeigen, dass die Unternehmen zumindest im vergangenen Jahr ihre Ergebnisse alle verbessern konnten – teilweise mit einem starken Wachstum. Das sind die Details:
Coya – ein Hoffnungsträger verbessert sich
Der Anbieter Coya zählte zu den großen Hoffnungen der vergangenen Jahre. Noch vor dem Launch investierte Peter Thiel mit Valar Ventures, mehr als 30 Millionen Euro sind in die Firma geflossen. Es bietet Versicherungen wie Hausrat und Haftpflicht, aber auch für Fahrräder oder Hunde an. Coya konnte im Vergleich zum Vorjahr seine Prämieneinnahmen verdoppeln, noch auf relativ kleinem Niveau. Die Schadenquote belief sich auf etwas unter 60 Prozent (das Verhältnis von Einnahmen und Schadenskosten). Im Vorjahr lag der Wert noch über 100 Prozent, in dem Fall zahlt die Versicherung mehr für die Schäden, als dass sie Prämien einnimmt.
Der versicherungstechnische Verlust – dort zählen abgesehen von den Zahlungen für die Schäden noch die internen Aufwendungen mit rein – ist gesunken, aber immer noch doppelt so hoch wie die Einnahmen. Dieses Jahr wird für Coya wichtig, um zu zeigen, dass der Trend anhält. Allein im ersten Quartal habe das Unternehmen etwa 17.000 Kunden gewonnen, sagt Gründer Andrew Shaw auf Nachfrage. Ende 2020 waren es 124.000 Kunden. Das Startup will den Umsatz in diesem Jahr mit dem Faktor drei bis fünf steigern. Viel Hoffnung liegt auf der Tierversicherung. Es muss vor allem zeigen, dass Cross-Selling funktioniert, die Firma es schafft, weitere Versicherungen an die bestehenden Kunden zu verkaufen.
Neodigital – Christian Angermayers Wette
Der schillernde Investor Christian Angermayer ist mit seinem Fonds kürzlich beim Versicherungs-Startup Neodigital aus Saarbrücken eingestiegen, auch Carsten Maschmeyer ist bereits an Bord. In der letzten Finanzierung sind 18,3 Millionen Euro geflossen, wie nun aus dem Finanzbericht hervorgeht. Diese Zahl war bislang noch nicht öffentlich. Die Bewertung dürfte bei knapp 60 Millionen Euro liegen.
Die Saarbrücker Firma richtet sich an Partnerunternehmen, die die Versicherungen vertreiben. Es hat die Verträge von 70.000 auf 200.000 gesteigert, im Angebot sind Haftpflicht-, Tier- oder Fahrrad-Policen. Die Schadenquote liegt bei etwa 80 Prozent. Die Firma konnte ebenfalls die Prämieneinnahmen stark steigern – der Verlust ist nicht so stark mitgewachsen.
Ottonova – die Startphase hinter sich
Richtig aufgedreht hat die private Krankenversicherung Ottonova. Die Prämieneinnahmen haben sich fast verdreifacht. Und der versicherungstechnische Verlust ist nicht so stark mitgewachsen. Gerade die Anfangszeit war beschwerlich, es dauerte relativ lange, bis die Münchner Firma die 1.000er-Grenze geknackt hat. Mittlerweile bietet sie auch Zusatzversicherungen und setzt auf einen Vertrieb über die Vergleichsplattformen. Die Schadenquote liegt bei 50 Prozent. Das Produkt lässt sich allerdings nur schwer mit dem Rest vergleichen, weil Krankenversicherungen anders kalkulieren müssen als Sachversicherungen.
Element – das Vorbild Solaris vor Augen
Die Versicherung von Finleap kann ebenfalls eine gute Steigerung vorweisen. Auch Element setzt auf große Partner, die die digitalen Versicherungen dann vertreiben. Volkswagen gehört beispielsweise dazu, deswegen merkte die Firma auch die Auswirkungen der Coronakrise, weil Autohäuser geschlossen waren. Trotzdem konnte es das Ergebnis gut steigern, ohne dass die Kosten explodiert sind. Die Schadenquote lag bei 35 Prozent. Mit ähnlicher Kostenbasis soll in diesem Jahr die Einnahmen noch einmal steigen, heißt es vom Chef Christian Macht. Vorbild ist die Solarisbank, die sich im Banking als Partner für andere Unternehmen etabliert hat. Um mit der Bank gleichzuziehen, wird Element noch etwas brauchen.
Ein weiterer umtriebiger Player in Deutschland ist Wefox, der seine Zahlen bereits bekannt gegeben hat. Das Unternehmen besitzt eine Lizenz in Liechtenstein und ist mit 33 Millionen Euro (siehe unten) das größte Versicherungs-Startup.
Es fällt auf, dass alle Startups über die Jahre eine funktionierende Vertriebsstrategie erarbeitet haben. Die Startups, die sich direkt an Kunden wenden, wollten zum Start ohne das Vergleichsportal Check24 groß werden, der Versuch ist nicht gelungen. Stattdessen sind Coya und Ottonova mittlerweile auf der Plattform zu finden. Lemonade ist nicht eingeknickt – mit einem entsprechenden Ergebnis. Wefox setzt auf einen Maklervertrieb und Element und Neodigital wollen über Vertriebspartner wachsen. In den Zahlen zeigt sich trotz der Bedenken der Bafin: das Wachstum ist vorhanden. In diesem Jahr muss sich zeigen, ob der Trend so weitergeht.