Ist das Ende der Funding-Party erreicht? Die Zahlen des zweiten Quartals geben nun Aufschluss (Bild: Nathan Dumlao/Unsplash)

Trotz Krise: Fundingvolumen für Fintech-Startups befindet sich immer noch auf Rekordniveau

Exklusiv: Mehrere große Finanz-Startups haben Teile ihrer Belegschaft entlassen, weil sie sich auf eine schwierige Zeit vorbereiten. Wagniskapitalgeber äußern sich zunehmend skeptisch. Eine Auswertung zeigt nun: Im zweiten Quartal ist noch viel Geld geflossen.

„Es ist richtig bitter“, sagt ein Fintech-Gründer, der gerade viele Mitarbeiter entlassen hat. „Aber wir müssen schauen, auch noch in einem Jahr eine gesunde Company zu sein.“ Dabei ist er einer von vielen – durch die Branche zieht sich zurzeit eine Entlassungswelle. Große Startups wie Trade Republic, Bitpanda oder Kontist haben Teile ihrer Teams gefeuert.

Grund dafür ist die Befürchtung, dass es ab sofort schwierig wird, Finanzierungsrunden zu guten Konditionen abzuschließen. Der Payment-Anbieter Klarna, der gerade erst jeden zehnten Mitarbeiter entlassen hat, soll laut dem Wall Street Journal zu einer Bewertung von 6,5 Milliarden Dollar mit Investoren wie Sequoia verhandeln. Noch 2021 hatten die Geldgeber die schwedische Firma mit 45,6 Milliarden taxiert.

Die Schlagzeilen zu Entlassungen und einem schwierigen Funding-Klima kommen bereits seit mehreren Wochen auf. Trotzdem floss im zweiten Quartal, das am Donnerstag endete, fast genauso viel Kapital in europäische Fintechs wie zuvor. Das zeigt eine Auswertung, die der französische VC Blackfin Tech für Finance Forward erstellt hat. Was lässt sich daraus ablesen?

Seit 2021 hatte sich das Wagniskapital für Fintechs vervielfacht. Während 2020 pro Quartal zwischen 1,3 und zwei Milliarden Euro in Europa flossen, katapultierte sich das Gesamtvolumen im vergangenen Jahr auf 4,2 bis 6,9 Milliarden Euro. Laut dem CB Insights Fintech Report ging in dem Jahr jeder fünfte VC-Dollar an Fintech-Unternehmen.

Der Trend hält auch im ersten Halbjahr des laufenden Jahres zunächst an – entgegen der aktuellen Stimmung. Im ersten Quartal flossen immerhin sechs Milliarden Euro und im zweiten immer noch 5,5 Milliarden Euro in insgesamt 190 Finanz-Startups. Damit ist es im historischen Vergleich immer noch eines der Rekordquartale.

Was diese Erhebung allerdings nicht berücksichtigt: Zu welchen Bewertungen die Startups Kapital aufgenommen haben. Es könnte also sein, dass sich hier bereits eine Veränderung zeigt, wie  man Beispiel Klarna sieht. Auch Trade Republic konnte seine Bewertung nur minimal steigern. Ein großer Effekt dürfte sich auch erst im nächsten Quartal zeigen. Im Vorjahresvergleich sieht man bereits einen Rückgang.

Die Investoren sind derzeit nervös, einige warnen ihre Portfolio-Unternehmen bereits vor den kommenden Monaten. Namhafte Venture Capitalists (VC) wie Coatue Management, Greenoaks und Index Ventures haben sich in diesem Jahr an mindestens 35 Prozent weniger Deals beteiligt als im Vorjahreszeitraum, berichtet The Information. Selbst Tiger Global, der dafür bekannt ist, sich schnell und an vielen Startups zu beteiligen, ist demnach 17 Prozent weniger Deals eingegangen.

Befeuert von dem in allen Bereichen positiven Investitionsklima (Kapitalmärkte, Private Equity oder Venture Capital) hatten es Wagniskapital-Firmen in den vergangenen Jahren leicht, ihre Fonds zu füllen. Dass dieses Geld nun jedoch seinen Weg in die Startups tatsächlich findet, ist nicht gesagt. Die Fonds sind zunächst lediglich mit „Zusagen“ für das Geld befüllt, abgerufen wird es immer erst in den Folgejahren. Es könnte sein, dass die Limited Partners, also die Geldgeber der VC-Fonds, nun darum bitten, das Geld nun doch nicht zu investieren, sagte Techaktien-Experte Philipp Klöckner kürzlich im Doppelgänger-Podcast.

Große Flaggschiffe der Fintech-Industrie wie Trade Republic und Sumup konnten allerdings noch im Juni mehrere Hundert Millionen Euro einsammeln – wenngleich sie jeweils Mitarbeiter entlassen haben. Besonders Startups aus London haben es im europäischen Vergleich noch leichter, Investoren zu überzeugen. Unter den größten zehn Deals des zweiten Quartals kommen sechs der Startups von der Insel – genau wie im ersten Quartal auch.

Wie die obere Grafik zeigt, konnten Fintech-Startups in den vergangenen anderthalb Jahren Rekordsummen einstreichen. Sie dürften also in der Summe noch einiges an Kapital haben, um durch eine schwere Zeit zu kommen. Dass allerdings auch Startups wie Bitpanda mit hohen Umsätzen und einer ordentlichen Gewinnmarge ein Drittel ihrer Belegschaft entlassen, zeigt wie negativ die Stimmung in der Branche ist.