Acorns – das Vorbild wird zum Underdog
Das US-Fintech Acorns galt lange Zeit als Vorreiter, prominente Investoren wie Paypal, Ashton Kutcher und Jennifer Lopez beteiligten sich an der Firma. Nun plant das Startup einen Spac-Börsengang zu einer Bewertung von 2,2 Milliarden Dollar. Ein Blick in die Zahlen zeigt: Der einstige Star hat den Anschluss verloren.
Acorns gehört zu den bekannten One-Trick-Ponys. 2012 von einem Vater-Sohn-Duo gegründet, erfand es einen intelligenten Trick, um faule Nutzer zu überlisten. Bei jedem Kauf legt der Kunde parallel ein Teil seines Geldes zurück. Wer bei Starbucks beispielsweise einen Kaffee für 3,50 Euro kauft, rundet den Betrag automatisch auf und investiert 50 Cent per App.
Reich wird man dadurch nicht, die paar Cent Wechselgeld sind natürlich viel zu wenig. Aber immerhin dient die App als Einstiegsdroge, um Kunden an die Börse heranzuführen. Denn knapp zwei Drittel der Acorns-Nutzer haben zuvor noch nie investiert. In insgesamt zehn Finanzierungsrunden sind mehr als 200 Millionen Dollar in das Wachstum geflossen – Geldgeber wie DST und Paypal sind eingestiegen, dazu eine illustre Runde an Promis wie Ashton Kutcher und Jennifer Lopez. Zuletzt wurde es eher ruhig um die Firma.
Kein Gamestop-Effekt für Acorns
Schon die einfache Investment-Logik stellt sich im Rückblick als Fluch heraus. Denn für Anfänger ist die Anlage-App auch deshalb gut geeignet, weil sie nicht selber investieren müssen. Die Kunden geben lediglich ihre Präferenzen an, woraufhin Acorns automatisch ein passendes ETF-Portfolio zusammenstellt. Die aktuelle Goldgräberstimmung an den Aktienmärkten ist ein Segen für Neobroker wie Robinhood oder Trade Republic, deren Nutzerzahlen in den vergangenen Monaten förmlich durch die Decke gegangen sind. Für Acorns ist die Sachlage etwas komplizierter.
Das Unternehmen bietet zwar auch ein Investmentprodukt an, profitiert aber nur mäßig vom Hype an den Aktienmärkten. Da man bei Acorns keine Einzelaktien kaufen kann, fiel beispielsweise der große Nutzerzuwachs aus, den viele Neobroker im Zuge der Gamestop-Hysterie verzeichnen konnten. Und auch in finanzieller Hinsicht profitiert Acorn nicht wirklich von den Boom-Phasen an den Börsen.
Zudem fallen die direkten oder indirekten Trading-Gebühren weg, mit denen Robinhood, Trade Republic und Co. ihr Geld verdienen. Dafür arbeitet das Fintech mit einem Abo-Modell. Im Lite-Modell können Kunden für einen Dollar pro Monat die grundlegenden Investment-Funktionen von Acorns nutzen. Für drei Dollar im Monat bekommen sie außerdem ein spezielles Konto für die Altersvorsorge sowie ein eigenes Bankkonto samt Debitkarte zur Verfügung gestellt. Im Family-Paket für fünf Dollar können die Kunden auch noch ein Konto für die eigenen Kinder eröffnen.
Aktuell kommen etwa 79 Prozent der Umsätze durch die Abo-Zahlungen zustande. Die restlichen 21 Prozent sind vor allem auf das Geschäft mit der Debitkarte zurückzuführen. Das Geschäftsmodell bei den Neobrokern funktioniert grundlegend anders. Robinhood, Etoro und Co. verdienen mehr Geld, wenn die Kunden mehr handeln. Bei Acorns bleibt der Umsatz pro Kunde konstant. Das ist verheerend, weil Acorns um die gleichen Kunden kämpft, wie die Neobroker. Und während Letztere ihre zusätzlichen Umsätze sofort wieder ins Marketing stecken können, sind die finanziellen Ressourcen bei Acorns deutlich beschränkter.
Tatsächlich sind die Kosten, um einen Kunden zu akquirieren, im zweiten Halbjahr 2020 sogar angestiegen, obwohl das wachsende Interesse an den Kapitalmärkten die Kunden eigentlich von selbst zu den großen Investment-Apps trieb. Und auch in den kommenden Jahren rechnet Acorns mit steigenden Kosten bei der Kundenakquise.
Verzwickte Kostenstruktur
Ein weiteres Problem des Abo-Modells: Gerade bei Neueinsteigern stellt der Fixpreis von mindestens einem Euro im Monat eine Hürde dar. Vor allem, weil man bei Robinhood und Co. ohne offensichtliche Kosten handeln kann. Im Gegensatz dazu ist Acorns mit seinem Abo-Modell nicht gerade günstig. Dokumenten der US-Börsenaufsicht SEC zufolge verwaltet Acorns aktuell um die 4,35 Milliarden Dollar an Wertpapieren. Das ergibt in etwa 1.087 Dollar pro Nutzer. Im Schnitt zahlt ein Acorns-Nutzer Gebühren von 23,76 Dollar im Jahr.
Damit hat die App jährliche Kosten von 2,19 Prozent des verwalteten Vermögens, was vor allem für ein passives ETF-Portfolio ziemlich viel ist. Wenn man so ein Portfolio selbst zusammenstellt, kommt man auf Kosten von weit weniger als einem Prozent. Für Kunden mit höherem Vermögen ist das Angebot natürlich ungleich günstiger. Das wiederum ist aber für Acorns ein schlechtes Geschäft, da die Umsätze nicht mit dem Vermögen der Kunden mitwachsen. Die Unterschiede zwischen Acorns und den klassischen Trading-Apps erklären schließlich auch, wieso die Bewertungsniveaus so weit auseinandergehen. Erst kürzlich hat Trade Republic 900 Millionen Dollar bei einer Bewertung von 5,3 Milliarden Dollar eingesammelt und das mit nicht viel mehr als einer Million Nutzer.
Der israelische Konkurrent Etoro kündigte vor einigen Monaten seinen Spac-Börsengang an und soll dabei eine Bewertung von 10,4 Milliarden Dollar erreichen. Etoro hat zwar mehr als 20 Millionen registrierte Nutzer, allerdings haben nur etwa 1,5 Millionen Kunden Geld oder Wertpapiere auf ihrem eToro-Account. Vor diesem Hintergrund scheint Acorns mit vier Millionen zahlenden Nutzern und einer Bewertung von 2,2 Milliarden Dollar als guter Deal. Während die Investoren einen Etoro-Kunden mit 6.933 Dollar bewerten, liegt der Wert pro Acorns-Kunde bei nur 550 Dollar.
Ein Blick auf die Umsätze erklärt auch den Grund: Acorns hat im vergangenen Jahr lediglich 71 Millionen Dollar Umsatz gemacht, das sind zwar 61 Prozent mehr als 2019, aber immer noch weitaus weniger als eToro mit 605 Millionen. Damit ist Acorns alles andere als günstig: Die Bewertung entspricht nämlich dem 30-fachen des Umsatzes, bei Etoro beträgt das Umsatzmultiple nur 17.
Die Super-App als Allheilmittel
Natürlich sind die Umsätze von eToro weitaus instabiler. Alleine im ersten Quartal liefen 210 Millionen Trades über die Etoro-Plattform – das sind gut 140 Trades pro Kunde in einem Zeitraum von nur drei Monaten. Sollte der aktuelle Hype an den Börsen abkühlen, wird auch die Handlungsaktivität zurückgehen und damit die Umsätze von Etoro. Acorns wird von einem abkühlenden Marktumfeld hingegen weitaus weniger betroffen sein. Da das eigene Produkt mehr auf die Aspekte der Sicherheit und Langfristigkeit abzielt als viele Neobroker, wird es die Kunden in schlechteren Börsenzeiten eher zu Acorns treiben. Dennoch ist ein Umsatzmultiple von 30 nicht günstig. Und es stellt sich die Frage, ob das Timing für einen Gang an die Börse gut gewählt ist.
Dass sie mit ihrem zentralen Investmentprodukt unzureichend Geld verdienen, hat das Acorns-Management bereits erkannt. Deshalb will man das Produktportfolio in den kommenden Jahren deutlich ausbauen und zur vollumfänglichen Finanz-App für die Kunden werden. Erste wichtige Schritte dahin hat das Fintech mit dem Angebot einer Debitkarte und einem dazugehörigen Bankkonto bereits gemacht. Zusätzlich sind zwei weitere Abo-Stufen für zehn und 15 Dollar pro Monat in Planung. Auf lange Sicht will Acorns außerdem ins Kreditgeschäft einsteigen und die Kunden mit passenden Finanzierungslösungen bedienen. All das soll dafür sorgen, dass der durchschnittliche Umsatz pro Kunde auf 138 Dollar pro Jahr anwächst. Aktuell liegt er bei 30 Dollar pro Jahr.
Durch die Ausweitung des Produktportfolios rechnet das Unternehmen damit, bis 2023 einen Umsatz von 309 Millionen Dollar zu erreichen – was in etwa dem 4,4-fachen des Umsatzes aus dem Jahr 2020 entspricht. Die Nutzerzahlen will man im selben Zeitraum nur verdoppeln – auf 8,1 Millionen zahlende Nutzer. Mit diesem Geschäftsmodell und den großen Plänen muss sich Acorns nun bald an der Börse behaupten.
Acorns-Klone in Deutschland
Der frühe Erfolg von Acorns rief auch in Europa einige Finanz-Startups auf den Plan. In Deutschland gehört die niederländische App Peaks zu den ersten größeren Acorns-Klonen. Seit sie 2019 in Deutschland gestartet ist (Finance Forward hatte berichtet), wurde es aber eher ruhig um die App. Ein Grund dafür könnte sein, dass Peaks vergleichsweise teuer ist. Im günstigsten Paket zahlt man 0,99 EUR pro Monat plus einer jährlichen Gebühr von 0,5 Prozent des verwalteten Vermögens.
Auch das Altersvorsorge-Startup Vantik aus Berlin hat sich vor Kurzem für einen Strategiewechsel hin zum Acorns-Klon entschieden. Finance Forward hat exklusiv darüber berichtet. Während man früher eine Anlage-App für die Altersvorsorge angeboten hat, ist das neue Hauptprodukt eine Debitkarte mit Cashback-Funktion. Bei jedem Einkauf erhält der Kunde ein Prozent der Rechnungssumme zurück, welches dann in das Investment-Produkt von Vantik investiert wird.
Der dritte Acorns-Klon in Deutschland ist Rubarb – das Startup der beiden Neffen des Finanzministers – Fabian und Jakob Scholz. Das Spannende: Rubarb verdient mit dem zentralen Investmentprodukt erst mal überhaupt kein Geld. Man wolle aber in Zukunft zur persönlichen Finanzapp der Kunden avancieren und dann beispielsweise über einen Vertragsmanager oder eine Cashback-App zur Profitabilität kommen. Auch Banking-Apps ist die Funktion von Acrons derweil angekommen. So können Nutzer von N26 beispielsweise Regeln zum Aufrunden erstellen – ein gutes Feature, aber kein eigenes Geschäftsmodell. Es wird auch für das Vorbild entscheidend sein, ob es künftig mehr kann als den einen Trick.