Die Wirecard-Jünger – und die Glaubensfrage
Kein Dax-Unternehmen besitzt in den sozialen Netzwerken so treue Anhänger wie Wirecard: Sie diskutieren jeden kleinen Schritt und verteidigen das Payment-Unternehmen aus Aschheim gegen seine Kritiker. Was fasziniert die Fans?
Für die Fangruppe ist es die Woche der Entscheidung. Sie stimmen auf Facebook über das mögliche Ergebnis ab, diskutieren leidenschaftlich die Taktik und fachsimpeln über die Aufstellung. Am Donnerstag ist ihr Endspiel.
„Es ist ein bisschen wie Lotto spielen“, sagt einer aus der Facebook-Gruppe. Nicht wenige der Mitglieder glauben an einen Kurssprung in dieser Woche. Was treibt die Fans an?
Seit Wochen jagt eine Wirecard Top-Story die nächste: ein katastrophaler Prüfbericht, Personalwechsel und eine Razzia am Firmensitz. Selbst Fachleute haben Schwierigkeiten, den Durchblick zu behalten. In dieser Zeit haben sich vor allem in sozialen Netzwerken zwei Lager herausgebildet: die Wirecard-Jünger und die scharfen Kritiker. „Es sind viele Emotionen dabei, einige haben viel Geld auf Wirecard gesetzt“, sagt ein Gruppenmitglied aus Nordrhein-Westfalen im Gespräch mit Finance Forward.
Die meisten glauben an einen Kursanstieg
Die massiven Wachstumszahlen hätten ihn in den vergangenen Monaten angezogen, seit seinem 16. Lebensjahr handelt er mit Aktien. „Wirecard könnte ein Zugpferd im ganzen Dax sein“, sagt er. Ein anderer Wirecard-Aktionär aus der Gruppe sieht es ähnlich: „Wenn die Zahlen stimmen, ist die Unternehmensbewertung ein Witz.“
Wenn. Das ist die große Frage. Bei einer Umfrage in der Facebook-Gruppe, wie sich der Kurs nach Donnerstag entwickelt, prognostiziert die Mehrheit einen Kursanstieg der Aktie. Gleichzeitig wittern viele eine Verschwörung von Medien und Shortsellern. „Man sollte nicht alles glauben, was in Zeitungen steht“, ist einer der freundlicheren Kommentare. Auf kritische Artikel folgen auf Twitter teilweise persönliche Angriffe gegen die Journalisten. „Bei manchen Artikel fragt man sich schon, wo die wieder herkommen“, sagt ein Anleger auch im Gespräch.
Tech, Wachstum und eine Wette auf die Zukunft
Es ist vergleichbar mit dem E-Autobauer Tesla des gefeierten Unternehmers Elon Musk. Dort ist es die Frage, ob das US-Unternehmen sich mit seinem Elektro-Auto gegen die anderen Industriegiganten durchsetzen kann. Viele Anhänger sind von der Firma überzeugt, der Aktienkurs erlebt gerade eine Hochphase, andere hegen große Zweifel am gesamten Unterfangen.
Auch bei Wirecard sind die Rahmenbedingungen ähnlich: Der Medienrummel hat viele Kleinanleger auf die Aktie aufmerksam gemacht. Eigentlich wollte sich Kevin Steinbrück nur mit 30 bis 40 Wirecard-Interessierten austauschen, berichtete er. Der Selbstständige initiierte die Gruppe vor einigen Monaten mit, seitdem seien die Nutzerzahlen „explodiert“. Es gibt oft mehrere Beiträge am Tag mit vielen Reaktionen.
Weitere Zutaten der Faszination: Ein Tech-Unternehmen mit hohen Wachstumsaussichten und eine Wette auf die Zukunft, dass mehr Leute mit Karte oder online bezahlen – und damit das Geschäft von Wirecard in den kommenden Jahren weiter wächst. „Es könnte ein Tenbagger sein“, sagt ein Anleger. So nennen die Investoren eine Aktie, die ihren Wert verzehnfacht. Er hat Anfang des Jahres ein paar tausend Euro investiert.
„Momentan reicht nur für einen neuen Fön“
Hinzu kommt, dass Wirecard mit Markus Braun ebenfalls einen schillernden Unternehmensführer besitzt. „Es ist zunehmend eine Glaubensfrage“, sagt ein Wirecard-Fan. Der Glaube daran, dass in den Bilanzen der Firma alles stimmt – oder nicht.
Und so steigt die Spannung für die Wirecard-Sympathisanten. „Jungs, ich bin heiß auf Donnerstag“, schreibt ein Gruppen-Mitglied. Es entbrennt eine Diskussion über die möglichen Szenarien. Es ähnelt dabei fast einer Sportwette – vor einem großen Turnier. So schreibt ein Anleger hoffnungsvoll: „Ich werde am Donnerstag Abend eine Yacht kaufen. Momentan reicht es nur für einen neuen Fön.“