Das Headquarter von Solaris in Berlin (Bild: PR).

Verkauf oder 100-Millionen-Funding – Solaris ringt um Befreiungsschlag

Exklusiv: Der Berliner Banking-Spezialist Solaris braucht schon ein Dreivierteljahr nach der letzten Finanzierungsrunde neues Geld – und die Zeit drängt: Bis Anfang Dezember sollen 100 Millionen Euro zusammenkommen oder ein Käufer gefunden werden. Drei prominente Interessenten gibt es bereits.

Die letzte schlechte Nachricht ist gerade einmal einen Monat her: Anfang Oktober verkündete Solaris-CEO Carsten Höltkemeyer eine Entlassungswelle, rund ein Drittel der Belegschaft muss gehen. Als Teil der Maßnahme trennt sich das Banking-Startup vom Geschäft der britischen Tochter Contis. Das Ziel: Geld soll eingespart werden.

Was bislang nicht bekannt war: Parallel sucht das Fintech mit Hochdruck nach frischen Mitteln. Laut exklusiven Informationen von Finance Forward soll Anfang Dezember eine neue Finanzierungsrunde stehen, in einer Größenordnung von 100 bis 150 Millionen Euro, wie es von Insidern heißt.

Und wenn das Funding nicht zustande kommt? Den Informationen zufolge sondiert Solaris gleichzeitig auch einen möglichen Verkauf. Unter den Interessenten soll sich der japanische Ivestor SBI befinden, der auch einer der wichtigsten Anteilseigner des Berliner Fintechs ist. Zudem schauen sich laut Firmenumfeld auch die Deutsche Bank, die BNP Paribas und Private-Equity-Investoren das Unternehmen an. Inwieweit hieraus ein konkretes Kaufinteresse erwächst, wird sich zeigen. Ein Solaris-Sprecher bestätigt, dass das Startup an einer Finanzierungsrunde arbeitet, zudem gebe es Kaufinteressenten. Zu weiteren Details will er sich nicht äußern.

Letzte Finanzierungsrunde im Frühjahr

Mehr noch als die Vorgänge als solche überrascht die Eile, mit welcher der Prozess vorangetrieben wird. Von einer geplanten Finanzierungsrunde hatte zwar schon das Manager Magazin berichtet, aber irgendwann im neuen Jahr. So viel Zeit kann oder will sich Solaris aber nicht mehr nehmen. Aus dem Umfeld der Firma wird von einer komplizierten Situation berichtet.

Erst im Frühjahr hatte die Solarisbank 96 Millionen Euro von Altgesellschaftern eingesammelt, damit verbunden war auch eine Finanzgarantie von bis zu 100 Millionen Euro. Insgesamt ist seit der Gründung vor mittlerweile fast zehn Jahren mehr als eine halbe Milliarde in das Fintech geflossen, das sich zuletzt immer noch eine angebliche Bewertung von 1,6 Milliarden Euro zugute hielt.


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Dabei sind die Probleme wohl vielschichtig. Die Übernahme des britischen Konkurrenten Contis muss abgeschrieben werden, stärker als bislang erwartet, heißt es von Insidern. Zudem seien Umsätze nicht wie geplant gekommen (die Kooperation mit dem ADAC zum Beispiel begann deutlich später als geplant) und als vollregulierte Bank muss Solaris, mehr als andere große Fintechs, auf eine ausreichende Eigenkapitalausstattung achten.

Contis-Deal fällt Solaris auf die Füße

Schon die Zahlen im vergangenen Jahr sahen dramatisch aus. Der Verlust stieg auf 178 Millionen Euro – mehr als 100 Millionen Euro gingen dabei auf die misslungene Übernahme von Contis. Mit einer eigenen Kreditkarte gehörte Binance (also die größte Kryptobörse der Welt) zu den Kunden der Solaris-Tochter. Das Produkt allerdings wurde eingestampft, ein wichtiger Umsatzbringer fiel damit weg. Noch immer streiten die beiden Parteien dabei um Zahlungen in Höhe von 144 Millionen Euro.

Das Solaris-Management ist überzeugt, dass den Berlinern diese Zahlungen noch zustehen – und hat eine entsprechende Klage eingereicht. „Die enorme Abhängigkeit von Binance war ein Klumpenrisiko, man hätte Contis eigentlich nie kaufen dürfen“, zitierte das Manager Magazin einen Solaris-Topmann. Den Deal im Sommer 2021 hatte der damalige CEO Roland Folz eingefädelt.

Dabei gab es vor wenigen Tagen auch gute Nachrichten: Solaris feierte mit dem ADAC den offiziellen Start der eigenen Kreditkarte. Das Fintech hatte den Auftrag mit einem Umsatzpotenzial von 100 Millionen Euro pro Jahr von der Landesbank Berlin (LBB) gewonnen. Der Start sei reibungslos verlaufen, heißt es. Mit neuen Produktlinien will die Firma im kommenden Jahr die Erträge für das Projekt erhöhen.

Es steht viel auf dem Spiel

Um nach dem Deal mit neuen Partnern zu wachsen, muss sich Solaris dabei eng mit der Finanzaufsicht Bafin abstimmen, die 2020 bei einer Sonderprüfung dem Startup erhebliche Mängel attestierte, etwa bei der Geldwäsche-Bekämpfung – die Behörde schickte einen Sonderprüfer. Erst vor wenigen Monaten machte die Aufsicht klar, dass der Prüfer länger bleiben wird. „Die Bafin hat uns signalisiert, dass es wieder etwas mehr Spielraum beim Neugeschäft gibt“, sagte der Solaris-CEO dem Handelsblatt vor einigen Wochen. So schloss die Firma eine Partnerschaft mit der Kryptobörse Bitpanda.

Erst einmal muss Solaris aber nun den neuen Deal abschließen. Für die Investoren steht viel auf dem Spiel. Gerade die frühere Softbank-Tochter SBI hat eine große Wette auf Solaris platziert – und einen Teil der letzten Finanzierungsrunde gestemmt. Auch für deutsche Geldgeber wie Motive Ventures (ehemals Finleap) zählt die Firma zu einem wichtigen Investmen