Scalable Capital soll an Vollbanklizenz arbeiten
Exklusiv: Der Neobroker Scalable Capital könnte schon bald eine eigene Vollbanklizenz erhalten. Nach Finance-Forward-Informationen soll das Münchner Fintech einen entsprechenden Antrag bei der Finanzaufsicht Bafin eingereicht haben. Zusätzlich will Scalable künftig einen eigenen Market Maker aufbauen. Was bedeuten die Pläne?
Seit Monaten befasse sich ein größeres Team bei Scalable Capital mit einem Geheimprojekt, raunte es zuletzt in der Fintech-Szene. Die Mannschaft würde eine neue technische Infrastruktur bauen, das Projekt sei fortgeschritten, hieß es. Doch die Details waren vage, das Unternehmen selbst tauchte auf Anfrage erst einmal ab.
Recherchen von Finance Forward und Finanz-Szene zeigen nun, dass hinter dem Geheimprojekt wohl eines der größten strategischen Vorhaben von Scalable Capital steckt. Denn der Münchner Neobroker, mit mehr als einer Million Kundinnen und Kunden, soll eine eigene Vollbanklizenz beantragen. Das berichten mehrere unabhängige Quellen aus dem Umfeld der Firma. Zusätzlich wird das Fintech auch in Zukunft als Handelspartner für die eigenen Kundinnen und Kunden auftreten – eine Maßnahme, um sich auf das anstehende Verbot von „Payment for Orderflow“ vorzubereiten.
Features im Kerngeschäft
Schon lange besitzt Scalable Capital eine Lizenz als Wertpapierhandelsbank, allerdings arbeitet der Broker bislang eng mit der Baader Bank zusammen. Das Fintech stieg über die Jahre zum mutmaßlich wichtigsten Partner von Baader auf. Eine eigene Vollbanklizenz würde es ermöglichen, beispielsweise auch Einlagengeschäft zu betreiben. Konkurrent Trade Republic hatte vor rund einem Jahr die Lizenz erhalten – und startete auf dieser Basis eine Debitkarte, die einen großen Ansturm erlebte. Zusätzlich launchte Trade Republic ein Zinsangebot via Verrechnungskonto, dabei fließen die Gelder an Partnerbanken oder einen Geldmarktfonds von Blackrock.
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Scalable-Capital-Gründer Erik Podzuweit hatte in der Vergangenheit betont, dass man auf absehbare Zeit dem Konkurrenten nicht mit einem Bankkonto und Bezahlkarten-Feature nacheifern wolle. Begründung: Es gebe noch genügend Funktionen, mit denen man im Kerngeschäft – also bei Investment-Lösungen für eine digitalaffine Community – weiter wachsen könne. Das Bemühen um eine Banklizenz deutet darauf hin, dass Scalable den Markt in Zukunft mindestens mal mit eigenen Zinsangeboten beackern will, schließlich lassen sich auf diesem Wege auch Kundinnen und Kunden für die Geldanlage gewinnen.
Erfahrene Bankmanager sind bereits an Bord
Hinzu kommt: Mit eigener Lizenz gewänne das Fintech mehr Spielraum, um Produkte eigenständig entwickeln zu können. Auch den eigenen Investoren dürfte das gefallen. Erfahrene Bankmanager beschäftigt Scalable Capital bereits, darunter den ehemaligen ING-Diba-Vorstand Martin Krebs. Dieses Personal braucht man als Unternehmen, um die Lizenz der Bafin überhaupt zu bekommen. Die Bafin wollte sich auf Nachfrage nicht äußern.
Es ist ein weiteres Beispiel eines Finanz-Startups, das erwachsen wird. Bis auf auf den Kernbanken-Software-Anbieter Mambu hätten damit die meisten hiesigen Fintech-Startups mit Milliarden-Bewertung auch eine Banklizenz: N26, Solaris, Trade Republic und Raisin. Sumup verfügt immerhin über eine E-Money-Lizenz.
Einstieg als Market Maker
Auch die zweite Neuerung bei Scalable Capital ist grundlegend. Laut Informationen von Finance Forward und Finanz-Szene bereiten die Münchner den Start eines sogenannten Market Makers vor. Der Market Maker tritt als Handelspartner auf, wenn Kunden ihre Aktien, Anleihen oder ETFs kaufen oder verkaufen. So stellen die Anbieter immer sicher – auch beispielsweise in Randzeiten –, dass es jemanden gibt, der gerade kaufen oder verkaufen will. So bringt der Market Maker zum Beispiel den Kunden, der morgens eine Siemens-Aktie verkaufen will, mit dem, der die Siemens-Aktie abends kaufen will, zusammen. Der Market Maker verdient an dem Preisunterschied. Gegen Preisrisiken sichert er sich ab. Für dieses Geschäft arbeitete das Fintech bislang ebenfalls mit der Baader Bank und anderen Partnern zusammen.
Als Market Maker könnte Scalable im besten Fall sogar Transaktionen komplett internalisieren – das wäre dann der Fall, wenn ein Scalable-Kunde eine bestimmte Aktien verkaufen und ein anderer dieselbe Aktie kaufen will. Die Wertschöpfung läge damit komplett bei dem Fintech. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass Scalable Capital auch eine Reihe von externen Market Makern an die eigene Plattform anschließen und nicht als einziger Anbieter auftritt. In dem Fall spricht man von einem systematischen Internalisierer.
Keine Rückflüsse vom Handelspartner mehr
Mit den Plänen bereitet sich das Finanz-Startup auch auf das Verbot von Rückvergütungen vor, das die Europäische Union beschlossen hatte. Bislang zahlten die Market Maker bei jedem Handel einen kleinen Betrag an den Broker zurück – das Verfahren nennt man Payment for Orderflow. In der Konstellation mit einem eigenen Market Maker verdient Scalable Capital selbst an dem Unterschied zwischen An- und Verkaufspreis beim Handel. Das Unternehmen will auf diesem Weg versuchen, die eigenen Einnahmen zu sichern und gleichzeitig die Kosten für Kunden weiter niedrig zu halten.