Christian Angermayer bei einer Konferenz in New York, 2016 (Bild: Bloomberg/Getty Images)

Von Markus Braun bis Christian Angermayer – so hat Oliver Samwer Rocket Internet zum Kreditgeber umgebaut

Jahrelang hat sich Rocket Internet mit dem Aufbau und der Finanzierung von Startups einen Namen gemacht. Dann baute Vorstandschef Oliver Samwer das Unternehmen zu einer Art Vermögensverwalter um. Inzwischen investiert Rocket Internet nicht nur in Immobilien, sondern vergibt auch in großem Stil Kredite – zu teils hohen Zinssätzen.

Um 14:39 am Tag des Zusammenbruchs erhält der Wirecard-Chef eine Nachricht von Oliver Samwer – und der Rocket-Internet-Chef ist nicht zu Scherzen aufgelegt. Er wolle in 30 Minuten sprechen. „Wir können mit oder ohne Anwälte“, schreibt er laut des Handelsblatts, das den 18. Juni 2020 rekonstruiert hat.

Am Ende des Tages muss der Dax-Konzern Wirecard einräumen, dass es keine Belege für einen Milliardenbetrag auf den Philippinen gibt. Nachdem die Nachricht bekannt wird, bricht der Kurs des Zahlungsdienstleisters an den Börsen massiv ein. Mitten in diesem Chaos erreicht den Vorstandschef auch die Nachricht von Samwer. Der Hintergrund: Der Rocket-Chef hatte Braun erst knapp einen Monat zuvor rund 75 Millionen Euro geliehen. Und nun will er sein Geld zurück. Und zwar schnell.

Die Nachricht vom Kredit an den Wirecard-Chef machte im Zuge des Wirecard-Skandals die Runde, die E-Mails gelangten an die Öffentlichkeit. Was weniger bekannt ist: Es ist nicht der einzige Kredit, den Rocket Internet vergeben hat. In den vergangenen Jahren hat die einstige Startup-Fabrik zig Millionen Euro zu teilweise hohen Zinssätzen verliehen – und Markus Braun ist längst nicht der einzige prominente Name auf der Liste.

Millionen-Kredit an Angermayers Apeiron-Gruppe

Denn Rocket hat laut Angaben auf der jüngsten Hauptversammlung im Juni auch einen Kredit an die Apeiron Investment Group vergeben – zu einem Zinssatz von 15 Prozent. Der Kredit in Höhe von 35 Millionen Euro gehört angeblich zu den zehn größten langfristigen Vermögenswerten. Das geht aus einem Transkript der Hauptversammlung hervor, das der Redaktion vorliegt. Hinter Apeiron wiederum steckt einer der schillerndsten, aber auch umstrittensten Köpfen der deutschen Gründerszene: Christian Angermayer.

Der Deutsche genießt aufgrund verschiedener Investments einen eher zweifelhaften Ruf. So brachte er die Firma Atai Life Sciences, die sich auf psychedelische Substanzen spezialisiert hat, zwar an die Börse. Dort verlor das Unternehmen anschließend aber mehr als 90 Prozent seines Wertes. Gegen seine Beteiligung Northern Data gab es eine Strafanzeige der Finanzaufsicht Bafin wegen Marktmanipulation. Ein Verfahren wurde dann jedoch nicht eröffnet.

Und auch bei Wirecard soll Christian Angermayer mitgemischt haben. Dem Zahlungsdienstleister habe er angeblich ein Investment des japanischen Technologiekonzerns Softbank vermittelt – womit sich auch der Kreis zu Markus Braun wieder schließt. Weder Apeiron noch Oliver Samwer reagierten auf eine Anfrage.

Auch Firmen aus Alexander Samwers Portfolio bekamen Geld

Mit Pelion Green Future Gamma, Pacifico Development und Linus stehen auch drei Firmennamen auf der Liste, an denen indirekt Oliver Samwers jüngerer Bruder Alexander beteiligt ist. Dieser konzentriert sich schon seit einiger Zeit unter anderem auf Geschäfte im Bereich erneuerbare Energien (Pelion/Pacifico) und Immobilien (Linus).

Allein an Pelion und Pacifico hat Rocket in Summe mehr als 50 Millionen Euro verliehen – Stand Ende letzten Jahres. Linus wiederum hat ein Darlehen in Höhe von zwei Millionen Euro erhalten. Das Immobilien-Startup ist zuletzt in die Krise geraten (Finance Forward berichtete). Linus ließ eine Anfrage zu den Krediten genauso unbeantwortet wie Alexander Samwer.

Lukrative Einnahmen

Das Geschäft mit den Krediten hat sich für Rocket Internet zu einer sehr lukrativen Einnahmequelle entwickelt. Allein die Zinsen der Darlehen haben im vergangenen Jahr für hohe Einnahmen gesorgt. Das Manager Magazin hatte schon vor einigen Jahren berichtet, dass Rocket Internet unter dem Namen „Global Growth Capital“ ein Tochterunternehmen in Großbritannien gegründet hatte, das hochzinsige Kredite an Startups (Venture Debt) vergeben sollte. Über die Firma lief laut Spiegel auch der Kredit an Braun.

Anleger sind überzeugt, dass die Kredite in den kommenden Jahren für hohe Einnahmen bei Rocket Internet sorgen werden. „Wir vermuten, dass einige hundert Millionen noch gutgeschrieben werden bei der Rocket, so dass da ohne Weiteres noch mal eine Dividenden-Runde kommen könnte“, sagt beispielsweise Georg Issels, Vorstand der Kölner Investmentgesellschaft Scherzer im Podcast „OMR Rabbit Hole“, der die Geschichte der Samwer-Brüder erzählt und in dem es auch um die Kreditgeschäfte der Brüder geht.

Alle Episoden des Podcasts „OMR Rabbit Hole“ über die Geschichte der Samwer-Brüder findet ihr hier.

Hinweis: Eine Angabe zu einem Darlehen an das Immobilien-Startup Linus wurde nachträglich korrigiert