Nach Börsengang: Robinhood braucht ein neues Gamestop
Der Börsengang von Robinhood ist ein bedeutsamer Tag für Fintechs – die Trading-App hat dieses Jahr ein beispielloses Wachstum hingelegt. Doch eine Statistik zeigt: Das liegt vor allem an dem Ansturm auf Gamestop-Aktien und die Kryptowährung Dogecoin. Nun muss ein nächster Hype folgen – oder die Expansion nach Europa.
Wenn Baiju Bhatt und Vladimir Tenev am Donnerstag die Börsenglocke an der New Yorker Nasdaq läuten, wird dies als außergewöhnlicher Moment in die Fintech-Geschichte eingehen. Schließlich sind die beiden Gründer der Trading-App Robinhood an einem Ort, zu dem sie stets ein zwiespältiges Verhältnis hatten. Der Legende nach bewegte der Protest von „Occupy Wall Street“ die beiden zur Gründung. Sie entwickelten eine einfache Smartphone-App, die Millionen von Amerikanern an den Aktienhandel heranführte. Mit dem gebührenfreien Handel trieben sie die etablierten Broker in den vergangenen Jahren vor sich her.
Nun stehen sie selbst künftig unter der Beobachtung der Finanz-Analysten an der Wall Street – und das Fintech aus dem Silicon Valley muss beweisen, dass es das kräftige Wachstum der vergangenen Monate aufrechterhalten kann. Allein im zweiten Quartal stiegen die Umsätze nach vorläufigen Zahlen auf rund eine halbe Milliarde Dollar, wie es im Börsenprospekt heißt. Das Timing ist perfekt: Seit Jahresanfang explodierten die Zahlen.
Starkes erstes Halbjahr
Die ersten Wochen an der Börse muss sich Robinhood keine Sorgen machen. Bis Ende März erzielte die Broker-App einen Umsatz von 522 Millionen Dollar, im ersten Halbjahr wird der Umsatz voraussichtlich ähnlich hoch sein wie im gesamten Jahr 2020. Und das, obwohl der Börsen- und Krypto-Hype bereits im vergangenen Jahr losging.
Auch das Nutzerwachstum zog in den vergangenen Monaten stark an: Im ersten Halbjahr verdoppelte sich die Zahl der Nutzer mit Geld im Depot fast von 12,5 Millionen auf 22 Millionen. Dabei zeigt sich, wie Robinhood beim Nutzerwachstum gerade von zwei Börsenrallys profitierte: Dem Ansturm auf Meme-Stocks wie Gamestop, AMC und Blackberry sowie dem Hype um die Kryptowährung Dogecoin.
Weil Robinhood bei dem ersten Ansturm zeitweise den Aktienhandel aussetzte, musste es aus vielen Ecken Kritik einstecken. Zusätzlich verursachte der Run auf die ausgewählten Aktien hohe Kosten für das Unternehmen, weil es über Nacht viel Geld benötigte, um Kapitalanforderungen zu erfüllen. Letztendlich führte dies zu Verlusten von 1,4 Milliarden Dollar im ersten Quartal 2021.
Trotz der Verluste stiegen die Umsatz- und Nutzerzahlen rasant – und auf diesen Kennzahlen wird in der Wachstumsphase auch der Fokus liegen. Wie die Download-Schätzungen von Airnow zeigen, ist Robinhood dabei auf Hypes am Aktien- oder Krypto-Markt angewiesen.
Bislang halte eine hohe Handelsaktivität an, heißt es in dem Prospekt. Für das dritte Quartal schreibt das Fintech allerdings: „Wir gehen davon aus, dass unsere Umsätze für die drei Monate bis zum 30. September 2021 im Vergleich zu den drei Monaten bis zum 30. Juni 2021 niedriger ausfallen werden, da die Handelsaktivität im Vergleich zu den Rekordwerten in den drei Monaten bis zum 30. Juni 2021 zurückgegangen ist, insbesondere im Bereich der Kryptowährungen sowie aufgrund der erwarteten Saisonalität.“ Das dritte Quartal wird die ersten Zahlen zeigen, die Robinhood als börsennotierte Firma verkündet. Gegen Ende des Jahres zeigt sich dann, wie der Kapitalmarkt mögliche schrumpfende Umsätze und Nutzerwachstum auffasst.
Erklärtes oberstes Ziel bleibt das Kundenwachstum – sollte dies ohne die Hypes nicht möglich sein, muss Robinhood in andere Länder expandieren – ein beliebtes Rezept von Startups, um das Wachstum hochzuhalten. Die Expansion steht laut Börsenprospekt auf dem Plan. Unklar ist allerdings, wie konkret die Pläne sind. Erst vor einem Jahr legte Robinhood seine Expansionspläne nach Großbritannien auf Eis. Erste Nutzertests in Deutschland, über die Finance Forward berichtete, wurden nicht fortgeführt.
Trotzdem lassen sich im Börsenprospekt Hinweise darauf finden, dass sich Robinhood den Schritt nach Europa offen hält. Die US-Firma hat Tochtergesellschaften in Großbritannien, aber auch in den Niederlanden. An beiden Standorten beschäftigte die Firma weiterhin Mitarbeiter, heißt es. Eine Sprecherin will die öffentlichen Informationen nicht kommentieren.
Es handelt sich dabei offenbar nicht nur um einzelne Team-Mitglieder: Als ein europäisches Fintech die Robinhood-Mitarbeiter in London abwerben wollte, erhielt es mehrere Absagen. Die Mitarbeiter würden weiterhin bei dem Trading-Startup beschäftigt bleiben, teilten sie mit. Untätig sind sie sicherlich nicht.