Der Berliner DIgital-Vermögensverwalter Moonfare bereitet den Start eines ELTIF vor. © PR

ELTIFs: Schlägt jetzt die Stunde der Vermögensverwalter-Fintechs?

Die Renditen sind hoch, der Zugang schwierig: Lange galt Private Equity als elitär. Allenfalls Profi-Anleger oder Menschen mit dickem Depot konnten mitmischen. Ein neues Finanzvehikel der EU soll das nun ändern – und weckt Hoffnungen bei Fintechs.

Geht es nach Moritz von Rhein, vermehren Kleinsparer ihr Geld schon bald auf ähnliche Weise wie sonst nur die Reichen. „ELTIFs werden das Anlageuniversum für Privatanleger in Europa grundlegend verändern“, ist sich der Mitgründer des Berliner Digital-Vermögensverwalters Liqid sicher. Der 31-Jährige meint ein Finanzvehikel, das seit dem 10. Januar europaweit und in reformierter Form vertrieben werden darf: European Long Term Investment Funds, kurz ELTIFs.

Auf Deutsch übersetzt heißen sie so viel wie europäische Langfristfonds. Anleger können sich darüber etwa an privat gehaltenen Unternehmen beteiligen, einem Weltmarktführer aus der Provinz zum Beispiel, der nicht an der Börse notiert ist. Auch Investments in Windparks oder Immobilien sind möglich. Das Investieren in Unternehmen abseits der Aktienmärkte dürfte für die meisten aber am reizvollsten sein: „Es gibt zahlreiche Anleger, die an sogenanntem Private Equity interessiert sind, denen der Zugang bislang verwehrt wurde“, sagt von Rhein. Die Anlageform verspricht zweistellige Renditen, setzt aber häufig Mindestanlagen zwischen 10.000 und 200.000 Euro voraus. Für viele Kleinanleger kaum leistbar.

„Vertriebsseitig ein Schuss in den Ofen“

Das hat offensichtlich auch die EU erkannt, die die Fondskategorie nun reformiert hat. Erstmals wurden ELTIFs 2015 aufgelegt mit dem Ziel, zukunftsträchtige Projekte der Realwirtschaft zu finanzieren. Durchgesetzt haben sich ELTIFs seitdem nicht: So gab es Ende 2022 EU-weit gerade mal 77 zugelassene ELTIFS, rund elf Milliarden Euro steckten darin. „Vertriebsseitig ein Schuss in den Ofen“, wie es der Investor und Finanzmarktexperte Christian Röhl ausdrückt.

Das soll sich mit der neuen ELTIF-Verordnung („ELTIF 2.0“) ändern. Mindestanlagen entfallen für Anleger genauso wie starre Obergrenzen von ELTIF-Anteilen in den Depots. Auch für Anbieter wird vieles leichter: Sie haben künftig mehr Spielraum beim Aufsetzen des Fonds, dürfen beispielsweise mehr liquide Vermögenswerte beimischen, was den Vertrieb vereinfachen soll. Experten rechnen damit, dass sich das Angebot an ELTIFs deutlich vergrößern wird: „Für 2024 sind zahlreiche neue Produkte zu erwarten“, sagte Andrea Vathje, Leiterin des Privatize Private Markets Instituts, dem Handelsblatt.

Fintechs bereiten erste Angebote vor

Auch Fintechs bringen sich in Stellung, wie eine Umfrage von Finance Forward ergab. Aktuell könne man etwa beim Berliner Digital-Vermögensverwalter Liqid zwar noch nicht in ELTIFs investieren, sagt Mitbegründer Moritz von Rhein. „Das Ganze wird für uns aber mit Sicherheit im Laufe dieses Jahres ein Thema werden.“ Derzeit plane das Unternehmen, sein Angebot im Bereich Private Markets auszubauen – dazu gehöre auch Private Equity. Vor allem für langfristig orientierte Anleger sei das attraktiv: „Sollte sich diese Erkenntnis in Deutschland durchsetzen, werden wir schnell viele Milliarden Euro in derartigen Produkten sehen“, sagt von Rhein.

Ähnlich zuversichtlich gibt sich Robin Binder. Der Gründer kennt die Welt der Vermögenden gut, drei Jahre lang baute er das Family Office eines Agentur-Unternehmers auf. Mit seinem Berliner Investment-Startup Nao will Binder das Prinzip nun für den Massenmarkt öffnen. ELTIFs seien ein vielversprechendes Vehikel auf dem Weg dorthin: „Wir sehen schon seit Jahren, dass vor allem Fintechs versuchen, alternative Anlageklassen zu knacken“, so Binder. „Mit ELTIF 2.0 existiert nun ein regulatorischer Rahmen, der endlich konkrete Umsetzungsmöglichkeiten ohne Umwege erlaubt.“ Beim Angebot von ELTIFs könne sein Fintech als strategischer Partner fungieren, falls sich Anfragen ergäben: „Wir steigen gerne sehr früh in den Produktentwicklungsprozess oder beim Aufsetzen der notwendigen Infrastruktur ein.“

Beim Konkurrenten Moonfare – mit einem verwalteten Kundenvermögen von mehr als zwei Milliarden Euro der derzeit größte Fintech-Anbieter im Bereich Private Equity – scheint man indes schon weiter. Der Start eines ersten ELTIF-Angebots steht nach Firmenangaben kurz bevor. „Es wurden viel Zeit und beträchtliche Ressourcen in die Entwicklung gesteckt, um den Interessen der Anleger gerecht zu werden“, teilt eine Sprecherin mit. Details, etwa zur Ausgestaltung und den Kosten des Fonds, ließ sie offen. Erst „in den nächsten Wochen“ wolle sich das Unternehmen zu dem Angebot äußern.

Kein sofortiger ELTIF-Boom erwartet

Dass es durch die Reform auf Anhieb zu einem Boom bei Investments in Private Equity kommt, damit rechnet jedoch keiner der befragten Anbieter. „Die Frage ist, ob Vermögensverwalter überhaupt in der Lage sind, ihre Fonds als ELTIFs anzubieten“, sagt Robin Binder von Nao. „Und falls ja, wie schnell. Für einen Boom fehlt als Grundlage die technische Infrastruktur und hier bestehen nach wie vor Unsicherheiten.“

Das sieht auch Liqid-Gründer von Rhein so. So gebe es beispielsweise noch Unklarheiten bei einzelnen Vorgaben des Gesetzgebers. „Die Tatsache, dass derzeit von den Produktanbietern eine ‘Quasi-Anlageberatung’ gefordert wird, erschwert Zugang zu potenziellen ELTIF-Produkten für Privatanleger“, so von Rhein. „Hinzu kommt, dass wichtige Kernaspekte der Novelle, wie etwa Mindesthaltedauer oder Liquidationsmechanismen noch nicht abschließend definiert wurden.“

Beim Marktführer Moonfare rechnet man unter Kleinanlegern zwar mit „signifikant mehr Interesse“ an den Fonds. Doch es müsse sich erst noch zeigen, ob ELTIFs vergleichbar hohe Renditen erzielen können wie bisherige Angebote im Bereich Private Equity. Dazu müsse sichergestellt sein, dass Kleinanleger ausreichend über die Angebote und ihre Risiken informiert würden. Nicht nur aus Kostengründen will das Unternehmen daher an Mindesteinlagen für ELTIFs festhalten – wenn auch in geringerer Höhe als bislang.

Finanzexperten warnen

Anleger sollten sich daher gut überlegen, ob sie mit Aktien oder Indexfonds nicht besser (und sicherer) fahren. Das meint zumindest Ralf Scherfling von der Verbraucherzentrale NRW, denn Reform hin oder her: „Teilweise ist es schon für Fachleute nicht einfach, ELTIFs vollständig zu durchblicken“, so Scherfling. „Für Privatanleger ist dies schwer bis unmöglich.“

Um etwa die Renditechancen eines ELTIF bewerten zu können, müsse man sich gut im konkreten Fondsumfeld auskennen, sei es bei Infrastrukturprojekten oder Unternehmen aus dem Mittelstand. Auch die Fähigkeiten der Fondsverwalter gelte es richtig einzuschätzen. Dies sei für viele Menschen nicht leistbar, sagt Scherfling. Dazu sei das in einen ELTIF investierte Geld meist auf Jahre gebunden, zwischenzeitliche Auszahlungen im Krisenfall nicht garantiert. Er sieht in der Reform die Gefahr, dass Menschen leichter an Produkte kommen, die für sie gar nicht geeignet sind.

Das bestätigt letztlich auch Christian Röhl. Der Investor und Anlegerschützer hält ELTIFs nicht für massentauglich. „Die Produkte sind in der Regel relativ teuer und bieten viele Ansatzpunkte für Gebühren. Und die müssen erstmal verdient werden“, so Röhl. Am Aktienmarkt seien Kleinleger daher besser aufgehoben, denn: „Ob Private Equity, Solarparks oder Mautstraßen – alles, was im Bereich der alternativen Vermögenswerte skalierbar funktioniert, ist auch an der Börse.“ Wer also genügend Kenntnisse und Geduld mitbringe, der brauche auch keinen ELTIF.

Ob die Kritik berechtigt ist? Die Fintechs haben nun die Chance, Anleger vom Gegenteil zu überzeugen.