Invao-Gründer Frank Gessner in einem Youtube-Video vom Januar 2020 (Quelle: Youtube Screenshot)

Millionenbetrug mit Krypto-Plattform? So lief der Prozess gegen Invao

Vor dem Landgericht Lüneburg streiten sich Anleger mit den Gründern einer gefloppten Handelsplattform für Kryptowährungen. Es geht um die Frage: Hat das Fintech Invao mit einer künstlichen Intelligenz geworben, die es so gar nicht gab? Die Verhandlung brachte die Richterin teilweise an ihre Grenzen.

Im Prozess um möglichen Betrug bei der Berliner Krypto-Trading-Plattform Invao ist der Ausgang weiter offen. Auch nach zwei Verhandlungstagen vor der Zivilkammer am Landgericht Lüneburg wollten sich Kläger und Beklagte zunächst nicht auf einen Vergleich einlassen. In dem Gerichtsverfahren geht es um die Frage, ob die beiden Gründer von Invao – namentlich Frank Gessner und Frank Wagner – womöglich falsche Versprechen gegenüber Anlegern gemacht haben. Über die Vorwürfe hatte Finance Forward im Herbst ausführlich berichtet.

2019 hatten Gessner und Wagner das Investment-Startup Invao gestartet, mit dem Ziel, die profitabelsten Blockchain-Projekte in einem Finanzprodukt zu bündeln. Anleger sollten dazu über einen Token – formal eine nachrangige, unbesicherte Anleihe – Genussrechte an einem diversifizierten Krypto-Fonds erhalten. Die Besonderheit: Nicht Mitarbeiter des Startups sollten den Fonds verwalten, sondern eine Künstliche Intelligenz (KI).

Die Invao-Gründer versprachen sich davon besonders hohe Renditen. In der Szene wurde ihr Vorhaben damals aufmerksam verfolgt – und rief das Interesse von Anlegern hervor: Insgesamt 14 Millionen Euro nahm Invao über den Verkauf seiner Token ein.

Doch schon bald darauf gab es Probleme. Der Krypto-Markt schmierte ab, nach Beschwerden der Finanzaufsicht musste Invao den Vertrieb seines Finanzprodukts vorerst einstellen. Einige Anleger verloren offenbar viel Geld – und verklagten die Gründer des Fintechs auf Schadensersatz. Sie werfen ihnen unter anderem vor, dass es die KI anders als dargestellt so gar nicht in der Investment-Software von Invao gegeben habe. Die Kläger berufen sich hierzu auf angebliche Aussagen von Mitarbeitern. Die beiden Invao-Gründer widersprechen diesen Vorwürfen: Die KI habe es sehr wohl gegeben.

Richterin kämpft mit Krypto-Sprech

Ende Januar wurde der Streit nun am Landgericht Lüneburg verhandelt. Neben Anlegern kamen in der Beweisaufnahme vor allem frühere Mitarbeitende von Invao zu Wort, die die Trading-Software des Fintechs mitentwickelt haben sollen. Zwar stützten sie im Wesentlichen die Version des Fintechs, dass der Handel mit Kryptowährungen automatisiert durch eine KI erfolgt sei. Schnell entbrannte im Gerichtssaal jedoch eine Grundsatzdiskussion: Was ist überhaupt eine KI? Wo fängt sie an, wo hört sie auf? Und: Handelt es sich noch um Künstliche Intelligenz, wenn Menschen regelmäßig in den Handel eingreifen?

Die Debatte kreiste vor allem um das sogenannte Backtesting. Gemeint ist ein Verfahren, bei dem Strategien im Aktienhandel auf zu erwartende Erfolge überprüft werden. Die gewünschte Strategie wird dazu auf reale Daten aus der Vergangenheit angewendet und gegebenenfalls optimiert. Auch Invao setzte das Verfahren ein, wie frühere Mitarbeiter des Fintechs erklärten. Mit den Testergebnissen sei die KI gefüttert worden.

Wie oft dies passierte, darüber gab es jedoch widersprüchliche Aussagen: Alle drei Monate, sagten manche Zeugen – täglich, behaupteten andere. Was aus Sicht der Invao-Gründer ein übliches Vorgehen ist, widerspricht den Klägern zufolge der Definition einer selbstlernenden KI. So richtig festlegen wollten sich selbst die Invao-Techniker nicht: „Ich hasse diese Frage“, kommentierte einer von ihnen. Die Diskussion hätte vermutlich noch ewig fortgeführt werden können. Die Beweislage erschien bis zuletzt dünn.

Eine Verliererin indes zeichnete sich schon früh ab: die Richterin. Ihr war anzusehen, wie fremd ihr die Welt der Kryptowährungen ist. Mehrmals musste sie die Diskussion laut unterbrechen („Das ist jetzt zu komplex!“) oder machte ein fragendes Gesicht, als jemand von „Hodln“ sprach. Auch ihr Diktiergerät setzte sie wiederholt neu an. Es schien, als sei sie sich nicht sicher, ob die eben vorgetragene Zeugenaussage korrekt protokolliert wurde oder nicht. Einem älteren Dolmetscher für zwei Invao-Mitarbeiter ging es ähnlich. Er übersetzte „Maschinelles Lernen“ etwa fälschlicherweise mit „Mechanical Learning“.

Entscheidung für Ende März erwartet

Es sind Szenen, wie sie bei Gerichtsprozessen mit Krypto-Hintergrund schon häufiger zu beobachten waren – und die die Herausforderungen verdeutlichen, die entstehen, wenn Sachverhalte rund um digitale Technologien auf ein analoges Justizsystem treffen.

Eine Entscheidung in Sachen Invao könnte es Ende März geben, wie die Richterin abschließend erklärte. Bis dahin haben die Anwälte beider Seiten aber noch eine letzte Möglichkeit zur Stellungnahme. Und, ebenfalls noch immer möglich: Die streitenden Parteien könnten sich auf einen Vergleich einigen – sofern sie sich dazu durchringen.