Immer mehr Krypto-Fälle wie Invao landen vor deutschen Gerichten. (Bild: IMAGO / Zoonar)

Fehlende Bafin-Erlaubnis für Kryptoprojekt: Invao-Gründer verlieren vor Gericht

Vor dem Landgericht Lüneburg hat ein geschädigter Krypto-Anleger gegen die Gründer des Startups Invao gewonnen. Sein investiertes Geld soll er zurückbekommen – plus Zinsen, lautet das Urteil. Der Krypto-Anbieter habe die Gelder ohne nötige regulatorische Erlaubnis vertrieben. Die Invao-Gründer gehen in Berufung.

Die Macher des einst gefeierten Kryptoprojektes Invao wurden in ersten Instanz verurteilt: Die Gründer Frank Gessner und Frank Wagner müssen demnach einem Anleger sein investiertes Geld komplett zurückzahlen. Das entschied eine Richterin der Zivilkammer am Landgericht Lüneburg. Ihnen wird vorgeworfen, die Geldanlage ohne nötige Lizenz vertrieben zu haben. Es handelte sich dabei um einen mittleren sechsstelligen Betrag.

2019 hatten Gessner und Wagner das Investment-Startup Invao gegründet. Ihr Ziel war es, die profitabelsten Blockchain-Projekte in einem Finanzprodukt zu bündeln. Anleger sollten dazu über einen Token – formal eine nachrangige, unbesicherte Anleihe – Genussrechte an einem diversifizierten Krypto-Fonds erhalten. Dabei besonders: Im Hintergrund würden nicht Mitarbeiter den Fonds verwalten, sondern eine Künstliche Intelligenz, so lautete das Versprechen. Das Projekt ging als eines der ersten seiner Art in einer Hype-Phase an den Start. Knapp sieben Millionen Euro vertrauten Investoren – darunter auch Privatanleger – Invao an.

Zweifel an der KI

Nun müssen die beiden Gründer das von Anleger Norbert Boehnke getätigte Investment in voller Höhe plus Zinsen zurückzahlen, wie das Urteilsdokument zeigt, das Finance Forward vorliegt. Grund dafür ist, dass Invao nach Ansicht des Gerichts keine Erlaubnis für das Finanzgeschäft in Deutschland hatte. So erhielt Invao erst im Dezember 2020 die Zulassung zur Emission von Kryptotoken durch die Finanzaufsicht in Liechtenstein. Schon davor hatte es aber Token in Millionenhöhe verkauft. Ein Passporting von Liechtenstein nach Deutschland – eine übliche Praxis, mit der Unternehmen innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums in andere Länder expandieren können, ohne lokale Lizenzen zu beantragen – war nach Ansicht des Gerichts zudem nie erfolgt.

Ein zentraler Streitpunkt während des Verfahrens war die Frage, ob Invao tatsächlich mit einer echten KI Kryptoassets handelte. Anleger Boehnke bestreitet, dass es diese gegeben habe. Er stützt sich dabei vor allem auf Aussagen ehemaliger Invao-Mitarbeiter. Die beiden Gründer halten unterdessen weiter daran fest: Eine KI habe es gegeben.


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Das Thema legte vor Gericht auch die Schwachstellen der deutschen Justiz im Hinblick auf digitale Technologien offen und führte zu komplexen Grundsatzdebatten im Gerichtssaal (Finance Forward berichtete). Die Richterin schien stellenweise überfordert mit der Krypto- und KI-Welt. Eine Entscheidung über diesen Streitpunkt findet sich entsprechend nicht im Gerichtsurteil wieder. Dort wird lediglich festgehalten, dass eine „Trading-Software […], in der Form, wie sie im Wertpapierprospekt beschrieben war, tatsächlich entwickelt und verwendet worden ist.“ Ob es allerdings eine echte KI gab, konnte das Gericht offenbar nicht klären.

Jeder muss einzeln vor Gericht ziehen

Die Beklagten haben bereits Berufung gegen das Urteil eingelegt, wie das Landgericht Lüneburg auf Anfrage mitteilt. In nächster Instanz wird der Fall vor dem Oberlandesgericht Celle verhandelt. Bis dahin hält das Urteil vom Landgericht zunächst fest, dass Gessner und Wagner persönlich für den Schaden aufkommen müssen. Beide möchten das laufende Verfahren auf Anfrage nicht kommentieren.

Indes dürfte das Urteil den Invao-Anlegern Hoffnung machen. Viele von ihnen sind Privatanleger und bangen seit der Pleite der Kryptobörse FTX, die auch Invao in Schwierigkeiten brachte, um ihr Geld. Nun könnten auch sie etwaige Schadensersatzansprüche geltend machen. Dafür müsste allerdings jeder Fall einzeln vor einem Landgericht verhandelt werden, erklärt Lutz Tiedemann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht. Die Vorraussetzungen für ein Musterverfahren gemäß Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz sehe er aktuell nicht. Anleger Norbert Boehnke plant aber zumindest, eine Interessensgemeinschaft zu gründen, um anderen potenziell Geschädigten den Prozess zu erleichtern, wie er Finance Forward mitteilt.

FTX hatte derweil im Mai angekündigt, seine Gläubiger vollumfänglich auszahlen zu wollen. Der Haken: Die zu zahlenden Einlagen werden zum Stichtag der Insolvenz im November 2022 bewertet – damals befand sich der Kryptomarkt allerdings in einem Tief.

Invao soll Geld von FTX zurückbekommen

Auch Invao soll Geld zurückbekommen. Von den etwas über eine Million Euro, die nach Informationen von Finance Forward im November 2022 noch im Fonds übrig waren, erwarte die Invao-Geschäftsführung allerdings, dass nur rund 700.000 Euro an das Unternehmen zurückfließen. Diese Prognose teilt Invao seinen ehemaligen Geldgebern in einer E-Mail mit, die Finance Forward vorliegt. Wie die Differenz zu erklären ist, kommentiert die Geschäftsführung auf Anfrage nicht.

Große Hoffnungen sollten sich die ehemaligen Anleger wohl nicht machen: In der gleichen E-Mail teilt die Geschäftsführung mit, dass die „bisherigen Abwicklungskosten [der Firma Invao] die verfügbare Liquidität nahezu aufgebraucht“ habe. Der – wahrscheinlich geringfügige – Rest soll entsprechend dem Wertpapierprospekt bis zum Laufzeitende der Anleihe 2029 angelegt werden. Bis dahin müsste am Kryptomarkt vermutlich ein kleines Wunder geschehen, damit Anleger ihre einst investierten Summen überhaupt zurück bekämen. Der Wert des Fonds müsste sich dazu nämlich mehr als verzehnfachen.