Stargründer Philipp Schröder bewarb umstrittenes Krypto-Projekt
Exklusiv: 1Komma5Grad-Gründer Philipp Schröder rührte mit seiner Fondsplattform Capinside die Werbetrommel für ein fragwürdiges Kryptoprojekt, das mittlerweile gescheitert ist. Nun könnte auch er für den Schaden haften. Der Gründer sieht sich dagegen selbst als Geschädigter.
Seit dem 19. Juni haben Frank Gessner und Frank Wagner ein Problem: Ein Anleger ihrer Krypto-Anleihe hat sie auf Schadensersatz verklagt – und in erster Instanz gewonnen. Nach Ansicht des Landgerichts Lüneburg hatten die beiden Gründer des Kryptoprojekts Invao ihr Produkt ohne Erlaubnis der Finanzaufsicht in Deutschland vertrieben. Nun müssen sie dem Anleger seine sechsstellige Investmentsumme in voller Höhe zurückzahlen. Neben ihm gibt es noch weitere Anleger, die um ihr Geld bangen. Insgesamt 20 Millionen Euro wollte das Krypto-Startup einst von Investoren einsammeln (Finance Forward berichtete).
Doch das Urteil dürfte nicht nur die Invao-Macher beschäftigen. Nach Recherchen von Finance Forward arbeitete Invao offenbar mit einem Netzwerk aus Finanzvermittlern und Werbetreibenden zusammen, um den sogenannten Ivo-Token als das neue „Rockstar“-Produkt unter den Krypto-Anlagen zu verkaufen. Und genau diesen könnte nun ebenfalls ein juristisches Nachspiel drohen.
Werbung in Podcasts und Webinaren
Das Rockstar-Zitat stammt vom 1Komma5Grad-Gründer Philipp Schröder. Er ist in der deutschen Startup-Szene ein bekanntes Gesicht, gilt als begnadeter Vertriebler. Vor seiner Climate-Tech-Gründung startete er 2018 zusammen mit Achim Denkel die Fondsvergleichs-Plattform Capinside. Ihr Ziel: Fondsanbieter und Investoren verknüpfen sowie Performance-Daten und Berichterstattung zum Thema Geldanlagen bündeln – Linkedin meets Onvista sozusagen.
Doch Umsatz macht die Plattform vor allem mit Fondswerbung. Bei erfolgreichen Kampagnen soll das Fintech zusätzlich zu Marketinggebühren einen geringen Prozentsatz der Anlagegelder (Assets under Management) pro Jahr erhalten haben, wie Schröder einmal gegenüber Finance Forward erklärte.
Auch für das im Fokus stehende Kryptoprojekt Invao rührte Capinside-Gründer Schröder damals öffentlichkeitswirksam die Werbetrommel. Als Gesicht des Fintechs trat er in Webinaren und Workshops auf und präsentierte Invao als „Pioniere“ der Kryptoanlage. Auch in Podcasts – die nach unserer Anfrage von sämtlichen Plattformen gelöscht wurden – lobte er das Projekt. Damit bot er eine Werbeplattform, auf der das Projekt zum Teil überhöht dargestellt wurde. Invao-Gründer Gessner und Schröder sprachen etwa darüber, dass der Kryptotoken in Deutschland zugelassen und über eine Londoner Börse handelbar sei. Doch im Nachhinein stellte sich beides als falsch heraus. Sowohl Schröder als auch die heutige Capinside-Führung wollen sich auf Anfrage nicht zu Details äußern.
Geld für den Vertrieb
Nach Informationen von Finance Forward blieb es allerdings nicht bei reinen Werbemaßnahmen – offenbar war Capinside auch am Vertrieb des Kryptotokens beteiligt. In einer Präsentation von Invao, die Finance Forward vorliegt, heißt es etwa: „Bis zu 4,5 Prozent. Für jede Vermittlung. Direkt über Invao. Nur für Capinside-Kunden.“ Das Capinside-Verkaufsteam sollte damit wohl inzentiviert werden, die Kryptoanleihe an seine Nutzer zu verkaufen. Auch im Capinside-Podcast erwähnte Gessner, dass interessierte Anleger seinen Token über die Plattform kaufen könnten: „Mit Capinside kann man [den Ivo-Token] ja ganz leicht zeichnen, da die Leute den ganzen Frontdesk machen und die ganzen Prozesse im Griff haben.“
Eine Person, die zur damaligen Zeit involviert war, berichtet gegenüber Finance Forward zudem, dass Capinside eine maßgebliche Rolle in der Vermarktung des gescheiterten Kryptoprodukts gespielt habe. „Capinside hat von Invao sowohl eine Platzierungsgebühr erhalten als auch eine Provision für jeden neuen Investor“, erzählt er. „Der Capinside-eigene Algorithmus hat das Kundenverhalten überwacht und daraus Schlüsse auf die optimale Kundengruppe gezogen. Diese Leads wurden dann von einem Vertriebsteam gezielt auf den Ivo-Token angesprochen.“ Sie alle sollen Privatanleger gewesen sein, zum Teil auch Kleinanleger.
„Es könnte eine Haftungsgefahr bestehen“
Für Lutz Tiedemann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und zertifizierter Berater für Kryptowerte, könnten Capinside und Schröder damit in den Haftungsfokus rücken. Will heißen: Auch gegen die Fondsplattform und den Gründer könnten geschädigte Anleger Schadensersatzansprüche geltend machen. „Sollten sie als Finanzvermittler aufgetreten sein, kann eine Haftungsgefahr entstehen“, sagt er. Es besteht demnach ein Risiko, dass Capinside oder Schröder für einen Schaden verantwortlich gemacht werden und dafür finanziell einstehen müssen. Doch Tiedemann geht noch weiter: Selbst, wenn sie das Produkt nicht vertrieben, sondern nur beworben haben, könne das schon für eine Mithaftung ausreichen. Diese könne sich etwa ergeben, wenn vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt und über Werbemaßnahmen Unwahrheiten verbreitet wurden.
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Ein Präzedenzfall wurde 2010 vor dem Bundesgerichtshof geschaffen: Damals befand das Gericht den ehemaligen Verteidigungsminister Rupert Scholz als schadensersatzpflichtig, da er für ein gescheitertes Finanzprojekt Werbung gemacht hatte. Er habe „durch sein Mitwirken bei der Anlegerwerbung, verbunden mit seiner herausgehobenen beruflichen Stellung und Sachkunde, besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und habe deshalb für die Fehlerhaftigkeit der Prospektangaben einzustehen“, hieß es in einem Urteil. Prinzipiell könnten also auch Personen in Haftung genommen werden, die nicht selbst als Initiator des Fonds aufgetreten sind – im Fall von Invao also möglicherweise auch Philipp Schröder und Capinside.
Im Kryptobereich hat es in Deutschland noch keinen ähnlichen Fall gegeben, in den USA dagegen schon: Dort läuft eine Sammelklage ehemaliger FTX-Anleger gegen eine Gruppe Prominenter, darunter Ex-Footballspieler Tom Brady, Komiker Larry David und Tennisspielerin Naomi Osaka. Sie alle waren einst markante Werbegesichter für die mittlerweile insolvente Kryptobörse FTX. Nun wollen Anleger Milliarden an Schadenersatz gegen sie erstreiten. Auch hier lautet der Vorwurf, die Promis hätten Anleger mit ihren Werbeaktionen getäuscht.
Philipp Schröder: „Ich bin selbst Geschädigter“
Schröder möchte sich auf Nachfragen von Finance Forward nicht im Detail zum Fall äußern. Nur so viel: Er habe von dem Urteil gegen die Invao-Macher gehört und sei selbst privat in die Krypto-Anlage investiert gewesen. „Mein Investment habe ich ebenfalls komplett verloren – so auch einige enge Freunde. Insofern bin ich selbst Geschädigter“, sagt Schröder. Mehr könne er dazu nicht sagen. Er verwies auf die aktuelle Geschäftsführung von Capinside.
Die wiederum gibt sich ebenfalls zurückhaltend. Man könne keine Auskunft geben, weil „die damals verantwortlichen Personen“ nicht mehr im Unternehmen seien. Man sei aber intern damit beschäftigt, den Sachverhalt aufzuklären. Die betreffenden Podcasts und Blogeinträge zu Invao sind mittlerweile von Capinside entfernt oder unzugänglich gemacht worden.
Gab es eine Prüfung?
Capinside hat seit der Invao-Kooperation bereits mehrfach den Besitzer gewechselt: Schröder hatte das Startup 2020 an die Frankfurter Universal Investment Gruppe verkauft. Anfang dieses Jahres verkaufte diese wiederum ihre Anteile an den Schweizer Vermögensverwalter Mattig Asset Management.
„[Invao ist] aus unserer Sicht – und das konnten wir auch überprüfen – einer der führenden aktiven Portfoliomanager im Kryptobereich“, sagte Schröder 2019 im Capinside-Podcast. Diese „Prüfung“ scheint allerdings nach heutigem Kenntnisstand mindestens dürftig ausgefallen zu sein.