Zum Beginn der Pandemie verteilte Sumup T-Shirts an seine Mitarbeiter (Bild: Privat)

80 offene Stellen, 150 Entlassungen: Die zwei Gesichter von Sumup

Nach den Entlassungen bei Sumup wird nun Kritik laut: Die Gründer hätten noch kürzlich versichert, dass die Jobs sicher seien. Auch die kurzfristigen Kündigungen per Zoom sorgen für Unmut. Erste Klagen sind vor Gericht eingegangen.

Gleich zu Beginn der Pandemie bedruckte Sumup T-Shirts für seine Mitarbeiter. Darauf zu sehen: ein Schiff mit dem Unternehmenslogo, das sich durch einen Sturm kämpft. Die Botschaft: Wir schaffen das gemeinsam. Denn als Corona im März 2020 ausbrach, war allen klar, dass das keine einfache Zeit werden würde. Die Kunden von Sumup, kleine Restaurants und Cafés, waren von den Lockdowns besonders hart betroffen. Über die kleinen Terminals der deutsch-britischen Firma können sie Kartenzahlungen annehmen. Doch ohne Zahlungen macht Sumup auch keine Umsätze.

Die Firma kämpfte sich durch das Jahr. Es schien wie ein Befreiungsschlag, als Sumup ein Jahr nach Beginn der Pandemie eine Kreditfinanzierung über 750 Millionen Euro verkünden konnte, zudem eine der größten Fintech-Finanzierungen Europas überhaupt. Im April betonte das Management in einer E-Mail, die Finance Forward vorliegt, dass es keine Massenentlassungen geben solle. In der Belegschaft atmete man auf.

Doch im Hintergrund passierte etwas. Plötzlich änderte sich die Stimmung, wie mehrere Mitarbeiter berichten. Gerüchte kamen auf, dass Sumup im größeren Stile Mitarbeiter entlassen werde – also doch. Anfang Mai bekamen dann rund 150 von ihnen nacheinander per Slack einen Zoom-Link zugeschickt. Viele wussten da bereits, was passieren würde.

Bereits seit einigen Jahren gehört Sumup zu den großen deutschen Fintech-Hoffnungsträgern, es betreibt Büros in rund einem Dutzend Ländern und zählt neben dem US-Anbieter Square und dem Paypal-Dienst iZettle zu den wichtigsten globalen Payment-Anbietern. Mit 2.600 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mehreren Hundert Millionen Euro ist es das größte deutsche Fintech-Startup.

Sumup war bis zur Krise auf starkem Wachstumskurs

Das 2012 von Da­ni­el Klein und Marc-Alex­an­der Christ ge­grün­dete Unternehmen befand sich seit mehreren Jahren auf starkem Wachstumskurs. Es fiel auch in der Krise durch eine hohe Zahl an Stellenausschreibungen auf. Allein seit Beginn des Jahres hat das Startup nach Informationen von Finance Forward mehrere Hundert Mitarbeiter eingestellt. Das wirkt sich offenbar massiv auf die Zahlen aus: In den vergangenen sechs Monaten sei der Betriebsaufwand um 55 Prozent gestiegen, während die Umsätze um neun Prozent eingebrochen seien, heißt es in einer internen Mail.

Sumup würde „beinahe 3.000 Mitarbeiter“ beschäftigen, wenn das Einstellungstempo so weiter ginge, wäre man zum Ende des Jahres bei 5.000 – so viele Mitarbeiter habe US-Vorbild Square, das mehr als zehn Mal so groß sei, heißt es darin. „Das zeigt: Unsere Einstellungspläne sind eindeutig unverhältnismäßig“, urteilt Klein.

Finance Forward hatte über die Kündigungswelle berichtet, bislang war klar, dass eine dreistellige Zahl an Mitarbeitern gehen mussten, ansonsten gab es vor allem viele offene Fragen. Nach Gesprächen mit mehreren Mitarbeitern lässt sich nun ein besseres Bild zeichen: Von einem Unternehmen, das widersprüchliche Signale aussendet. Einem Unternehmen, das auch nach den Kündigungen noch 80 Stellen ausgeschrieben hat, ein neues Büros aufwendig einrichtet – und weitere Kündigungen offenbar nicht ausschließen will. Nicht nur dieser Umstand stößt einigen der gefeuerten Mitarbeitern auf. Wieder einmal zeigt sich, wie einem schnellwachsenden Startup in entscheidenden Phasen im Umgang mit seinen Mitarbeitern das Feingefühl fehlt.

Dabei sah das zu Beginn der Pandemie noch anders aus. Nicht nur mit den T-Shirts bemühte sich Sumup seine Mitarbeiter bei Laune zu halten. Nachdem die Belegschaft ins Home-Office musste, erstellte das Management einen neuen Slack-Kanal mit dem Namen „apart-but-together“, zu deutsch „getrennt, aber gemeinsam“. Der Kanal wurde mit Ratschlägen, aufmunternden Anekdoten und Tierbildern überflutet. Nach der Finanzierungsnews und den Beteuerungen des Managements war die Stimmung eigentlich gut.

Das Bild bröckelte erstmals, als Executive Vice President Alexander von Schirmeister Ende April das Unternehmen verließ. Mehrere Mitarbeiter beschreiben ihn als Schnittstelle zwischen Management und Belegschaft. Einer, der immer auf offene Kommunikation gepocht und sich für Investitionen in die Mitarbeiter eingesetzt habe, sagen mehrere.

Was bedeutet die Restrukturierung bei Sumup?

Im Rahmen der großen Finanzierung im Frühjahr sei es zu Meinungsverschiedenheiten gekommen, wie das frische Kapital investiert werden solle, sagen Insider. Also verließ von Schirmeister, ehemaliger Ebay-Manager und Facebook-Beirat, das Unternehmen wieder. Eine Anfrage lässt er unbeantwortet. „Wir haben uns in gegenseitigem Einvernehmen und mit größtem Respekt getrennt“, betont Mitgründer Christ.

Die 150 weiteren Entlassungen, besonders in den Bereichen Marketing, Inhalte und Personalmanagement, seien nicht leistungsbezogen gewesen, hieß es in den einzelnen Gesprächen. Der Personalabbau sei „das Ergebnis einer strategischen Entscheidung zur Restrukturierung verschiedener Unternehmensbereiche, um noch besser aufgestellt zu sein und so das Wachstum des Unternehmens und den weiteren Ausbau unserer Services und Produkte voranzutreiben“, so Christ. Wie diese Restrukturierung konkret aussehen soll? Ob es Spardruck durch Investoren nach den Einstellungsorgien gab? Dazu äußert sich der Gründer nicht. Auch in den Kündigungsgesprächen von Mitarbeitern, mit denen Finance Forward gesprochen hat, wurde das nicht näher erläutert.

Die strategische Entscheidung sei eine Sache, sagt ein Mitarbeiter. Der Umgang mit den Kündigungen eine andere. Als das kurze Gespräch über Zoom vorbei war, konnten sich die gerade gefeuerten Mitarbeiter nicht mehr von ihren Kollegen verabschieden. Das Unternehmen hatte ihre Zugänge zu Mailadressen und Slack bereits gesperrt. „Dann sitzt man isoliert zu Hause, wurde gerade gefeuert und kann sich nicht einmal darüber austauschen“, kritisiert der Mitarbeiter.

Es sei ein Zeichen für mangelnde Wertschätzung, dass sie darüber hinaus noch nicht einmal die Möglichkeit bekommen sollten, angefangene Arbeitsprozesse an Kollegen übergeben zu können. „Es fühlt sich nicht gut an zu denken, dass die eigene Arbeit egal ist“, sagt ein Betroffener.

Christ schreibt auf Anfrage dazu: „Die letzten Wochen waren für mich als Gründer und für das ganze Team sehr emotional.“ Und: „Ich kann versichern, dass es immer schwerfällt, sich von Mitarbeitern zu trennen.“ Das zeigte sich offenbar auch in einem Allhands-Meeting im Anschluss an die Kündigungen. Das Management versicherte zwar, die Strategie sei richtig, gab nach Angaben von Teilnehmern aber zu, im Umgang mit den Kündigungen Fehler gemacht zu haben.

Sumup schließt weitere Kündigungen offenbar nicht aus

Außerdem stellt sich die Frage, ob die Kündigungen rechtlich anfechtbar sind. Mehrere ehemalige Mitarbeiter wollen nach Informationen von Finance Forward Klage einreichen, drei Klagen sind beim Berliner Arbeitsgericht bereits eingegangen. „Es entsteht bei den von uns bearbeiteten Fällen der Eindruck, dass Sumup bei den als ‚betriebsbedingt‘ bezeichneten Kündigungen andere Maßstäbe angelegt hat als das deutsche Arbeitsrecht“, so Daniel Halmer, Gründer der Online-Plattform für Rechtsservice Conny.

Eine betriebsbedingte Kündigung ist gerechtfertigt, wenn die Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer weggefallen ist und er nicht auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiter beschäftigt werden kann. „Ob Sumup diese gesetzlich vorgeschriebenen Kriterien überhaupt angelegt hat, ist zweifelhaft, in einer Vielzahl der von uns bearbeiteten Fälle dürften die Kündigungen sozial ungerechtfertigt und damit im Ergebnis unwirksam sein“, schreibt Halmer.

Doch nicht alle wollen klagen, für einige Mitarbeiter hatte Sumup parallel zur Kündigung ein Abfindungsangebot vorbereitet, das sie offenbar überzeugt hat. Es wolle „keine detaillierten Angaben zu dem gesamten oder gar einzelnen Kündigungsvorgängen“ machen, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit.

Trotzdem stelle das Unternehmen weiter ein, betont Christ. Im Zuge der „anhaltenden Expansions- und Wachstumsbestrebungen“ sei Sumup ständig auf der Suche nach Spezialisten und Experten in bestimmten Bereichen, um das Team von mehr als 2.600 Mitarbeitern rund um den Globus weiter zu vergrößern. Gleichzeitig ließ das Management kürzlich in einem Allhands offen, ob es in diesem Jahr erneut zu Kündigungen kommen könnte. Das würde man in drei Monaten sehen, wenn klar sei, wie sich das Geschäft entwickle, wird Christ von Teilnehmern zitiert – sehr zur Beunruhigung einiger Mitarbeiter.

In der Woche der Kündigungswelle bezog das Startup zusätzliche Büroräume in Berlin, drei Etagen im ehemaligen Warenhaus am Ostbahnhof – dem neuen Hauptquartier des deutschen Vorzeige-Startups Zalando. Es soll der neue Sumup-Campus werden, mit einem Fitnessstudio und einer Kletterwand. Dafür habe das Unternehmen extra einige teure Peleton-Fahrräder bestellt, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter. Die Signale könnten nicht widersprüchlicher sein.

Aus dem ehemaligen Galeria Kaufhof am Ostbahnhof wird ein luxuriöses Bürogebäude – hier zieht neben Sumup auch Zalando ein (Bild: imago/pemax)