Heimkapital erhält 300 Millionen Euro, um Immobilien anteilig zu kaufen
Exklusiv: Sie kündigten ihre Jobs bei Goldman Sachs und der Deutschen Bank in London, um 2019 das Immobilien-Startup Heimkapital zu gründen. Mit 300 Millionen Euro will das Gründerteam nun viele Immobilien teilweise ankaufen. Ein neues Trend-Segment.
Mittendrin im Vorabendprogramm des TV-Senders ZDF, vor Sendungen wie den Rosenheim Cops und Soko Leipzig, taucht der Werbespot eines Startups auf, das man an dieser Stelle nicht unbedingt erwarten würde – nämlich von Heimkapital. Das Münchner Fintech, gegründet von Dimitrij Miller, Julia Schabert und Benedikt Wenninger, wirbt in der kurzen Sequenz um Leute, die dem Unternehmen ihre Häuser zum Teil verkaufen sollen. „Unsere Zielgruppe, Menschen ab 60, schaut noch viel Fernsehen“, sagt Mitgründer Miller.
Die Senioren verkaufen bei dem Geschäftsmodell bis zu der Hälfte ihrer Immobilie an Heimkapital und bezahlen einen monatlichen Betrag, wie eine Miete an das Unternehmen zurück. Sie bleiben dadurch wohnen und haben Geld zur Verfügung, Heimkapital wird zum stillen Teilhaber. „Viele unserer Kunden wollen im Alter noch Geld ausgeben“, sagt Miller. In den vergangenen zwei Jahren sind in dem Segment gleich mehrere Immobilien-Startups hochgeschossen.
In den USA und Großbritannien schon etabliert
Miller und seinem Team in München ist nun ein großer Schritt gelungen: Von einem Finanzpartner, den sie nicht nennen, erhalten sie die Zusage über 300 Millionen Euro an Fremdkapital, mit dem sie in den kommenden zwei Jahren Immobilien einkaufen wollen, um in dem relativ jungen Markt weiter stark zu wachsen. 100 Millionen Euro sind für dieses Jahr vorgesehen.
Seit dem Start 2019 hat Heimkapital nach eigenen Angaben Häuser in einer Größenordnung im „höheren zweistelligen“ Millionen-Bereich zugekauft. 2020 machte die Firma mit einer Seedfinanzierung auf sich aufmerksam, damals war Yabeo, der frühe Geldgeber der Solarisbank, bei dem Unternehmen eingestiegen.
Bislang sind die Finanzierungsvolumen der Digital-Anbieter, gemessen am Immobilienmarkt noch klein, aber das Interesse beginnt zu wachsen. Schabert und Miller waren vor ihrer Gründung bei Goldman Sachs und der Deutschen Bank in London. „In Großbritannien und den USA sind vergleichbare Produkte schon etabliert“, hat Miller beobachtet.
Kritik der Verbraucherschützer
Mit dem Aufkommen der neuen Finanzierungsform kam auch die Kritik von Verbraucherzentralen. Die Senioren könnten sich oftmals günstiger einen Kredit bei der Bank holen, als einen Teil ihres Hauses zu verkaufen, hieß es dort. Miller sagt dazu: „Wir sind ganz transparent und sprechen an, wenn ein Kredit bei der eigenen Bank für unseren Kunden besser passt, zum Beispiel bei einem Lehrerpaar mit guter Rente.“ Aber dies sei bei vielen der Heimkapital-Kunden nicht der Fall. „Außerdem wollen sie einige auch nicht als Bittsteller Geld bei einer Bank holen“, sagt der Gründer.
Das Unternehmen verdient an einer Art Miete, die Kunden zahlen, 2,9 Prozent des gezahlten Betrags pro Jahr und 3,25 Prozent des Preises, wenn die Immobilie verkauft wird. Dabei übernimmt das Startup den Verkaufsprozess. Hinzu kommt gegebenenfalls ein Wertzuwachs der Immobilie. Kommt es zum Tod der Immobilienbesitzer, dann haben die Erben ein Vorkaufsrecht, ein unabhängiger Gutachter schätzt dabei den Wert. Sie können dann den Teil des Startups zurückkaufen. Wollen die Erben nicht, verkauft Heimkapital das Haus.
Um nun richtig groß zu werden, muss Heimkapital sein Produkt nun weiter in die Masse tragen. Mithilfe von Werbung im Radio, Fernsehen oder Magazinen. Zudem planen sie Vertriebskooperationen, beispielsweise mit Banken und Finanzberatern. „Der beste Weg ist der Verkauf über das Sofa, viele unserer potentiellen Kunden haben noch Makler, denen sie bei Finanzfragen vertrauen“, sagt Miller. Wie bei vielen Fintechs funktioniert der Vertrieb in der Masse nur mit menschlichem Vertrieb – und nicht nur digital.