Mambu arbeitet an elf Standorten weltweit. (Bild: Florian Wehde/Unsplash)

Das unbekannte Einhorn Mambu – was steckt hinter der Firma?

Der Berliner Finanz-Software-Anbieter Mambu wird nach einer großen Finanzierungsrunde nun mit 4,9 Milliarden Euro bewertet. Doch was macht das internationale Fintech genau? Und wie ist es aufgestellt? Das FAQ zu Mambu.

Was macht Mambu eigentlich genau?

Mambu ist ein Anbieter von cloud-basierter Kernbanken-Software. Das kann vieles heißen.

Versuchen wir es also mit einer Konkretisierung: Mambu ist kein klassischer Komplettanbieter wie die beiden Schweizer Bankensoftware-Konzerne Temenos und Avaloq – und schon gar nicht sollte man die Berliner mit der Finanz Informatik bzw. Atruvia vergleichen, also mit den beiden IT-Dickschiffen im Sparkassen- bzw. Genosektor. Sondern: Mambu muss man sich eher wie einen Spezialisten für einzelne Komponenten eines Kernbanken-Systems vorstellen.

Zum Verständnis: Ein Core-Banking-System besteht aus verschiedensten Elementen. Es gibt das „General Ledger“ genannte Hauptbuch (quasi: das Backend), und dann gibt es das Kunden-Ledger (quasi: das Frontend). Daran wiederum knüpfen die Komponenten zum Beispiel für Kredit- und Zahlungsverkehr an. Und unten drunter flanscht dann alles, was mit Regulatorik zu tun hat, also zum Beispiel das Meldewesen, KYC („Know your Customer“) oder ALM („Anti Money Laundering“).

Und Mambu? Konzentrierte sich anfangs allein auf das Thema Kredit und da wiederum auf eine spezielle Klientel: Mikrofinanzierer. Über diese Nische wuchs Mambu allerdings bald hinaus. Inzwischen bedient das Fintech auch Banken mit Fokus auf Sparkonten und drängt immer stärker in Richtung Zahlungsverkehr.

Wer sind die Kunden von Mambu?

Die ersten Kunden gewann Mambu (Gründungsjahr: 2010) vor rund zehn Jahren in Asien, Lateinamerika und Afrika – also in Märkten, in denen Mikrofinanzierung bereits ein Thema war, bevor in Europa die ersten entsprechenden Kredit-Fintechs groß wurden.

Hierzulande trat Mambu erstmals 2012 als Technologie-Lieferant von Kreditech auf den Plan. Kreditech, ein von Hamburg aus agierender Spezialist für hochverzinste Mikrokredite, war (die Älteren werden sich erinnern) das lange Zeit größte deutsche Fintech. In der Corona-Krise zeigte sich dann allerdings, was sich in den Jahren zuvor bereits angedeutet hatte: Die Hanseaten hatten ihre Kreditrisiken nicht wirklich im Griff. Als sich kein VC-Investor mehr fand, der die aus den Ausfällen resultierenden Verluste decken wollte, schlitterte Kreditech 2020 in die Insolvenz und wurde abgewickelt.

Mambu indes war zu diesem Zeitpunkt längst zum Geheimtipp der deutschen Fintech-Szene aufgestiegen. Als N26 im Jahr 2016 eine eigene Banklizenz erhielt und sich mit eigenem Core Banking vom bisherigen Bankpartner (der Wirecard Bank) unabhängig machen wollte, fiel die Entscheidung auf: Mambu.

Auch die Solarisbank bezog beim Aufbau einer eigenen Kernbank zumindest einzelne Komponenten vom Mambu, ebenso wie die C24 Bank (also die Retailbank von Check24) und zuletzt die Raisin Bank. Anders gesagt: Mehr oder weniger jede Neobank hierzulande (zumal die Solarisbank mit ihrem Core Banking ja wiederum hinter Fintechs wie Vivid, Penta, Kontist oder Tomorrow steht) hat ein bisschen Mambu unter der Motorhaube.

Wenn also N26 das „Daimler“ des deutschen Fintech-Booms ist, dann ist Mambu das „Bosch“ des deutschen Fintech-Booms.

Wobei, wie jeder Vergleich, so hinkt auch dieser. Denn: Mambu ist im engeren Sinne eigentlich gar kein deutsches Fintech – und schon gar kein schwäbisches, obwohl einer der beiden Gründer ein Schwabe ist. Sondern: Mambu ist eher ein internationales Fintech, das zufälligerweise seinen Sitz in Deutschland hat. Dementsprechend dürfte der ganz überwiegende Teil des Umsatzes aus anderen Märkten kommen. Was zum Beispiel in dem „WSJ“-Artikel verraten wird: Einer der prominentesten Kunden ist Western Union.

Welche deutsche Bank macht was mit Mambu?

Hier würde wir gerne noch mal das aufgreifen, was wir neulich in unserem größeren Artikel zur Raisin Bank so ähnlich schon geschrieben hatten:

Das Core-Banking-System von N26 soll ein mehr oder weniger proprietäres sein. Zwar hat die Berliner Neobank einst wichtige Technologie-Komponenten von Mambu bezogen. Allerdings angeblich nicht auf „Software as a Service“-Basis. Sondern: Wenn stimmt, was im Markt erzählt wird, dann hat die N26 die Technologie-Komponenten quasi erworben – daraus aber dann eine eigene Kernbank gebaut, die heute völlig unabhängig von Mambu agiert.

Bei der Raisin Bank und bei der C24 Bank soll es unseren Informationen nach so sein, dass die eigentliche Kernbank tatsächlich von Mambu kommt (und auch irgendeine Form von dauerhaftem Dienstleistungs-Verhältnis bestehen dürfte) – drumherum aber auch Komponenten anderer Anbieter verwendet werden.

Bei der Solarisbank dürfte die Integrationstiefe irgendwo zwischen N26 auf der einen Seite und C24 Bank bzw. Raisin Bank auf der anderen Seite liegen. Sprich: So wie wir es verstehen, dürfte die Solarisbank bei ihrem Core-Banking-Ansatz mehr selber gebaut haben also zum Beispiel die Raisin Bank – vielleicht auch, um auf Sicht nicht in Abhängigkeit von Mambu zu geraten.

Was ist Mambu eigentlich für eine Firma – kulturell?

Die Gründer von Mambu sind Frederik Pfisterer (ein schwäbischer Computer-Ingenieur) und Eugene Danilkis (ein Kanadier mit ukrainischen Wurzeln). Pfisterer studierte am „Karlsruhe Institute of Technology“ Informations-Wirtschaft, ging Ende der Nullerjahre an die Carnegie Mellon University von Pittsburgh, wo er Danilkis kennenlernte. Gemeinsam machten sie den Master in „Human Computer Interaction“, hatten mit Banken nicht wirklich was zu tun.

Allein dieser Hintergrund zeigt schon: Die gedankliche und kulturelle Welt, der Mambu entstammt, ist eher nicht die „Deutsche-Kreditwirtschaft-Welt“.

Als Teil ihrer Abschlussarbeit sollten Pfisterer und Danilkis Ideen für ein portugiesisches Core-Banking-Unternehmen sammeln. Es ging um die Frage, wie sich Bankgeschäft „auch in Gegenden entwickeln lässt, die sich der damals noch gültigen Zweigstellen-Logik entzogen, also beispielsweise in Afrika.“ So erklärte es Pfisterer Mitte 2020 in einem Interview mit Finanz-Szene.

So kamen die beiden Ingenieure also zum Banking, wobei sie eine entschiedene These aufstellten, in welche Richtung sich die Branche entwickeln würde. Pfisterer erinnerte sich in besagtem Interview so: „Genau zu der Zeit wurde ‚Software as a Service‘ immer beliebter, Salesforce waren damals die ersten, die das konsequent umsetzten. Dann war da die immer stärkere Durchdringung der Welt mit 3G-Internet, selbst in Afrika. Und schließlich der Mobile-Trend, dessen Wucht sich zumindest schon erahnen ließ. Unser Paradigma lautete: Wer Banking-Systeme für die sich entwickelnde Welt bauen will, muss auf diese drei Megatrends setzen. Und weil es ein entsprechendes SaaS-basiertes Core Banking damals schlicht noch nicht gab, haben wir begonnen, entlang dieser Paradigmen eines zu bauen.“

In Berlin siedelte Mambu an, weil Berlin auch global gesehen ein herausragender Startup-Standort ist – aber nicht, weil Pfisterer und Danilkis ein irgendwie deutsche Fintech bauen wollten. Tatsächlich segelte der Kernbanken-Spezialist sehr lange unterm Radar.

Schon Anfang 2020 lag das weithin unbekannte Startup gemessen an der Zahl der ausgeschriebenen Jobs nämlich mit 78 auf Rang drei hinter SumUp und N26. Vor allem aber: Mambu war damals (und ist neben SumUp auch heute noch) das mutmaßlich einzige hiesige Finanz-Startup, das ein wirklich globales Netz mit sage und schreibe elf Standorten unterhält. Darunter: Amsterdam, Miami, Syndey und Abu Dhabi.

Pfisterer verglich die Organisation von Mambu in dem Gespräch Mitte 2020 mit einem „Hub-and-Spoke-Modell“. Das ist ein Begriff, der im Transportwesen und in der Informationstechnologie verbreitet ist. Was Pfisterer damit sagen wolle: Berlin ist zwar der Knoten, an dem alles zusammenläuft – aber Mambu ist kein „Berliner Fintech“ in dem Sinne, wie N26 oder die Solarisbank „Berliner Fintechs“ sind.

Ist Mambu dieses viele Geld denn wirklich wert?

Das weiß man nicht. Zu seinen Geschäftszahlen sagt Mambu rein gar nichts – mal abgesehen davon, dass im “WSJ”-Artikel zu lesen ist, im dritten Quartal habe der Umsatz „um 120 Prozent“ über dem Vorjahresquartal gelegen.

Vielleicht kann man sich den Mambu-Dimensionen ja wie folgt nähern:

Geschäftszahlen hat Mambu bislang keine vorgelegt. Das „Handelsblatt“ zitierte gestern allerdings aus Unternehmens-Unterlagen, wonach das Fintech für 2022 mit einem wiederkehrenden Umsatz („Contracted Annual Recurring Revenue“) von 165 Millionen Euro kalkuliert. Das entsprechende Wachstum betrage 87 Prozent, die Bruttomarge liege bei 70 Prozent.

Das alles klingt plausibel. Zum Vergleich: Die Solarisbank strebt (einschließlich des jüngst übernommenen britischen Wettbewerbers Contis) für dieses Jahre Erträge von gut 90 Millionen Euro an; sie hatte bei der jüngsten Finanzierungsrunde 190 Millionen Euro eingesammelt und war mit 1,4 Milliarden Euro bewertet worden.

Was für Investoren hat Mambu?

Die Funding-Historie von Mambu ist eine ziemlich klassische. Alles begann mit den typischen „Angels“, im konkreten Fall waren das die Web.de-Gründer. Dann kamen die üblichen Venture-Capital-Investoren – zum Beispiel Runa, ein kalifornischer Technologiefonds mit russischen Wurzeln, der hierzulande auch bei Kreditech investiert war. Die Runde im Januar wurde von einem weiteren VC angeführt, nämlich vom bekannten Wagniskapitalgeber TCV. Und nun: Steigen also die Schweden von EQT im großen Stil ein. Kein typischer Wagniskapitalgeber. Sondern eher: ein klassischer Private-Equity-Investor.

Das spiegelt den Trend, dass große Investoren, die früher als Hedgefonds oder Private-Equity-Investor aktiv waren, nun auch in den Venture-Capital-Markt drängen. Am aggressivsten ist dort Tiger Global unterwegs – auch ein Mambu-Investor. Jedenfalls: Investorenseitig Mambu ist jetzt bestens positioniert, die Berliner Firma kann bei einem möglichen Sprung an die Börse die Software- und die Fintech-Karte spielen. In beiden Segmenten gibt es einen großen Hype.

Wofür braucht Mambu das Geld?

Gründer Danilkis will mehr Entwickler einstellen, um das Produkt weiterzuentwickeln. Die Geschwindigkeit entscheide über den Erfolg, sagte er dem „WSJ“. Ferner wird er den Produktvertrieb weiter vorantreiben. Hintergrund: Die Kernbanken-Software zu entwickeln, war finanziell aufwendig. Doch nun könnt Mambu in eine Phase eintreten, in der mit jedem zusätzlichen Kunden die Kosten nicht mehr wesentlich steigen, also die Profitabilität steigt, weil die fixen Kosten nicht mehr so ins Gewicht fallen.