Mambu arbeitet an elf Standorten weltweit. (Bild: Florian Wehde/Unsplash)

Mambu – das zweitgrößte deutsche Fintech veröffentlicht seine Geschäftszahlen

Exklusiv: Der Berliner Banken-Software-Anbieter Mambu gewährt einen detaillierten Einblick in seine Geschäftszahlen – eines der letzten großen Geheimnisse der hiesigen Fintech-Branche ist damit gelüftet. Und es zeigt sich in dem Bericht, wie Mambu nach dem Stripe-Vorbild international skalieren könnte.

Man muss sich das immer noch einmal vor Augen führen. Nicht Trade Republic ist das zweitwertvollste Fintech hierzulande hinter N26, nicht die Solarisbank, nicht Sumup und erst recht nicht Raisin oder Scalable Capital. Sondern: Das ist Mambu, der geheimistuerische Berliner Core-Banking-Anbieter, der von seinen Investoren inzwischen fast so hoch bewertet wird (4,9 Milliarden Euro), wie er medial unsichtbar bleibt.

Irgendeine Art von Einblick in sein Geschäft hat der Kernbanken-Spezialist bislang der Öffentlichkeit nicht gewährt. Eine Sprecherin schrieb kürzlich mit einiger Bestimmtheit: „Als Unternehmen in Privatbesitz legen wir unsere Einnahmen grundsätzlich nicht offen.“

Zu unserer großen Überraschung ist es nun aber so, dass Mambu über das Osterwochenende exakt dies getan hat – nämlich seine „Einnahmen“ und sonstigen Geschäftszahlen offenzulegen. Eines der letzten wirklich großen Geheimnisse der hiesigen Fintech-Branche ist damit gelüftet. Und zumindest in Frageform drängt sich eine steile These auf: Ist es denkbar, dass aus Mambu so etwas wie das deutsche Stripe entstehen könnte – also ein globaler Plattform-Player mit fast unbegrenztem Skalierungs-Potenzial?

1. Wie viel Ertrag macht Mambu?

2020 kam Mambu auf Umsatzerlöse in Höhe von 31,3 Millionen Euro. Hinzu gesellten sich noch sonstige betriebliche Erträge im Umfang von 0,7 Millionen Euro, die wesentlich aus Währungseffekten herrührten. Auffällig: Den Erlösen stand ungewöhnlicher hoher Materialaufwand („Aufwendungen aus bezogenen Leistungen“) von 17,4 Millionen Euro entgegen. Der Rohertrag belief sich dementsprechend auf lediglich 14,5 Millionen Euro, was in Relation zu den Umsatzerlösen gerade mal einer Bruttomarge von rund 46 Prozent entsprach (es könnte sich dabei allerdings, um einen Ausreißer nach unten handeln, siehe unten).

2. Wie sind die Zahlen einzuordnen?

Ausweislich unserer Datenbank müsste Mambu gemessen am Umsatz 2020 das sechstgrößte deutsche Fintech gewesen sein – hinter Sumup, N26, Wefox, Trade Republic (siehe hier) und der Solarisbank.

Während Sumup, N26, Wefox und Trade Republic ihren Fokus auf den Endkunden richten, lassen sich die Geschäftsmodelle von Mambu und der Solarisbank zumindest grob vergleichen: Beide sind reine B2B-Spezialisten. Und beide verdienen ihr Geld mit Banking-Software – auch wenn Mambu als Core-Banking-Anbieter anders als die Solarisbank nicht selbst eine Bank ist.

Eins zu eins gegenüberstellen lassen sich die Ertragszahlen von Mambu und der Solarisbank nicht, da die Solarisbank wie eine Bank bilanziert, Mambu hingegen wie ein Software-Unternehmen. Zumindest ein grober Vergleich sollte aber funktionieren:

Bei der Solarisbank summierten sich 2020 die Zinserträge, Provisionserträge und sonstigen betrieblichen Erträge auf 47,0 Millionen Euro – was deutlich mehr war als die 32,0 Millionen Euro (Umsatzerlöse und sonstige betriebliche Erträge) bei Mambu.

Stellt man die reinen Provisionserträge der Solarisbank (26,1 Millionen Euro) den Umsatzerlösen von Mambu (31,3 Millionen Euro) gegenüber, verkehrt sich das Verhältnis zugunsten von Mambu.

Vergleicht man hingegen das Provisionsergebnis der Solarisbank (also die Provisionserträge abzüglich der Aufwendungen) mit dem um die sonstigen betrieblichen Erträge bereinigten Rohertrag von Mambu (als die Umsatzerlöse abzüglich des Materialaufwands), liegt wiederum die Solarisbank vorn: 18,6 Millionen Euro versus 13,9 Millionen Euro.

3. Rechtfertigen die Zahlen die irrsinnige Bewertung?

Auf den ersten Blick nicht. Allerdings ist zu bedenken: Die 4,9-Milliarden-Euro-Bewertung stammte von Ende 2021. Anfang 2021 hatte es bei Mambu auch schon eine Finanzierungsrunde gegeben: 110 Millionen Euro zu einer Taxierung von seinerzeit erst 1,7 Milliarden Euro.

Das heißt: Auf den nun veröffentlichten Zahlen beruhte lediglich die 1,7-Milliarden-Euro-Bewertung (die zumindest grob vergleichbar ist mit der 1,4-Milliarden-Euro-Bewertung, die der Solarisbank zur Jahresmitte zugestanden wurde) – die eigentliche Explosion folgte erst im Laufe des Jahres.

Und in der Tat: Der im Juni aufgestellte Geschäftsbericht ging in seiner Prognose von einem spektakulären Umsatzwachstum von rund 80 bis 100 Prozent aus. Damit wäre Mambu 2021 also bereits auf Umsatzerlöse von grob 50-60 Millionen Euro gekommen. Glaubt man darüber hinaus einer Unternehmens-Präsentation, aus der das „Handelsblatt“ jüngst zitierte, dann trauten sich die Berliner für 2022 auf Basis ihrer Auftragslage sogar Erlöse von rund 145 Millionen Euro zu.

Und: Auch die Bruttomarge (also die Roherträge geteilt durch die Umsatzerlöse) sollen zuletzt deutlich über die sehr mageren 46 Prozent aus 2020 hinaus angestiegen sein.

Nun sind reale Umsätze natürlich etwas anderes als auftragsbasierte Zahlen aus einer Präsentation. Gleichwohl: Dass Mambu in den zurückliegenden Monaten krass gewachsen ist, darauf deuten auch andere Indizien hin. So kam der Kernbanken-Spezialist 2020 laut Geschäftsbericht auf 439 Mitarbeiter. Aktuell indes finden sich allein bei Linkedin dagegen schon rund 850 Mambu-Beschäftigte.

4. Was macht Mambu so stark?

Im „Chancen- und Risikobericht“ findet sich folgende Passage:

„Das Unternehmen vertreibt seine SaaS-Plattform weltweit und ermöglicht es daher Finanzinstitutionen, flexible Bankprodukte weltweit anzubieten. Durch die im Geschäftsjahr 2021 abgeschlossene Finanzierungsrunde könnte ein beschleunigter Vertrieb der Plattform realisiert werden. Die Mambu-Unternehmensgruppe hat eine hohe globale Präsenz und vertreibt seine Plattform bereits in 50 Ländern weltweit. Durch den verstärkten Fokus auf Regionen wie Südamerika und Asien könnte ein beschleunigter Vertrieb gerade in diesen Ländern realisiert werden. Die Plattform des Unternehmens umfasst derzeit rund 7.000 verschiedene Bankprodukte in drei Kategorien: Kredite, Girokonten und Einlagen. Es bietet auch Schnittstellen zu bestimmten Finanzdiensten von Drittanbietern an, wodurch zusätzliche Dienste in den Bereichen Sicherheit und Prozesssteuerung angeboten werden können. Durch dieses umfassende Angebot könnte ein beschleunigter weltweiter Vertrieb erreicht werden.“

Hieraus lassen sich mit einiger Plausibilität folgende Schlussfolgerungen treffen:

Mambu ist so international positioniert wie kein anderes deutsches Fintech, nicht einmal Sumup.
Während sich die meisten größeren hiesigen Fintechs (einschließlich der Solarisbank) auf Deutschland und sonstige europäische Kernmärkte wie Frankreich, Spanien oder Italien konzentrieren, scheint Mambu vor allem in außereuropäischen Wachstumsmärkte stark aufgestellt zu sein …

… Das bedeutet auch: Unter den Kunden von Mambu (dazu gehören beispielsweise Neobanken und Kreditplattformen) dürften viele Anbieter sein, die ihrerseits stark wachsen – und mit denen das Berliner Fintech dann mitwächst. Das gilt übrigens auch für die hiesigen Kunden von Mambu. Klassische Banken sind nach allem, was man weiß, (noch) nicht darunter, wohl aber andere ambitionierte Finanz-Startups wie die C24 Bank, die Raisin Bank oder auch die Solarisbank

Viele Fintechs wollen irgendwie „Plattform“ sein. Gut möglich, dass Mambu tatsächlich „Plattform“ ist und zwar in einem Sinne, wie zum Beispiel auch Stripe (also der rasant wachsende amerikanisch Payment Service Provider) „Plattform“ ist. Nämlich: 1.) Das Produkt (im Falle von Mambu eine Kernbanken-Software) nistet sich tief in die Wertschöpfung des Kunden ein; 2.) Die Funktionalitäten (im Falle von Mambu zunächst einmal nur Kredit, Girokonto und Einlagen) sind klar umrissen. Hierdurch bleiben die inhaltliche Komplexität und die regulatorische Komplexität überschaubar, was eine rasche Anbindung vieler Kunden in unterschiedlichen Jurisdiktionen ermöglicht; 3.) Das Angebot wird in großem Tempo und mit hohem Vertriebsaufwand international ausgerollt.
In der Konsequenz all dieser Punkte: Skaliert Mambu aktuell allem Anschein nach so schnell wie kein anderes deutsches Fintech.

5. Welche Neuigkeiten hält der Geschäftsbericht sonst noch bereit?

Mambu hatte per Ende 2020 schon rund 50 Millionen Euro verbrannt – davon allein 27 Millionen Euro in 2020 selbst.

Die beiden 2021er-Runden eingerechnet, sind bislang annähernd 400 Millionen Euro in Mambu geflossen.

Mambu hatte per Ende 2020 sieben Tochtergesellschaften. Dieses saßen in Rumänien, der Schweiz, Großbritannien, den USA, Singapur, den Niederlanden und Litauen. Während in Litauen und Rumänien die Software entwickelt wird, befinden in den USA, Singapur, UK und den Niederlanden die Vertriebsgesellschaften.

Anfang 2021 hat Mambu eine neue Holding-Gesellschaft namens Mambu B.V. mit Geschäftssitz in Amsterdam (Niederlande) gegründet. Per Anteilstausch hält die Mambu B.V. nun 100% der Anteile an der vorherigen Muttergesellschaft, nämlich der Berliner Mambu GmbH. Kann sein, dass man infolge dieses Konstrukts bis zu einem etwaigen Börsengang keine weiteren Geschäftszahlen mehr zu sehen bekommen wird.