Partystimmung bei Krypto-Jüngern – was ist da los? (Bild: Pawel Janiak/Unsplash)

Droht der nächste Bitcoin-Hype?

Krypto-Portale verzeichnen Traffic-Rekorde, das Google-Suchvolumen zu Bitcoin steigt unaufhaltsam und der Kurs der wichtigsten Digitalwährung legt den besten Jahresstart seit 2012 hin. Was ist da gerade los?

Es hat schon fast Tradition: Seit Jahren nutzen selbsternannte Bitcoin-Experten die Zeit um den Jahreswechsel, um für das anstehende neue Jahr astronomische Kursverläufe vorherzusagen. Viel Substanz steckt darin in der Regel nicht, der Kurs der wichtigsten Kryptowährung entwickelt sich meist doch ganz anders als gedacht (vor allem bleibt er hochgradig volatil).

Auch 2020 begann ähnlich. Und doch ist etwas anders in diesem Januar. Da ist einmal der Kurs: Bitcoin erlebt die größte Neujahrs-Rallye seit 2012. Vor allem aber scheint das Interesse der allgemeinen Öffentlichkeit an Kryptothemen rasant zuzunehmen.

Das berichten etwa die Betreiber beliebter Kryptoportale. Mike Dudas, Gründer des US-Nachrichtenportals The Block, schreibt auf Twitter von einem Traffic-Wachstum von 35 Prozent im Vergleich zum Dezember – ohne dass es dafür einen thematischen Anlass gegeben habe. Der deutschsprachige Blog Cryptoticker.io erlebt nach Aussage von Gründer Dennis Weidner gerade regelrechte Besucherrekorde, nachdem bereits der Dezember ein extrem starker Monat gewesen sei. Für den Januar zeichnet sich eine ähnliche Entwicklung ab, mit einem Plus von mehr als 600 Prozent im Vergleich zu den letzten Monaten, wie Analytics-Zahlen zeigen, die Finance Forward einsehen konnte.

Und: Auf Google weist „Bitcoin“ das stärkste Suchvolumen seit fünf Monaten auf. Was steckt dahinter? Woher kommt das Interesse? Tritt Krypto wieder aus der Nische?

Auf Google-Suche folgt der Kursanstieg

Eine beliebte Erklärung in Onlineforen: Der Kursanstieg bekomme durch mediale Berichterstattung Aufmerksamkeit, das wiederum wecke mehr Interesse. Mehr Interesse führe zu mehr Diskussion und mehr Suchvolumen – und so weiter. Doch das Gegenteil ist offenbar der Fall. Die New Yorker Analysefirma Pulsar zeigt in einer Studie auf, dass Diskussionen in sozialen Medien zum Thema Bitcoin häufig schon zunehmen, bevor das Suchvolumen steigt. Erst ein bis drei Tage später klettere dann auch der Bitcoin-Kurs. „In fast jedem untersuchten Fall folgt auf einen zehnprozentigen Anstieg an ‚Social Buzz‘ innerhalb von drei Tagen ein fünfprozentiger Anstieg des Bitcoin-Wertes“, heißt es in der Untersuchung.

Der Hype folgt also offensichtlich nicht auf einen Kursanstieg, die Reihenfolge ist normalerweise eher umgekehrt. Und das wirft Fragen auf: Wenn der Preisanstieg nicht für das plötzlich geweckte Interesse sorgt – was ist es dann? Eine eindeutige Antwort gibt es darauf nicht. Aber man kann Indizien sammeln – eine Spurensuche:

Warum sich Anleger wieder mehr von Bitcoin erhoffen

Bitcoin Halving: Im Mai steht ein großes Event für Bitcoin an. Dann wird die Belohnung für die Kryptoschürfer halbiert, so steht es im Code der Blockchain hinter Bitcoin. Das sogenannte Halving findet alle vier Jahre statt und soll eine Inflation vermeiden. Auf die bisherigen Halvings folgte jeweils ein signifikanter Kursanstieg innerhalb von etwa zwölf Monaten, die Nachfrage könnte also mit der Hoffnung einiger Anleger zusammenhängen. „Ich gehe davon aus, dass zum Zeitpunkt des Halvings nicht viel passieren wird“, sagt hingegen Analyst Timo Emden von Emden Research. Die Monate davor könnten aber spannend werden – im Markt habe sich eine gewisse Aufbruchstimmung breitgemacht.

Politische Unsicherheit: Eines der größten Argumente der Bitcoin-Fans war schon immer, dass das Kryptogeld sich von staatlichen Währungen abhebe. Dank seiner Unabhängigkeit von der Geldpolitik der Notenbanken hat sich Bitcoin besonders in Zeiten politischer Unsicherheiten zu einer beliebten Anlaufstelle entwickelt. Der Konflikt zwischen dem Iran und den USA Anfang Januar habe „offensichtlich zu einer verstärkten Nachfrage geführt“, sagt Emden – auch wenn sich diese wieder gelegt habe. Das Suchvolumen nach „Bitcoin“ hatte tatsächlich am 8. Januar einen Höhepunkt – nachdem der Iran am 7. Januar Raketen auf US-Truppen abgefeuert hatte.


Der Januar-Effekt: Dass Bitcoin zu Beginn des Jahres Kurssprünge macht, ist nicht neu. Das hat mehrere Gründe, nicht zuletzt auch wegen der beliebten Prognosen. Potentielle Anleger haben oft aber auch mehr Geld zur Verfügung. „Wenn die Wall-Street-Boni am 15. Januar auf den Bankkonten eintreffen, werden wir einen Krypto-Kaufrausch epischen Ausmaßes sehen“, schrieb Coinshares-CEO Meltem Demirors vor einem Jahr auf Twitter. Emden nennt das den „Januar-Effekt“: „Viele Anleger positionieren sich für das neue Jahr“, sagt er.

„Bitcoin ist und war schon immer der Treiber von großen Bewegungen“

Massenadoption: Doch Bitcoin ist nicht die einzige Digitalwährung, die zugelegt hat. Auch Ether und Ripple konnten in der ersten Monatshälfte signifikante Kurssprünge verzeichnen. Offenbar herrscht in der ganzen Szene die Hoffnung, dass Kryptowährungen endlich auf breitere Akzeptanz stoßen werden. „Die Krypto-Infrastruktur wird von Jahr zu Jahr besser“, sagt Dennis Weidner von Cryptoticker.io. „Das neue Geldwäschegesetz, das das Kryptoverwahrgeschäft nun mitregelt, schafft zudem mehr Klarheit für alle institutionellen Akteure.“

Auf Weidners Portal kommen hauptsächlich Nutzer, die über Google nach „Bitcoin“ gesucht haben, das zeigt eine Traffic-Analyse, die er Finance Forward zugänglich gemacht hat. „Bitcoin ist und war schon immer der Treiber von großen Bewegungen“, so Weidner.

Auch Florian Ginez vom amerikanischen ETF-Anbieter Wisdom Tree erwartet mehr institutionelle Investoren im Markt. „Die Aussicht auf einen in den USA gelisteten ETF für Bitcoin, die Einführung von physisch abgewickelten, regulierten Terminkontrakten und verbesserte Verwahrungslösungen waren einige der Faktoren, die die Hoffnung auf eine höhere Nachfrage nach dieser Anlageklasse seitens institutioneller Investoren nährte“, schreibt er in einem Marktausblick.

China als Schlüsselfaktor

Diskussion um Libra: Zuletzt gab es kaum positive Nachrichten für Facebooks Unterfangen, eine eigene Kryptowährung zu etablieren. Trotzdem hat Libra die Aufmerksamkeit von Regierungen und Regulierungsbehörden auf sich gezogen und eine gesetzgeberische Debatte um Kryptowährungen angeregt, sagt Ginez: „Trotz der immensen strukturellen Lücke zwischen Libra und anderen dezentralisierten Kryptowährungen eignet sich diese Diskussion sehr gut als Stimmungsbarometer.“

Chinas Blockchain-Pläne: China könnte sich in diesem Jahr zum Schlüsselfaktor entwickeln. Das Land plant ein nationales Komitee für Blockchain-Standards, hieß es im November. „Die Blockchain-Politik Chinas hatte die Anleger schon im vergangenen Jahr euphorisch gestimmt“, sagt Emden. Chinas Blockchain-Hype dürfte den Markt weiter beeinflussen. „Es ist schon vorstellbar, dass die Chinesen gerade jetzt im Januar Bitcoins und andere Vermögenswerte ins Portfolio packen“, sagt auch Weidner.

Bitcoin-Optionen: Seit dem 13. Januar können an der Chicagoer Terminbörse neben Futures auch Optionen auf Bitcoin gehandelt werden. „Die Hoffnung ist, dass andere Börsen nachziehen und weitere Bitcoin-spezifische Produkte anbieten – und Kryptowährungen insgesamt ihr angekratztes Image aufpolieren können“, sagt Emden. Laut Vijay Ayyar von der Kryptobörse Luno hätten die neuen Produkte den Kursanstieg zusätzlich befeuert.

Ayyar sieht sogar den Beginn eines neuen Aufwärtstrends – 15.000 bis 16.000 Dollar seien ein „realistisches Ziel“ für Bitcoin in diesem Jahr, sagte Ayyar gegenüber CNBC. Ob diese Prognose hält? Mal sehen.