„Die Lücke in der Finanzbildung ist nicht zu entschuldigen“ – Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger im FinanceFWD-Podcast
Die Finanzbildung in Deutschland weist große Wissenslücken auf, wie eine Analyse des internationalen Zusammenschlusses OECD zeigt. Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger will das mit einer Initiative ändern. Was hat sie nach mehr als einem Jahr erreicht? Wie sehen ihre konkreten Pläne aus und welche Rolle spielen Finfluencer dabei? Darüber hat die Ministerin im Podcast gesprochen.
Der Tweet ist fast zehn Jahre alt, doch die Debatte aktuell wie nie: „Ich bin fast 18, hab keine Ahnung von Miete, Steuern oder Versicherungen“, postete eine Schülerin 2015 auf dem Kurznachrichtendienst X. „Aber ich kann eine Gedichtsanalyse schreiben. In 4 Sprachen.“ Seitdem hat sich an deutschen Stundenplänen nicht viel geändert. Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger möchte das Thema Finanzbildung nun endlich in die Klassenräume bringen.
Zusammen mit ihrem FDP-Parteikollegen und Bundesfinanzminister Christian Lindner hat sie vor rund einem Jahr eine neue Bildungsoffensive für Finanzthemen ins Leben gerufen. „Wir sehen, dass Schülerinnen und Schüler ins Leben starten, ohne zu wissen, was ein Zinseszins ist“, sagt Stark-Watzinger im Podcast. „Das ist nicht zu entschuldigen.“ Durch die „Initiative finanzielle Bildung“ soll daher in Zusammenarbeit mit der OECD eine nationale Strategie für das Thema entstehen, eine Plattform für geprüfte Unterrichtsmaterialien entwickelt und mehr Geld in Forschungsarbeit investiert werden. Rund zehn Millionen Euro werden in den nächsten drei Jahren in das Projekt fließen, sagt Stark-Watzinger im Podcast.
Es soll keine Produktwerbung geben
Es wäre überfällig. Verbraucherbildung ist laut Verbraucherzentrale Bundesverband aktuell in nur acht Bundesländern in Lehrplänen oder Richtlinien verankert. Ein bundesweit einheitliches Fach Wirtschaft gibt es nicht. Damit überlässt der Staat zunehmend privaten Organisationen das Feld. Stark-Watzinger möchte dieses „zivilgesellschaftliche Engagement“ zukünftig bündeln, aber auch Qualitätsstandards setzen. Kriterien dafür würden gerade erarbeitet, sagt sie. Dabei wünsche sie sich aber einen pragmatischen Ansatz. „Wir sollten einen Rahmen setzen, uns aber auch nicht behindern.“
Doch inwieweit sollten private Akteure überhaupt in Klassenräumen auftreten können? Geht es nach der Linken-Fraktion, dann garnicht. Es sei bedenklich, wenn Christian Lindner und Bettina Stark-Watzinger „anscheinend ohne Bedenken zahllose privatwirtschaftlichen Akteure mit einbeziehen möchten“, äußerte sich Fraktionssprecherin Nicole Gohlke gegenüber Table Media. Es bestehe die Gefahr, der „Bankerlobby die Tore ins Bildungssystem weiter zu öffnen.“ Stark-Watzinger bekräftigt im Podcast, dass es keinerlei Produktwerbung geben soll. „Wir sind als Staat nicht dazu da, Unternehmen eine Plattform für Werbung zu geben.“
„Habe nichts gegen Finfluencer“
Auch Finfluencer stehen beim Thema Finanzbildung immer mehr im Fokus. Mittlerweile hat sich in den sozialen Medien für Finanzthemen ein Millionenpublikum entwickelt. Das bemerken auch hochrangige Politiker: Finanzminister Lindner zum Beispiel umgibt sich gern mit den jungen Finanzerklärern. Er hat eigens dafür den „Finfluencerinnen-und-Finfluencer-Tag“ gegründet und sich etwa schon mit Diana zur Löwen, Kamiar Bar Bar (Teaching Finance) oder Fabian Walter (Steuerfabi) in den sozialen Medien gezeigt.
Doch die Branche ist teilweise umstritten. Im Bundestag wird mittlerweile ein Werbeverbot für Finfluencer diskutiert, um Verbraucherinnen und Verbraucher vor unseriösen Angeboten zu schützen. Angestoßen wurde der Vorschlag von den Grünen, die FDP sieht ihn dagegen kritisch.
„Ich habe nichts gegen Finfluencer“, sagt Stark-Watzinger. Das Thema Finanzen gelte bei manchen als schwierig oder kompliziert. Da könne es helfen, sich dem Thema über Personen und Emotionen zu nähern. „Trotzdem muss die Qualität der Inhalte stimmen“, sagt sie. „Dabei soll unsere Finanzbildungsplattform ,Mit Geld und Verstand‘ helfen.“
Rücktrittsforderungen gegen Stark-Watzinger
Nach der Podcast-Aufnahme mit der Ministerin Ende Mai rückt das Thema zurzeit jedoch wegen eines hausgemachten Skandals in den Hintergrund: Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer hatten in einem offenen Brief den Umgang mit Pro-Palästina-Demonstrantinnen und -demonstranten an der Freien Universität Berlin kritisiert und sich für das Versammlungs- und Meinungsfreiheit ausgesprochen. Daraufhin habe das Bildungsministerium eine Prüfung auf mögliche Konsequenzen veranlasst und unter anderem auch die Kürzung von Fördermitteln erwogen, wie das ARD-Magazin „Panorama“ berichtete.
Der Vorfall sorgte für großes Entsetzen. Es sei ein Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit, hieß es parteiübergreifend. Staatssekretärin Sabine Döring übernahm mittlerweile die politische Verantwortung und musste ihren Posten räumen. Stark-Watzinger selbst betonte, die Förderung erfolge nach wissenschaftlichen Kriterien und nicht nach politischer Weltanschauung. Sie selbst sehe keinen Anlass für einen Rücktritt, teilte sie mit – nachdem dies mehrfach gefordert wurde. Trotzdem scheint es aktuell unklar, wie viel Zeit ihr überhaupt noch für die Umsetzung der Finanzinitiative bleibt.
Wie Stark-Watzinger mit ihrer Initiative die Bundesländer zusammenbringen will, welche Rolle private Akteure wie Trade Republic oder Scalable Capital dabei spielen sollen und was sie über Kryptowährungen denkt, darüber hat sie im Podcast gesprochen.
Im FinanceFWD-Podcast spricht Stark-Watzinger über …
… Finanzbildung in deutschen Schulen
… ihre Initiative für finanzielle Bildung
… die Rolle der Finfluencer
… ihre Sicht auf Kryptowährungen
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