900 Millionen Dollar – und jetzt? Die fünf Hindernisse von N26
N26 ist wieder das wertvollste deutsche Finanz-Startup. Prominente Geldgeber überhäufen die Berliner Firma mit viel Geld für das weitere Wachstum. Ungebremst kann es nicht weitergehen, hat die Finanzaufsicht Bafin indes angeordnet. Zudem muss N26 bei der Produktentwicklung endlich aufholen und in den USA durchstarten. Was steht nun an?
Wer in der Vergangenheit „Sparkasse Online Banking“ in die Google-Suche eintippte, bekam teilweise ganz oben eine Werbung für die Berliner Smartphone-Bank N26 angezeigt. Ausgerechnet mit dem Namen der verschrienen Konkurrenz warb das Startup um neue Kunden – „Sparkasse Online Banking“ war zeitweise die wichtigste Suchwort-Kombination für die Google-Werbung der jungen Bank, wie eine Auswertung für Finance Forward zeigt.
Auch bei der neuen Konkurrenz hinterlegte man Werbung, etwa unter den Suchbegriffen „Revolut“, „Diba Vank“ oder „Wirecard Bank“. Die bezahlte Suchmaschinen-Werbung gehörte zu den wichtigen Marketing-Kanälen. Die Werbe-Kampagnen führten zu guten Wachstumszahlen: Das Fintech zählt mittlerweile mehr als acht Millionen Kunden, heißt es aus dem Firmenumfeld.
Die Summe ist beeindruckend: Die drei Top-Investoren Coatue, Third Point und Dragoneer investieren – wie Finance Forward berichtete – bei dem Berliner Fintech 900 Millionen Dollar (775 Millionen Euro), zu einer Bewertung von neun Milliarden Dollar (7,7 Milliarden Euro). Die Gründer Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal wollen jetzt weitere 1.000 Mitarbeiter einstellen.
Fünf wichtige Punkte stehen auf der Agenda:
1. Geldwäsche-Probleme lösen
Die Finanzaufsicht Bafin beschränkt das Wachstum auf 50.000 bis 70.000 Neukunden pro Monat, wie aus der Mitteilung von N26 hervorgeht. Schon länger steht das Unternehmen in der Kritik, seine Geldwäsche-Probleme nicht in den Griff zu bekommen. Konkret geht es darum, dass die Bankkonten der Berliner Bank für Betrugsfälle verwendet werden.
Eine Datenanalyse von Airnow zeigt, dass N26 pro Monat etwa 100.000 bis 200.000 App-Downloads verzeichnet. Auch wenn nicht alle tatsächlich ein Konto erhalten, wird N26 durch die Bafin-Beschränkungen sein Wachstumstempo massiv zurückfahren. Kein gutes Zeichen für ein Wachstumsunternehmen. Die Beschränkung gilt EU-weit, N26 kann sich also aussuchen, in welchen Märkten man seine Kunden warten lässt. In wichtigen Märkten wie Deutschland dürfte das folglich weniger passieren als in manchen kleineren Ländern.
Die bestehenden Kunden sind von dem Eingriff nicht betroffen, aus diesem Grund steigt der Druck weiter, dass N26 mehr Geld pro Kunde erlöst.
2. Mehr Ertrag pro Kunde
Das Ziel ist schon länger ausgerufen. Als Kunde bemerkte man die Bemühungen bereits, in den vergangenen Wochen warb N26 verstärkt für das eigene Partnerangebot, beispielsweise die Handy-Versicherung. Doch ein Umsatztreiber fehlt bislang: ein Trading-Feature.
Der britische Konkurrent Revolut hat in den vergangenen Monaten vor allem von seinen Erträgen aus dem Handelsgeschäft mit Aktien und Kryptowährungen profitiert – was auch dazu führte, dass das Fintech eine Finanzierungsrunde zu der Bewertung von 33 Milliarden Dollar abschließen konnte. Mit dem Geschäft muss N26 nun aufholen und hat die Produkte bereits angekündigt.
3. Eigenentwicklung für den Aktien- und Krypto-Handel
Das Unternehmen setzt dabei auf eine Eigenentwicklung. Zuvor hatte sich N26 bei anderen Fintechs umgehört, die als mögliche Partner hätten fungieren können, entschied sich letztlich jedoch für einen anderen Weg. In Serbien hat sich N26 bei einer kleinen Entwicklerfirma des EBS-Professors Raša Karapandža beteiligt, die beide Funktionen entwickeln soll.
In der Statistik der eigenen Kunden lasse sich ablesen, wie viel Geld jeden Monat von den eigenen Kunden auf die Konten von Trade Republic abfließt, heißt es aus dem Firmenumfeld. Von diesem Kuchen hofft N26, ein Stück abzubekommen.
Doch in der Branche gilt das Vorhaben als kompliziert. Bei Trade Republic und Scalable Capital sitzen ganze Entwicklerteams, die an der Handelsfunktion arbeiten. Das Tech-Team von N26 muss sich um alle Bankprodukte kümmern. In der Branche rechnet man damit, dass zumindest ein Teil der Kunden aus Bequemlichkeit direkt bei N26 sein Geld anlegt. Der Start in den kommenden Monaten ist ein Kernprojekt.
4. Expansion außerhalb von Europa
Für die Wachstumsstory ist es wichtig, auch abseits der europäischen Märkte Fuß zu fassen. Gerade die großen Märkte USA und Brasilien stehen dabei im Fokus. Auf den ersten Blick fällt es schwer, sich vorzustellen, dass N26 gegen mächtige Wettbewerber wie Nubank in Brasilien oder Chime, Cashapp oder Paypal anstinken kann.
Doch auf den zweiten Blick könnte der Plan womöglich doch aufgehen. Bei der aktuellen Finanzierungsrunde wird jeder Kunde mit rund 1.000 Euro bewertet. Es würde reichen, pro Markt eine Million Kunden zu erreichen, um die Bewertung um eine Milliarde zu steigern. Dafür würde sich der Launch lohnen.
Gleichwohl tut sich N26 in Übersee bislang schwer. In den USA wechselt N26 die Partnerbank, wie Finance Forward erfuhr. Aus diesem Grund landen neue Kunden erst einmal wieder auf einer Warteliste. Wie die Download-Schätzungen zeigen, hat N26 das Wachstum in den vergangenen Monaten erst einmal etwas runtergefahren. In Brasilien will die Firma gleich mit eigener Lizenz starten – noch geht es nicht los.
5. Wechsel im Management
Auffällig viele Wechsel gab es in den vergangenen Monaten im Management von N26. Erst kürzlich hat sich der Deutschland-Chef Georg Hauer verabschiedet. Um das Fintech Richtung Börsengang zu steuern, braucht es mehr Kontinuität. Der IPO ist intern bereits für das kommende Jahr anvisiert. Die Solarisbank will auch das Jahr 2022 nutzen, um an die Börse zu streben, wie das Handelsblatt berichtete.
Auch die aktuellen Geschäftszahlen gewinnen weiter an Relevanz, denn das sind nun die Reports, mit denen N26 potentiell auf Roadshow geht, um für Geldgeber bei dem anvisierten Börsengang zu werben.