Ausgefuchst – Wefox und seine aggressiven Zukaufpläne
Das Versicherungs-Startup Wefox vermeldete im vergangenen Jahr einen Umsatz von 600 Millionen Dollar – mehr als die meisten deutschen Unicorn-Firmen. Der Wachstumstreiber: Über die Jahre kaufte das Unternehmen sieben Maklerfirmen zu.
Das Bild, das das Versicherungs-Startup Wefox lange Zeit nach außen abgab, war blendend. Auf Konferenzbühnen und in Interviews präsentierte Gründer Julian Teicke seine Firma als große Erfolgsstory. Jahr für Jahr konnte Wefox mit immer höheren Umsatzzahlen glänzen, tauchte als Trikotsponsor der Fußballteams Union Berlin und AC Mailand plötzlich überall auf. Selbst in der aktuellen Techkrise gelang der Berliner Firma eine Finanzierungsrunde über 400 Millionen Dollar zu einer Bewertung von 4,5 Milliarden Dollar.
In der letzten Woche berichteten Finance Forward und Capital bereits über einen fragwürdigen Deal, der das Wachstum der Wefox-Versicherungstochter ankurbelte. Einen weiteren großen Einfluss auf die Geschäftsentwicklung hatte eine aggressive Zukaufstrategie, die Teicke in den vergangenen Jahren umsetzte. Wie es gelang, mit Maklerzukäufen das Wachstum nach oben zu treiben: Die ausführliche Geschichte hinter der Wefox-Wachstumsstrategie erscheint heute bei Capital.
Gespräche mit einem der großen Player
Das Ambitionslevel war hoch. Das zeigen schon die Übernahmekandidaten – in Deutschland soll es Gespräche mit der Firma Fonds Finanz gegeben haben, berichteten mehrere Leute, die mit den Vorgängen betraut waren. Es handelt sich dabei um einen Maklerpool, also einen Zusammenschluss von Maklern, der zu den größten Playern in Deutschland gehört. 2020 wickelten die Makler knapp 200 Millionen Euro an Provisionen über Fonds Finanz ab. Der Verkauf kam nicht zustande; Wefox will sich dazu nicht äußern. Ende 2021 übernahm schließlich der Finanzinvestor HG Capital den Maklerpool. Der Kaufpreis für 60 Prozent soll sich auf knapp 200 Millionen Euro belaufen haben, wie die Süddeutsche Zeitung berichtete.
Mit einem großen Anbieter für Autoversicherungen aus Italien wurde sich Wefox 2021 dagegen einig: Mansutti. Rund 100 Millionen Euro steuert das Geschäft seitdem bei und ist hochprofitabel. Über Autohäuser vertreibt der Anbieter seine Policen. Der Kaufpreis soll bei rund 350 Millionen Euro gelegen haben. Wefox will das nicht kommentieren.
Die Übernahmesumme ist aber ein Hinweis darauf, warum Wefox über die Jahre 1,3 Milliarden Dollar von Wagniskapitalgebern einwarb – damit finanzierte das Startup seinen aggressiven Expansionskurs. Sechs weitere Zukäufe kamen hinzu:
Wichtige Übernahmen in der Schweiz und den Niederlanden
– Die Maklergruppe aus Österreich, eine Vereinigung selbstständiger Versicherungsmakler, kaufte Wefox Ende 2019 als erstes Unternehmen. Bei einem sogenannten Maklerpool stellt das Unternehmen Services und Versicherungsangebote bereit.
– Anfang 2020 folgte der Broker SAM aus der Schweiz, mit mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Der Fokus liegt auf Krankenversicherungen.
– In Deutschland kaufte Wefox die Berliner Firma Assona, einen Makler für Spezialversicherungen, der 2020 rund 20 Millionen Euro umsetzte.
– Mit 123versichert.de kaufte Wefox einen weiteren Versicherungsmakler aus Berlin.
– Bei dem zugekauften Anbieter Beratungswerk24 handelt es sich um ein Lead-Generierungs-Modell. Das Unternehmen verkauft die Kontakte von potentiell interessierten Kundinnen und Kunden. Konkurrent Clark hatte Finanzen.de mit einem ähnlichen Ansatz übernommen.
– Zuletzte kaufte Wefox den Makler TAF aus den Niederlanden von einem Finanzinvestor. Der Fokus liegt auf Lebensversicherungen.
Die Umsatzzuwächse lassen sich auch durch die Zukäufe erklären: „Das Geschäft von Wefox besteht hauptsächlich aus den gekauften Firmen“, sagt ein ehemaliger Manager. Diese verkaufen Policen bislang vor allem von anderen Versicherungen – ein altes Geschäft.
Der Druck steigt
Nun ist es nichts Ungewöhnliches, Wachstum durch Zukäufe anzutreiben. Das ist vor allem dann sinnvoll, wenn man zusätzlich eine überragende Idee oder Technologie hat, die die zugekauften Unternehmensteile verbindet. Bei Wefox aber steht dieser Beweis noch aus. Die Technik der Firmen laufe weitgehend unabhängig voneinander, eine Verzahnung gebe es bislang kaum, sagen mehrere Insider.
Das Unternehmen teilt mit, „eine stufenweise Integration aller Vermögenswerte, einschließlich der Migration der Technologieplattformen“ erfolge nach dem Kauf eines Vertriebs, „mit dem Ziel, die Störung des Geschäftsbetriebs zu minimieren“. In Zukunft stehe weiter der Plan, mit Technologie und der eigenen Versicherung das Geschäft mächtig anzukurbeln und die Vertriebsplattform auch für andere Unternehmen zu öffnen.
Neuheiten wie eine Reiseversicherung, die am Flughafen oder Bahnhof eines Reiselandes automatisch einen Tarif vorschlägt, wurden jedoch eingestellt. Auch das System, das Schäden mithilfe von Daten vermeiden soll, bevor sie passieren, hat eine ungewisse Zukunft. „Wir investieren nur noch in Produkte, die im ersten Jahr profitabel werden können“, sagte Gründer Teicke dem „Handelsblatt“ kürzlich – trotzdem soll der Umsatz auf 900 Millionen Dollar in diesem Jahr anwachsen. Der Druck steigt, nach neuen Deals Ausschau zu halten.
Den Autor erreicht ihr für Hinweise unter caspar.schlenk (at) financefwd.com.
Die ganze Geschichte zu Wefox’ Aufstieg und seinen Wachstumsdeals lest ihr hier auf Capital.de oder in der neuen Ausgabe von CAPITAL, die ab heute am Kiosk liegt – oder online im CAPITAL-Shop gekauft werden kann.