Wefox ist das größte deutsche Versicherungs-Startup (Bild: imago/Cord).

Eigene Versicherung wird heruntergefahren – Wefox lässt Kundenverträge auslaufen

Das milliardenschwere Insurtech Wefox fährt das eigene Versicherungsgeschäft herunter – so werden etwa Haftpflicht- und Autoversicherungen beendet. Mit dem Strategiewechsel will es Wefox schaffen, künftig profitabel zu arbeiten.

Die Mails kamen vor einigen Tagen, wie aus dem Nichts. „Hiermit möchten wir dich darüber informieren, dass deine Versicherungspolice Haftpflichtversicherung (…) nicht automatisch verlängert wird“, heißt es in den Kundenschreiben der Wefox Insurance. Finance Forward liegen mehrere der Schreiben vor. Auch auf dem Bewertungsportal Finanzfluss berichten Betroffene davon, dass Wefox zurzeit Verträge auslaufen lasse.

Ein ungewöhnlicher Vorgang, denn normalerweise verlängern sich die Verträge jedes Jahr automatisch. Ungewöhnlich zumal für das Berliner Startup Wefox, bei dem in den vergangenen Jahren die Zeichen auf starkem Kundenwachstum standen. 2017 hatte das Unternehmen extra eine eigene Versicherung gegründet und mit einer Lizenz in Liechtenstein das Geschäft in mehreren europäischen Märkten ausgerollt. Die eigene Versicherungstochter zählte lange zum Stolz von Firmengründer Julian Teicke und machte zuletzt knapp 200 Millionen Euro Umsatz. Warum trennt sich das Insurtech nun also von Kunden?

Der Gewinndruck steigt

Der wichtigste Grund: Intern steige der Druck, erstmals Profite vorzuweisen, heißt es aus dem Unternehmensumfeld. Teicke hat das Ziel bereits vor Längerem öffentlich ausgerufen. „Der klare Fokus im Jahr 2023 ist die schwarze Null“, sagte er im Handelsblatt-Interview.

Vor diesem Hintergrund hat Wefox nun offenbar die Strategie angepasst. Die Versicherung fokussiere sich auf spezielle Produkte, heißt es – zum Beispiel sogenannte Kurzabsenz-Versicherungen in der Schweiz, Kfz-Verträge in einigen Märkten sowie E-Bike-Versicherungen in Deutschland. Die speziellen Produkte in der Schweiz und die Kfz-Versicherungen machten im vergangenen Jahr einen Großteil der Versicherungsprämien aus. Doch obwohl damit die höchsten Umsätze erzielt wurden, waren einzelne Sparten darunter höchst verlustreich – das Kfz-Kasko-Geschäft etwa hatte eine Schadenquote von 172 Prozent. Ein Verlusttreiber für Wefox.

Imageschaden für das Versicherungs-Startup

Die auslaufenden Verträge von Haftpflicht-, Hausrat- und Motor-Versicherungen würden nur „etwas über zehn Prozent“ der Wefox-Policen ausmachen, betont ein Sprecher auf Nachfrage. Betroffene Kundinnen und Kunden würden mithilfe ihrer Makler neue Versicherungen erhalten. „Wir haben verschiedene Lösungen für unseren Bestand intensiv geprüft“, so der Sprecher. „Das Ergebnis ist jedoch die Entscheidung zur Nichtverlängerung.“

In den vergangenen Monaten hatten Kunden auf Bewertungsportalen und im Firmenumfeld zudem von Kündigungen berichtet. Im Unterschied zu einem auslaufenden Vertrag kann es bei einer Kündigung durch die Versicherung anschließend schwieriger sein, einen neuen Vertrag zu erhalten.

Im internen Infoportal des Maklerpools Fonds Finanz ist vor wenigen Tagen eine Meldung für Makler aufgetaucht, die Wefox-Versicherungen vermittelt haben. „Was tun, wenn wefox den Vertrag gekündigt hat, noch kündigen wird oder den Versicherungsvertrag nicht verlängert?“, heißt es dort. Durch eine Geschäftsmodell-Änderungen trete Wefox nicht mehr als Versicherer „in Erscheinung“. „Das betrifft auch alle wefox Insurance Verträge.“ In einer Schulung am 18. Oktober soll nun über die weiteren Optionen für Makler informiert werden. Pikantes Detail: Die Schulung hält Sebastian Frieden, der gerade von Wefox zu Fonds Finanz gewechselt ist.

Das Unternehmen bestreitet allerdings, dass es mehr Verträge als üblich gekündigt worden seien. „Es hat einzelvertragliche Kündigungen gegeben, die sich jedoch im branchenüblichen Rahmen bewegen“, so der Sprecher. „Sie sind Teil des Portfoliomanagements.“ Dazu könnten Kunden zählen, die nicht fristgerecht bezahlen hätten oder „durch eine überdurchschnittlich hohe Anzahl an Schadensfällen aufgefallen“ seien. Fehlerhafte Kündigungen in den vergangenen Monaten habe das Unternehmen zudem wieder zurückgenommen, heißt es aus dem Firmenumfeld. Ob ausgelaufene oder gekündigte Verträge – dem Image von Wefox haben die Schritte jedenfalls geschadet.

Innovationen werden zurückgefahren

Parallel hat Wefox einen sogenannten Assekuradeur gestartet. Dabei vermittelt man als Unternehmen Versicherungen von anderen Anbietern – und übernimmt Teile der Abwicklung und Kundenkommunikation. Über diesen Strategieschwenk hatte das Unternehmen bereits in einer Pressemitteilung informiert.

Es handelt sich dabei um einen Schritt in Richtung klassischer Versicherungsbranche. Schon Ende 2022 hatte Teicke in einem Handelsblatt-Interview verkündet: „Investitionen in Innovationen, die sich erst in der Zukunft auszahlen, haben wir deutlich zurückgefahren.“ Wefox investiere „nur noch in Produkte, die im ersten Jahr profitabel werden können“. Unter diesen Vorzeichen dürfte auch das Zurückfahren der Wefox-Insurance zu sehen sein.

Einen ausführlichen Bericht über die fragwürdigen Wachstumsmethoden von Wefox ist Anfang des Jahres bei Finance Forward und Capital erschienen. Hinweis: Eine Detail zur Abstimmung mit den Maklern wurde nachträglich angepasst.