Millionencoup in Berlin: Luxusuhren-Diebe zu Haftstrafe verurteilt
Im November 2022 räumen Diebe eine Tresoranlage aus, in der sich der Luxusuhren-Händler Watchmaster eingemietet hatte. Gesamtschaden: gut 18 Millionen Euro. In Berlin ist nun das Urteil gegen die Drahtzieher gefallen.
Es ist der letzte Prozesstag im holzgetäfelten Hochsicherheitssaal 500 des Kriminalgerichts Moabit. Über 39 Verhandlungstage hatte das Berliner Landgericht versucht, den spektakulären Millionencoup im Berliner „Hauptstadt-Tresor“ aufzuklären.
Einbrecher hatten dort im November 2022 hunderte Luxusuhren, Gold, Juwelen und weitere Gegenstände im Wert von 17,6 Millionen Euro gestohlen. Das Merkwürdige dabei: Sie kamen mit Schlüssel.
Am Donnerstagnachmittag fiel nun das Urteil gegen die Diebesbande: Das Gericht sprach vier der fünf Angeklagten wegen Diebstahls mit Waffen schuldig.
Neun Jahre Haft für Haupttäter
Es verhängte Haftstrafen in Höhe von neun Jahren für Muhammet H. („der steuernde Hintermann“), vier Jahre und vier Monate für Mahmoud M. ( „Beihilfe zum Diebstahl“), sieben Jahre und vier Monate für Kenan S. (weil er den Einbruch als Handlanger durchführte) sowie drei Jahre und sechs Monate für den Betreiber der Tresoranlage, Thomas S. („Ohne ihn wäre es nicht gegangen“).
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sie die Tat gemeinsam vorbereitet hatten. Muhammet H. und Kenan S. müssen sich zudem wegen versuchter Brandstiftung zur Verschleierung der Spuren verantworten. Der fünfte Angeklagte, Bilall M., wurde aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Alle vier Verurteilten hatten zuvor Geständnisse abgelegt. Das Gericht wertet dies als strafmildernd – auch wenn sich die Aussagen in Teilen widersprachen.
Gleichzeitig rechnete es strafverschärfend an, dass die Täter neben dem wirtschaftlichen Schaden auch bewusst einen psychologischen Schaden bei den bestohlenen Opfern in Kauf genommen hätten. „Die Familienerbstücke und Erinnerungen, die zusätzlich weggekommen sind, sind einfach nicht mehr zurückzubringen“, sagte der Vorsitzende Richter Michael Mattern bei der Urteilsverkündung.
Schaden von 17,6 Millionen Euro
Den Wert der Beute von ursprünglich angepeilten 49 Millionen Euro hatte das Gericht auf 17,6 Millionen Euro herunter korrigiert. Grund ist ein sogenannter Sicherheitsabschlag: Man habe nicht bei allen gestohlenen gemeldeten Schmuckstücken feststellen können, wie viel sie wirklich wert waren und ob sie überhaupt zum Tatzeitpunkt im Tresor lagen. Gegen das Urteil kann innerhalb von vier Wochen Revision eingelegt werden, es ist daher noch nicht rechtskräftig.
Eine Diebesbande hatte am 19. November 2022 eine private Tresoranlage im Herzen von Berlin ausgeräumt, am helllichten Tag und offenbar völlig ungestört. Die Beute: 996 Luxusuhren im Wert von zehn Millionen Euro des Online-Uhrenhändlers Watchmaster sowie Schmuck, Diamanten, Gold, Silber und Wertpapiere anderer Schließfachmieter. Das Start-up ging daraufhin pleite.
Überwachungsvideos vom Tatort in der Nähe der Berliner Edel-Shoppingmeile Kurfürstendamm dokumentierten, dass die Täter offenbar mit Insiderwissen vorgingen: An einem Samstag um 7.13 Uhr gelangten zwei Männer in dunkler Wachschutzuniform unbemerkt über die Tiefgarage in die Räume des sogenannten „Hauptstadt-Tresor“. Mit einem Sicherheitscode öffneten sie zunächst die 45 Zentimeter dicke, gepanzerte Tresortür. Dann entriegelten sie mit einem Transponder eine weitere Tür zur gut 200 Quadratmeter großen Schließfachanlage und besprühten dort die Überwachungskameras mit schwarzer Farbe.
Was dann folgte, muss Schwerstarbeit gewesen sein: Fast zwölf Stunden lang brachen sie mit zwei weiteren Komplizen 295 Schließfächer auf und fuhren die Beute in aller Ruhe vom Tatort – die Alarmanlage war ausgerechnet an jenem Tag ausgeschaltet. Dann legten sie mit Benzin und Autoreifen Feuer, wohl um Spuren zu verwischen. Über den Coup und den anschließenden Prozess hatte Capital zuvor ausführlich berichtet.
Tresor-Chef gestand Mithilfe
Die Staatsanwaltschaft kam den Uhrendieben erst durch einen geständigen Mittäter auf die Spur: Kronzeuge Thomas S., 53, ein augenscheinlich biederer Unternehmer vom Bodensee, der den „Hauptstadt-Tresor“ als Geschäftsführer betrieb. Sein Werbeslogan: „Seriös. Sicher. Diskret“. Tatsächlich scheint eher das Gegenteil der Fall zu sein: S. hatte bei der Polizei ausgepackt und sich selbst sowie vier Mitangeklagte schwer belastet. Auf seiner Aussage beruhten weite Teile der Anklage wegen besonders schweren Diebstahls mit Brandstiftung.
Es sei ein Inside-Job gewesen, behauptete Tresor-Chef S.. Er habe Schulden bei Mitgliedern einer arabischen Großfamilie angehäuft und den Einbruch ermöglicht, um diese zu begleichen. Neben Thomas S. saßen am Donnerstag deshalb noch die vier weiteren Männer auf der Anklagebank: Mahmoud M. und Muhammet H., die den Einbruch im Hintergrund geplant haben sollen, sowie Kenan S., der auf einem Überwachungsbild aus der Tresoranlage mit drei unbekannten Mittätern identifiziert wurde. Bilall M., den die Staatsanwaltschaft als Drahtzieher angeklagt hatte, plädierte im Prozess erfolgreich auf Freispruch.
Zweifel an Glaubwürdigkeit
Wer der eigentliche Drahtzieher ist, konnte das Gericht jedoch nicht eindeutig klären. Beide Seiten – also Tresorchef Thomas S. und die mutmaßlichen Clan-Männer – beschuldigten die jeweils andere, den Vorschlag für den Einbruch unterbreitet zu haben. Beide Seiten lieferten zudem Anknüpfungspunkte, um an ihrer Glaubwürdigkeit zu zweifeln.
Mit dem Urteil ist der Alptraum für das beklaute Uhren-Start-up Watchmaster sowie dessen Kunden und die anderen betroffenen Schließfachbesitzer jedoch noch nicht zu Ende: Die zuständige Versicherung weigert sich bis heute, den Schaden zu regulieren.
Die Betroffenen warten daher noch immer auf eine Entschädigung. Ihre Luxusuhren und andere Wertgegenstände werden sie wohl nicht mehr sehen: Die Beute ist bis heute verschwunden.
Dieser Text erschien zuerst auf Capital.de