Zwei der drei Gründer von Tornado Cash befinden sich in Haft (Bild: IMAGO / ZUMA Press Wire)

Tornado Cash: Wurde die Geldwäsche-Maschinerie zu Unrecht sanktioniert?

Sanktionen gegen Code: Die US-Behörden scheiterten in einem beispiellosen Verfahren, das Krypto-Netzwerk Tornado Cash zu stoppen. Das Urteil könnte nun weitreichende Folgen für die gesamte Krypto-Industrie haben.

Donald Trump verlor nach seinem zweiten Amtsantritt keine Zeit, seine Ankündigung, die USA zur „Kryptohauptstadt des Planeten“ zu machen, umzusetzen. Bereits in seiner ersten Woche im Amt als US-Präsident lockerte er Regeln zur Kryptoregulierung, setzte innerhalb der Regulierungsbehörde SEC eine neue Krypto-Task-Force ein und besetzte zentrale Positionen seines Kabinetts mit kryptofreundlichen Personalien. Für Aufsehen sorget er daneben mit der Begnadigung von Ross Ulbricht, Gründer des verbotenen Internetmarktplatzes Silk-Road. Der verbüßte seit 2015 eine lebenslange Haftstrafe ohne Bewährung, nachdem er unter anderem wegen Drogenhandels, Geldwäsche und Verschwörung zum Hacken verurteilt worden war.

Deutlich weniger wurde dagegen über einen ganz anderen Gerichtsprozess in der Kryptowelt gesprochen – obwohl seine Folgen für die Szene viel größer ausfallen dürften. Es geht um den Fall Tornado Cash, ein Krypto-Netzwerk, mit dem Milliarden Dollar Geld gewaschen wurden. Das Urteil in der Causa dürfte für die gesamte Branche richtungsweisend sein.

Sieben Milliarden Dollar Geldwäsche

Tornado Cash ist einer der bekanntesten sogenannten Krypto-Mixer, also ein Tool, um anonym Kryptowährungen zu verschicken. Das funktioniert grob gesagt so: Halten Nutzerinnen und Nutzer einen Ether-Coin, können sie diesen an den Etherpool von Tornado Cash schicken. Danach erhalten sie ein Passwort vom Anbieter. Und damit können sie den Ether-Coin aus dem Etherpool auf eine ganz andere Krypto-Wallet schicken. Wenn genug Leute am Prozess teilnehmen, kann man die Verbindung zwischen der ersten und der zweiten Wallet am Ende nicht mehr nachvollziehen. So kann man also ganz anonym Geld verschicken – oder auch Geld waschen.

Laut der US-Kontrollbehörde Office of Foreign Assets Control (OFAC), die dem Finanzministerium untersteht, wurden zwischen dem Tornado-Cash-Start 2019 und August 2022 rund sieben Milliarden Dollar mit Tornado Cash gewaschen. Allein 455 Millionen Dollar sollen von der nordkoreanischen Hacker-Gruppe Lazarus gestammt haben.

Deshalb hat das OFAC 2022 Sanktionen gegen Tornado Cash verhängt. Seitdem darf man das Protokoll als US-Amerikaner nicht mehr legal nutzen. Genutzt wird es zwar immer noch – allerdings fließt heute deutlich weniger Geld durch das System von Tornado Cash.

Coinbase finanziert Klage gegen US-Kontrollbehörde

Entsprechend ist auch der Gesamtwert der Tornado-Cash-Coins von 45 Millionen Dollar am Tag des Urteils auf nur noch 13 Millionen Dollar am 25. November 2024 gefallen.

Eine Gruppe von Nutzern möchte sich dem allerdings widersetzen: Sechs von ihnen klagten kurz nach Start der Sanktionen gegen das OFAC. Finanziert wurde der Prozess unter anderem von der Kryptobörse Coinbase. Auch Coinbase-Mitarbeiter befanden sich unter den Klägern.

Sie argumentierten einerseits, dass sie Tornado Cash für gute Zwecke genutzt hätten. Ein Kläger, Tyler Almeida, habe damit anonym an die Ukraine gespendet, weil er Angst hatte, sonst ins Visier russischer Hacker zu geraten. Ein Weiterer, Kevin Vitale, habe Tornado Cash genutzt, weil er herausgefunden hat, dass jemand über seine Krypto-Aktivitäten seinen genauen Wohnsitz herausgefunden hat. Davor habe er sich schützen wollen.

Außerdem führten sie an, dass Tornado Cash weder Eigentum einer ausländischen Person oder Firma sei, noch von einer solchen kontrolliert werde. Damit habe die OFAC kein Recht, Sanktionen gegen Tornado Cash zu verhängen.

Nachdem der United States District Court for the Western District of Texas die Klage ablehnte, wurde der Prozess an das Bundesberufungsgericht übergeben. Dort hatte die Gruppe Erfolg: Das Gericht gab ihr am 26. November recht. Da Tornado Cash kein Eigentum im rechtlichen Sinne darstelle, habe das OFAC auch nicht das Recht, Sanktionen zu verhängen.

Nach dem Urteil stieg der Gesamtwert von Tornado Cash auf über 75 Millionen – verfünffachte sich also grob. Danach schwankte er weiter, sackte zeitweise auf 30 Millionen Dollar ab, bevor er am 22. Januar wieder auf 75 Millionen Dollar stieg.

Präzedenzfall für Krypto-Regulierung

Wie es nach dem Urteil weitergeht, ist in den Krypto-Medien nur schwer nachvollziehbar. Laut Peter Van Valkenburgh vom Lobbyverband Coin Center hat das Bundesberufungsgericht sein Urteil am 21. Januar offiziell an den District Court in Texas weitergegeben, das nun entscheiden muss, wie es die sechs Kläger entschädigt.

Ein möglicher Weg könnte laut Van Valkenburgh sein, nur den sechs Klägern die Nutzung von Tornado Cash zu erlauben. Denkbar wäre aber ebenso, dass das Gericht wieder allen US-Amerikanern erlaubt, Tornado Cash sanktionsfrei zu nutzen.

Potenziell also gut Nachrichten für das Netzwerk. Ob sich das finale Urteil des Gerichts dann wieder so stark auf den gleichnamigen Coin auswirkt, ist aber offen. Denn der Tornado-Coin profitiert nicht direkt davon, wenn viel Geld durch das System fließt. Es gibt also keinen direkten Cashflow für Investoren. Allerdings können Tornado-Cash-Investoren teilweise über die Entwicklung des gesamten Projekts mitbestimmen. Außerdem funktioniert die Kryptowelt oft nach Regeln der Aufmerksamkeitsökonomie: Wenn ein Protokoll wie Tornado Cash viel genutzt und besprochen wird, ist das tendenziell vorteilhaft für den Preis der Währung.

Gleichzeitig dürfte das Gerichtsurteil für die gesamte Branche wegweisend sein. Es stellt einen wichtigen Präzedenzfall für die rechtliche Einordnung sogennanter Smart Contracts dar – also digitaler, selbstausführender Verträge, die auf Blockchain-Technologie basieren. Sie sind ein fundamentales Element der Blockchain-Technologie und ermöglichen dezentrale Anwendungen wie Tornado Cash. Dass sie im rechtlichen Sinne nicht als Eigentum angesehen werden, stellt nun regulatorische Grenzen in Frage und dürfte die Behörden vor neue Herausforderungen stellen.

Für die Gründer von Tornado Cash – Roman Semenov, Alexey Pertsev, und Roman Storm – gab es unterdessen keine positiven Entwicklungen. Storms Prozess startet am 14. April. Laut Anklage hat er Geldwäsche ermöglicht, einen unlizensierten Geldtransferdienst betrieben und Sanktionen verletzt. Im Falle eines Schuldspruchs drohen ihm bis zu 45 Jahre in Haft. Sein Mitgründer Pertsev befindet sich aktuell in den Niederlanden in Haft. Semenov befindet sich Medienberichten zufolge auf freiem Fuß, er wird in Dubai vermutet.