Die Bafin hat ihren Sitz in Bonn (Bild: imago/Hannelore Förster)

Venture Capital für Kleinanleger – neues Fintech-Modell steht vor dem Aus

Mehrere Finanz-Startups sind in den vergangenen Jahren angetreten, um hürdenreiche Anlageklassen wie Wagniskapital für Kleinanleger zugänglich zu machen. Doch die Bafin störte sich daran. Nachdem das Fintech Econos dichtgemacht hat, suchen Anbieter wie Tokenstreet oder Finexity nach weiteren Geschäftsmodellen.

Die Versprechen waren groß. Wer sich bereits an Aktien und ETF-Sparpläne rangetraut hatte, sollte nun Zugang zu den wirklich lukrativen Deals bekommen. Venture Capital, aber für Kleinanleger – mit der Idee sind Fintechs wie Tokenstreet, Econos und Inventure an den Start gegangen. „Warum kann man zwar innerhalb von zehn Minuten ein Trading-Konto anlegen, aber nicht in Venture-Capital-Fonds investieren?“, sagte Lennard Fischer, einer der Gründer von Inventure.

Mit einer Einstiegshürde von 100 oder 1.000 Euro in die großen VC-Fonds reinkommen – dabei sei eine Zielrendite von 15 bis 25 Prozent pro Jahr möglich, warb etwa Tokenstreet. Doch die neuen Anbieter hatten die Rechnung ohne die Finanzaufsicht Bafin gemacht.

Sie untersagte dem Münchner Startup Econos im Dezember, eines seiner Investment-Produkte zu vertreiben und begründete es mit „erheblichen Bedenken für den Anlegerschutz“ (Finance Forward berichtete). Das Startup machte in der Folge dicht. Die anderen Fintechs ließen ihre vergleichbaren Angebote ruhen – jetzt wagen Tokenstreet und Finexity den Pivot.

Woran sich die Bafin wirklich stört

Die Kleinanlegerinnen und Kleinanleger investieren bei den tokenisierten Anteilen nicht direkt in die Fonds, sondern steigen per Schuldverschreibung bei einem sogenannten SPV (Special Purpose Vehicle) ein, über das die Investments in die Fonds gebündelt werden. Nach Informationen von Finance Forward stört sich die Bafin nicht explizit an dem Produkt von Econos, sondern generell daran, dass dieses Konstrukt am Markt existiert.

Nach dem Kapitalanlagegesetzbuch sind sogenannte Spezial-AIFs professionellen und semi-professionellen Marktteilnehmern vorbehalten. Dass Kleinanleger auf diesem Weg in Venture Capital investieren, auch indirekt über tokenisierte Schuldverschreibungen, will die Bafin also offenbar unterbinden. Privatpersonen würden in aller Regel nicht über genügend Erfahrung und Fachwissen verfügen, um die Risikodisposition dieser Anlageklasse einschätzen zu können, so die Befürchtung des Gesetzgebers.

Nach dem öffentlichen Vertriebs-Verbot für Econos nahm auch die Effecta GmbH, das Bafin-lizensierte Haftungsdach für tokenisierte Emissionen, sämtliche Finanzprodukte aus dem aktiven Vertrieb, die eine ähnliche Struktur besitzen, also auch bei Tokenstreet und Co. Das Unternehmen steht hinter fast allen Anbietern dieser Produkte in Deutschland.

Theoretisch hätte die Bafin nach ihrem Verbot die Anbieter auffordern können, die bereits getätigten Investments rückgängig zu machen. Das hat sie nach Information von Finance Forward allerdings nicht getan. Stattdessen übt sie sich gegenüber den Startups in knapper Kommunikation, sagen mehrere Insider. Klare Ansagen von der Aufsichtsbehörde, was nach dem Econos-Verbot möglich ist, vermissen die Startups demnach. Trotzdem haben sie einiges angepasst.

Econos: Gründungsteam ist raus, Webseite verschwunden

Die Webseite von Econos ist bereits nicht mehr erreichbar. „Es werden in jedem einzelnen Fall die vollen Investitionssummen sowie möglicherweise angefallene Zinsen zurückgezahlt“, teilte das Unternehmen mit. Das Gründerteam um Theresa Hauck ist bereits nicht mehr als Geschäftsführerin im Handelsregister geführt, stattdessen hat nun Jan Krüger übernommen, er ist Partner bei Pelion Green Future, einem Investmentarm von Alexander Samwer.

Der verbotene Fonds habe lediglich fünf Prozent des gesamten verwalteten Vermögens von Econos ausgemacht, sagt ein Insider. Nach Darstellung aus Branchenkreisen hätte dieser kleine Teil gereicht, dass die Bafin das Unternehmen öffentlich an den Pranger stellte.

Bei Inventure sind die VC-Produkte noch auf der Seite zu finden, allerdings lediglich mit einer Warteliste. Eine Anfrage von Finance Forward ließ das Unternehmen unbeantwortet.

Tokenstreet setzt auf Fondsmanager

Auch Tokenstreet hat aus dem Bafin-Verbot gegen Econos seine Konsequenzen gezogen. Der erste Fonds, mit dem es sich bei Earlybird und IQ Capital beteiligt hatte, wurde planmäßig Ende des Jahres geschlossen. Seitdem hat der Anbieter kein weiteres Produkt an Privatanlegende gestartet.

Stattdessen will das Startup nun seine Technologie Fondsmanagern als Whitelabel-Lösung bereitstellen. „Beispielsweise Family Offices haben nach wie vor Schwierigkeiten, eine gewisse digitale Struktur in ihre Aktivitäten zu bekommen“, ließ sich Mitgründer Vincent Amm in einer Pressemitteilung zitieren. Tokenstreet ändere dies: „Investoren sehen in unserem individuell angelegten Dashboard Investitionsmöglichkeiten und können entscheiden – die regulatorische Hülle und die Abwicklung im Hintergrund kommt von uns.“

Große Pläne in Hamburg: Finexity geht auf professionelle Anleger

Finexity hatte zwar kein Venture Capital im Portfolio, im August 2022 kündigte es allerdings Private-Equity-Investments ab 500 Euro an. Auch in der App war bei Redaktionsschluss die Kategorie noch zu finden. Das Fintech bietet ansonsten Zugang zu Anlageprodukten wie Immobilien, Weinen, Kunst oder Oldtimern.

Nach dem der Fall um Econos bekannt wurde, vollzog auch das Hamburger Startup einen Strategieschwenk. „Wir gehen davon aus, dass sich Private-Equity-Produkte auf Basis tokenisierter Schuldverschreibungen ausschließlich an professionelle Anleger richten dürfen, deren Professionalität im Sinne des Wertpapierinstitutsgesetz nachgewiesen sein muss“, teilt ein Sprecher auf Anfrage mit. Das Kerngeschäft von Finexity – tokenisierte Assets wie Immobilien, Weine, Kunst oder Autos – bleiben von dem Bafin-Verbot unberührt.

Das Unternehmen arbeitet im Hintergrund nun aber an einem neuen Private-Equity-Produkt – ein Gegenmodell zu dem früheren Finexity-Claim, eine exklusive Assetklasse demokratisieren zu wollen: „In Zeiten, in denen die besten Manager weiterhin gut an Kapital kommen und die Minimumbeteiligungen oftmals bei fünf bis zehn Millionen Euro liegen, fokussieren wir uns deshalb auf professionelle Anleger und geeignete Gegenparteien, die diese hohen Einstiegshürden stemmen können.“ Mehr wolle Finexity dazu aktuell aber nicht verraten.

Der Zugang zu den lukrativen Deals bleibt am Ende also doch eher wohlhabenden Menschen vorbehalten. Für professionelle Investorinnen und Investoren liegen die Hürden bei 100.000 Euro oder sogar 200.000 Euro. Ein Markt, in dem Fintechs wie Moonfare und Liqid sich etabliert haben. Für Kleinanleger bleibt der Markt erst einmal weiter verschlossen.

Disclaimer: Der Artikel wurde nach Veröffentlichung um eine Konkretisierung zum Geschäftsmodell von Finexity ergänzt.