Fintech-Neustart nach Beraterkarriere: Was hat Niclas Storz vor?
Mit Tidely plant der ehemalige BCG-Partner Niclas Storz, eine neuartige Finanzsoftware für kleine und mittlere Unternehmen zu etablieren. Neue Millionen und eine Partnerschaft mit Banxware sollen dabei helfen.
Niclas Storz hat seine erste Karriere bereits hinter sich: 25 Jahre lang beriet er für die Boston Consulting Group andere Firmen. In leitender Position war er beispielsweise im Hintergrund bei der Fusion zwischen Deutsche Bank und Postbank beteiligt. Doch nun – mit Anfang 50 – hat Storz den Neuanfang gewagt und ein Finanz-Startup gegründet. Im Karrierenetzwerk Linkedin steht noch seine Beraterjob, doch seit Anfang 2021 arbeitet Storz an der Finanzsoftware Tidely.
Wie bei vielen erfolgreichen Fintechs liegt der Fokus auf kleinen und mittleren Unternehmen, Banking-Anbieter wie Qonto oder Zahlungsdienstleister wie Mollie sind in diesem Marktsegment gestartet. Die Software von Tidely analysiert dabei die Geldflüsse der Firmen. Sein größter Konkurrent sei Microsofts Excel, sagt Gründer Niclas Storz. Doch allein ist die Firma in dem Markt schon länger nicht mehr: Startups wie Agicap, Commitly oder Board arbeiten seit einigen Jahren an ähnlichen Tools.
Angriff auf die Konkurrenz
Genau wie Agicap führt auch Tidely verschiedene Datenquellen von Bankkonten oder Buchhaltungs-Tools zusammen. Dabei ersetzen sie bei vielen ihrer Kunden die aufwändige Arbeit mit Excel. Das bedeutet auch, dass Agicap und Tidely gemeinsam einen sehr großen Markt potenzieller Unternehmenskunden ansprechen und sich die einzelnen Kunden nicht streitig machen müssten. „Wir sehen in Europa einen Gesamtmarkt von 25 Millionen Unternehmenskunden“, sagt Storz. Tidely hat bei Google auf den Begriff „Agicap“ trotzdem bereits eine große Anzeige geschaltet. Wer den Marktführer sucht, der findet Tidely.
Mit einer Künstlichen Intelligenz (KI) könne Tidely aus den Daten seiner Kunden Prognosen über das verfügbare Kapital für die kommenden Tage, Wochen oder Jahre aufzustellen, lautet das Versprechen des Gründers. Dabei habe es neben einer eingekauften KI auch eine eigene entwickelt, die den Unternehmenskunden Handlungsempfehlungen gebe. „Sie kriegen dann in etwa Szenario-Analysen angezeigt, wie andere Kunden mit den gleichen Liquiditätsmerkmalen bestimmte Probleme gelöst haben – und wie das funktioniert“, sagt der Ex-Berater. Das Vorbild sei dabei der Tech-Konzern Apple. „Unsere Software soll einfach zu bedienen sein für Kunden, die nicht viel konfigurieren wollen.“ Das bedeutet: Simples Design, zugänglich und intuitiv benutzbar.
Embedded-Finance-Feature in der Software
Die Kunden zahlen für die Software eine Gebühr zwischen 69 und 349 Euro im Monat, das soll allerdings langfristig nur 40 Prozent des Umsatzes ausmachen. Das Startup plant über weitere Produkte wie Factoring, Versicherungen oder einer neuen Partnerschaft mit Banxware, den Großteil des Umsatzes pro Kunden zu erzielen. Mit Banxware integriert es eine Embedded-Finance-Lösung für Finanzierungen, die Kunden können bei einem Engpass schnell Geld erhalten, das sie beispielsweise mit ihren Einnahmen zurückzahlen können.
Die Kunden kommen meist dem Online-Handel, ein erster prominenter Name ist der Tiernahrungshändler Fressnapf. Insgesamt führt Tidely derzeit rund 500 Unternehmenskunden aus Deutschland und Österreich, Ende des Jahres sei eine Expansion in nordeuropäische Länder und die Niederlande denkbar, heißt es. Das Fintech beschäftigt 22 Mitarbeiter und 22 Freelancer, sagt Storz.
Anfang 2024 plant das Unternehmen ein größeres Funding
Für das weitere Wachstum erhält das Fintech nun 3,5 Millionen Euro von TX Ventures und Bayern Kapital, wie das Unternehmen mitteilt. Doch das soll nur ein Zwischenschritt sein. Für Anfang 2024 plant das Unternehmen sein erstes größeres Funding. In einem Jahr wird sich dann zeigen, wie die Geldgeber die Position von Tidely im Markt bewerten. Die Buzzwords „Software-as-a-Service“, „Embedded Finance“ und Künstliche Intelligenz sind weiter angesagt – und Tidely kann damit aufwarten.