Mit einer Blockchain und einer Kryptowährung wollte Telegram seine Nutzer endlich monetarisieren können (Bild: NeONBRAND/Unsplash)

Telegram bietet seinen Investoren an, 1,2 Milliarden zurückzuzahlen – wie geht es weiter?

Die US-Finanzaufsicht hatte Telegram nach dem Milliarden-ICO zunächst untersagt, eine Kryptowährung auszugeben. Jetzt können Telegram-Investoren einen großen Teil ihres Investments zurückbekommen – oder in einem Jahr 110 Prozent des investierten Geldes.

400 Millionen Menschen überall auf der Welt verwenden Telegram jeden Monat. Doch der Messengerdienst verdient mit ihnen kein Geld, er wird hauptsächlich vom Privatvermögen der Gründer Nikolai und Pavel Durov aufrechterhalten. Aus diesem Grund plante das Unternehmen 2018 eine Blockchain, auf der die eigene Kryptowährung Gram laufen soll.

Für die Entwicklung des Telegram Open Networks (TON) sammelte das Unternehmen von privaten Investoren in einem geschlossenen ICO 1,7 Milliarden Dollar ein. Das Unternehmen hat seine Anleger selbst ausgewählt, unter den etwa 100 Geldgebern befinden sich einige der bekanntesten Wagniskapitalgeber der Welt, darunter Kleiner Perkins, Lightspeed, Benchmark und Sequoia.

Zwei Jahre später sind die Token immer noch nicht ausgezahlt, eine Deadline im vergangenen Oktober konnte Telegram nicht einhalten. Es bat die Investoren um Aufschub bis zum 30. April 2020. Hintergrund ist ein Streit mit der US-Finanzaufsicht SEC, der immer noch nicht gelöst ist. Deshalb verschiebt Telegram den Launch der Blockchain jetzt um ein weiteres Jahr auf den 30. April 2021 – und bietet den Investoren an, 72 Prozent ihres Geldes zurückzuzahlen. Doch es gibt eine Alternative, die möglicherweise lukrativ werden könnte.

Investoren können Telegram ihr Geld leihen

Denn Investoren, die weiter an die Pläne von Telegram glauben, können dem Unternehmen ihre Investition bis zum Launch leihen. „Als Zeichen des Dankes für das Vertrauen in TON bieten wir eine alternative Option an: 110 Prozent der ursprünglichen Investition bis zum 30. April 2021 zu erhalten“, zitiert Coindesk aus einem Brief an Investoren. In dem Zeitraum wolle Telegram die Diskussion mit den zuständigen Behörden weiterführen.

Um dann wirklich die Blockchain launchen zu können, muss Telegram bis dahin jedoch einen überzeugenden Ausweg finden. Bereits im ersten Quartal 2019 wollte Telegram liefern, so lautete das Versprechen.

Im Konflikt mit der Finanzaufsicht geht es um die Frage, was die Gram-Token eigentlich genau sind. Die SEC hält daran fest, dass es sich um Securities – also Wertpapiere – handle. In dem Fall würden sie in den Zuständigkeitsbereich der US-Behörde fallen. Telegram sieht das jedoch anders: Das Einzige, was der Messenger liefere, sei die Infrastruktur der Blockchain. Demnach handele es sich um einen sogenannten Utility Token, nicht um Securities. Eine Einigung mit der SEC ist theoretisch möglich, jedoch aufgrund der Komplexität des langen Rechtsstreits unwahrscheinlich. (Die Hintergründe des Streits haben wir vor einigen Wochen auf Finance Forward erklärt.)

Telegram hat jedoch die Möglichkeit, einen Weg einzuschlagen, den viele große Blockchain-Projekte schon hinter sich haben: Ethereum, Libra oder Tezos – sie alle haben die Kontrolle ihrer Blockchain vom Ursprungsunternehmen an eine Stiftung ausgelagert. Denn nach den Regeln der SEC wären Grams bei einer strikten Trennung zwischen der Chefetage von Telegram und der Kontrolle über die Token keine Wertpapiere mehr. Die Stiftung könnte dann die Token auszahlen.

Stimmung unter TON-Investoren positiv

Entgegen der Ankündigung von Durov hatte Telegram im Januar angekündigt, das TON-Wallet zum Launch doch nicht in den Telegram-Messenger zu integrieren. Telegram hofft offenbar, dass dem Unternehmen so keine Kontrolle mehr über die Blockchain oder die Kryptowährung nachgesagt werden kann. Dann wäre die Argumentation, Grams seien keine Wertpapiere, glaubhafter – ähnlich ist es auch bei der Auslagerung der TON-Blockchain in eine Stiftung. Telegram war auf Anfrage von Finance Forward nicht erreichbar.

Die Stimmung der Geldgeber gegenüber Telegram sei grundsätzlich positiv, heißt es aus dem Investorenumfeld. Die Verzögerung sei fremdverschuldet und da es bereits konkrete Lösungsansätze gebe, würden viele Investoren weiterhin an das Projekt glauben. Die Idee, Telegram das Geld leihen zu können, statt sich 72 Prozent auszahlen zu lassen, sei clever, sagte ein Investor zu Finance Forward.

Auch Sergey Solonin, dessen Firma QIWI 17 Millionen Dollar investiert hatte, hält den Deal für eine gute Nachricht für Investoren. „Die Bedingungen sind wirklich gut, ich denke, viele Investoren werden sich dafür entscheiden, ihr Geld in Telegram zu behalten“, sagte er zu Coindesk. Im Zweifel werde der Messenger einen Investor finden, der die Käufer auszahlen würde, ist sich Solonin sicher.

Bereits zum Aufschub der Frist von Oktober gab es von den Geldgebern eine hohe Zustimmungsrate für Telegram, wie Finance Forward erfuhr. Doch die Situation ist aktuell eine andere. Aufgrund der Coronakrise könnten sich einige Investoren auch lieber auszahlen lassen wollen. Mindestens zehn Geldgeber, mit denen er gesprochen habe, seien geneigt, sich ihre 72 Prozent auszahlen zu lassen, sagte Yakov Barinsky von der russischen Krypto-Investmentfirma Hash CIB Ende März der russischen Nachrichtenagentur Tass. Das war jedoch noch vor dem neuen Angebot von Telegram.