Die dreisten Lockangebote der Banken beim Tagesgeld
Wer sein Geld gut verzinst auf einem Tagesgeldkonto anlegen will, kann sich vor Angeboten kaum retten. Doch bei genauem Hinsehen entpuppen sich viele Zinsversprechen als fragwürdig. Besonders dreist agiert aktuell das Berliner Fintech Vivid.
Wenn eine Fintech-Neukundenaktion auf dem Schnäppchenportal Mydealz landet, ist Aufmerksamkeit garantiert. Meist locken hochattraktive Konditionen, doch mitunter steckt der Teufel im Kleingedruckten. Kurz: Der Deal ist zu gut, um wahr zu sein.
So verhält es sich auch mit dem Angebot der Neobank Vivid. Das Berliner Fintech verspricht Kunden derzeit fünf Prozent Zinsen auf Spareinlagen, ein augenscheinlich fast konkurrenzlos gutes Angebot. Schließlich zahlen viele Banken laut einer Analyse des Vergleichsportals Verivox entweder gar keine oder allenfalls Niedrigzinsen von unter einem bis zwei Prozent. Der Leitzins der Europäischen Zentralbank liegt mit 4,25 Prozent sogar deutlich unter der Vivid-Offerte.
Konditionen sind an Abo gebunden
Dazu kommt: Laut Angaben auf der Vivid-Homepage sind Anlagen auf dem Zinskonto lediglich bis zu einem Betrag von 20.000 Euro geschützt. Die übliche Einlagensicherung bis 100.000 Euro greift bei dem Fintech also offensichtlich nicht.
Dem widerspricht ein Vivid-Sprecher zwar auf Nachfrage: Da Vivid rechtlich gesehen keine Bank sei, würden die Kundengelder über eine niederländische Gesellschaft in fest verzinste Geldmarktfonds investiert. Im Insolvenzfall seien die Anteile als Sondervermögen in unbegrenzter Höhe abgesichert. Lediglich beim Transfer gelte das Limit von 20.000 Euro. Dennoch: Nach einem Top-Deal klingt das insgesamt nicht mehr, wie auch der Mydealz-Nutzer feststellt.
Viele Zinsköder bei Banken
Das Angebot spiegelt die gegenwärtige Situation im Finanzmarkt wider. Die Zinswende liegt schon fast zwei Jahre zurück, in wenigen Tagen könnte die Zentralbank die Zinsen sogar wieder senken. Doch viele Banken versuchen bis heute mit Lockangeboten an neue Kunden zu gelangen. Ihre Angebote haben eines gemeinsam: Die Zinsen sind auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt, meist auf wenige Monate – danach fällt die Verzinsung stark ab.
Der tatsächliche Jahreszins ist dagegen in einigen Übersichten der Tagesgelder oder Werbungen nicht enthalten. Dabei ist der entscheidend: Eine Auswertung des Vergleichsportals Weltsparen zeigte bereits im vergangenen Jahr, dass Kunden bei einer Anlagesumme von 10.000 Euro teilweise bis zu 195 Euro im Jahr weniger bekommen, wenn sie ein Lockangebot wählen und nicht rechtzeitig wechseln.
Daran hat sich bis heute wenig geändert, wie nicht nur das Beispiel Vivid zeigt. Nach einer Auswertung von Finance Forward (Tabelle) bieten viele Geldhäuser zwar teils noch einmal höhere Zinsen auf Tagesgelder an als vor einem Jahr. Noch immer gelten die meisten Angebote jedoch nur für kurze Zeit, teilweise für nicht länger als ein Quartal. In einem Fall war das Angebot einer Bank sogar nur bis Ende Juli beschränkt.
Besonders groß ist der Unterschied beispielsweise bei der Comdirect. 3,25 Prozent erhalten die Kunden für drei Monate, wenn sie sich für ein Konto anmelden. Nach dieser Zeit ist der Zins variabel und liegt aktuell bei 0,75 Prozent pro Jahr. Zum Vergleich: Die zur Raiffeisenbank Hochtaunus gehörende Meine Bank bietet 3,4 Prozent Zinsen für sechs Monate an, zahlt danach mit 2,5 Prozent aber deutlich mehr.
Für Anleger bedeutet das: Nach dem vermeintlichen Ende der Zinsschlacht gilt es weiterhin genau zu schauen, ob sich ein Wechsel tatsächlich lohnt.