Raisin-Gründer Tamaz Georgadze im Gespräch mit Capital-Chefredakteur Timo Pache. Bild: Kai Weise

„Wir haben auch acht Jahre im Nullzinsumfeld überlebt“

Kaum ein deutsches Fintech profitiert so stark von der Zinswende wie Raisin. Auf der Finance-Forward-Konferenz sprach Gründer Tamaz Georgadze auch über die weiteren Pläne seines Startups.

Im April 2016 knackte Raisin die erste wegweisende Marke: Eine Milliarde Euro an Einlagen hatte das Startup bis dato vermittelt. Raisin-Gründer Tamaz Georgadze meldete sich damals in einem Blogpost zu Wort. Rund zweieinhalb Jahre hatte sein Team gebraucht, um diese „magische Grenze“ zu erreichen, schrieb er. Heute erreicht das Berliner Fintech diese Marke im Schnitt alle zwei Wochen und verwaltet nun eine Summe von 65 Milliarden Euro, wie Raisin kürzlich mitteilte.

Ökonom Weber sieht Problem in kurzfristigen Einlagen

Ein Punkt, der dabei mitunter für Kritik sorgt: Wie stabil kann ein Finanzsystem bleiben, in dem Kundengelder in dieser Größenordnung regelmäßig von einer Bank zur anderen und über Ländergrenzen hinweg verschoben werden? Für den Bankenveteran Axel Weber, einst Bundesbankpräsident und anschließend zehn Jahre Verwaltungsratspräsident der Schweizer Großbank UBS, scheint das kein Problem zu sein.

„Was mir eher Sorgen macht ist die Tatsache, dass der weit überwiegende Teil der Deposits in jederzeit fälligen Einlagen gehalten werden“, sagte er auf der Finance-Forward-Bühne. „Gerade bei Raisin liegt der Fokus auf einer viel stärkeren Fristigkeitsstruktur von mehrjährigen Zinskontrakten.“ Soll heißen: Je länger Einlagen festgelegt sind, desto besser könne sich eine Bank gegen Bank-Runs absichern. „Als ehemaliger Regulator sehe ich hier den Beitrag, national beziehungsweise europaweit Einlagen an Institute zu leiten, eher als stabilisierendes Element.“

Weber ist zugegebenermaßen nicht ganz unbefangen, wenn es um das Berliner Fintech geht: Seit einigen Monaten ist der frühere VWL-Professor Mitglied im Raisin-Beirat – auch eine Folge seiner langen Zeit bei der UBS: Zehn Jahre bei diesem „Oceanliner“ seien genug gewesen, erzählte er auf der Bühne. Zum Ende seiner Karriere habe er sich nach einer neuen Herausforderung gesehnt. „Technologieunternehmen sind eher wie Segelbote. Man spürt das tägliche Geschehen sehr“, sagte er.

Dabei steht die Personalie auch sinnbildlich für die Annäherung der jungen Fintech-Welt und der etablierten Bankenbranche. „Es gab durchaus Zeiten, in denen alle glaubten, die alte Welt wird einfach durch junge Firmen weggewischt“, sagte Raisin-Gründer Tamaz Georgadze. „Nun aber gibt es das Verständnis, dass ein neues Ökosystem entsteht, in dem beide Welten zusammenarbeiten.“ Er muss es wissen, basiert sein Geschäftsmodell doch auf genau dieser Partnerschaft. An mittlerweile mehr als 300 Banken vermittelt Raisin Einlagen über seine Plattform.

„Für Raisin wird es immer eine Daseinsberechtigung geben“

Die Zinswende hat das Geschäft zuletzt stark beflügelt und dem „Dinosaurier“ unter den Fintechs, wie Georgadze sein Unternehmen selbst nennt, den Weg in die Profitabilität geebnet. Vor einer erneuten Zinssenkung habe er trotzdem keine Angst. „Wir haben auch acht Jahre im Nullzinsumfeld überlebt“, sagte er. „Kunden werden immer Cash halten, somit wird es auch immer eine Daseinsberechtigung für uns geben.“

Die Europäische Zentralbank stellte vor wenigen Wochen eine Zinssenkung für Anfang Juni in Aussicht. Wie stark und wie oft gesenkt werden soll, ist derweil noch offen. Axel Weber teilte seine Prognose auf der Bühne: „Die Zinsen werden nicht auf ein Prozent, sondern um ein Prozent fallen.“ Bei der Preisentwicklung sei immer noch „Druck in der Pipeline“. Die Notenbanken würden daher nur langsam und sehr vorsichtig senken.

Raisin erweiterte seine Plattform zuletzt um neue Produkte, etwa ETFs und Kryptowährungen. Derweil scheint es in der Branche immer einen wachsenden Trend zu geben, sein Angebot auch in die Breite – etwa mit der Ergänzung von Konten oder Bezahlkarten – zu entwickeln. „Wir wollen nur ein Problem lösen: Das Anlageproblem“, sagte dagegen Georgadze. „Für Kunden, die eine gute Kontoverbindung suchen, sind wir der falsche Partner.“ Erweiterungspotenzial sehe er dagegen eher in den Auslandsmärkten, etwa den USA oder Großbritannien. „Dort haben wir noch genug zu tun, bis wir auf andere verrückte Ideen kommen.“

Dieser Text ist Teil der Berichterstattung über die Finance-Forward-Konferenz, die am 07. und 08. Mai in Hamburg stattfindet. Finance Forward ist das Magazin für die neue Finanzwelt, das in Kooperation zwischen Capital und OMR entsteht.