Nach Biontech-Erfolg: Strüngmann-Brüder steigen bei Versicherungs-Startup Getsafe ein
Exklusiv: Mit den Strüngmann-Zwillingen beteiligen sich zwei deutsche Wirtschaftsgrößen beim Heidelberger Insurtech-Startup Getsafe. Die beiden Biontech-Förderer setzen bereits länger auf junge Wachstumsfirmen. Welche aussichtsreichen Startups befinden sich in ihrem kaum bekannten Portfolio?
Ihr glückliches Händchen hat sie jüngst zu den reichsten Deutschen gemacht: Die Brüder Thomas und Andreas Strüngmann glaubten seit der Gründung 2008 an Biontech, hielten das Unternehmen lange finanziell über Wasser. Dann kam die Coronapandemie – und die Mainzer Firma entwickelte einen Impfstoff. Vor wenigen Tagen nutzten die Brüder den Hype, der in der Folge um ihre Personen entstand, und machten medienwirksam öffentlich, 25 Millionen Euro in Münchner Tech-Startups stecken zu wollen.
Ein anderes Investment verschwiegen sie bislang. Als vor wenigen Tagen das Heidelberger Startup Getsafe verkündete, weitere 55 Millionen Euro eingesammelt zu haben, war es noch ein Geheimnis, wer abgesehen von Earlybird zu den Investoren zählt. Jetzt bestätigt sich eine Information von Finance Forward: Es sind die Strüngmann-Zwillinge. Schon seit Jahren beteiligen sich die beiden an deutschen Startups.
Jetzt auch digitale Geschäftsmodelle
Einer breiteren Masse sind die Strüngmanns wegen ihres 1986 gegründeten Generikaherstellers Hexal bekannt. Für rund sieben Milliarden Dollar verkauften sie 2005 an Novartis, ein Exit, der sie direkt auf die Liste der reichsten Deutschen katapultierte. Das Geld wollten sie direkt wieder investieren, vor allem im Bereich medizinischer Gentechnik. So gaben sie dem Gründerpaar Özlem Türeci und Uğur Şahin 150 Millionen Euro, die damit die Firma Biontech gründeten. Heute halten die Strüngmanns Berichten zufolge noch fast die Hälfte der Biontech-Aktien – das alleine würde reichen, um zu den reichsten Deutschen aufzusteigen.
Und jetzt, mit 71 Jahren, ist für die beiden noch nicht Schluss. Auch über Santo Ventures investieren sie weiter. Mit ihrem Einstieg bei Getsafe zeigen sie Interesse an digitalen Geschäftsmodellen. Das Insurtech-Startup verkauft Versicherungen wie Haftpflicht und Hausrat per App und bewirbt sich zurzeit um eine eigene Versicherungslizenz. Eigenen Angaben zufolge führt es in Deutschland und Großbritannien mittlerweile insgesamt 250.000 Kunden. Neben Earlybird sind auch Commerzventures und die Versicherung Swiss Re beteiligt. Die Bewertung dürfte nach Finance-Forward-Informationen nun bei rund 214 Millionen Euro liegen.
Auch andere Beteiligungen der Strüngmanns basieren auf digitalen Geschäftsmodellen. Bei der Gesundheits-App Temedica der Münchner Gründerin Gloria Seibert sind die beiden investiert. Das Angebot richtet sich an Patienten mit Rückenschmerzen, das Startup arbeitet für die Kostenübernahme mit Krankenkassen zusammen. Dadurch sinkt die Hürde für Endnutzer, ein kostenpflichtiges Angebot in Anspruch zu nehmen. Ein vielversprechender Markt.
Movinga, Proptechs und Tonieboxen
Auf einem ganz anderen Gebiet arbeitet der 2006 gegründeten Hersteller und Entwickler von umweltfreundlicher Kältetechnik Efficient Energy aus Feldkirchen. Der Claim des Unternehmens ist es, mit einer Kältetechnologie, die Wasser als Kältemittel ermöglicht, Unternehmen dabei zu unterstützen, ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren. ImevaX, das an Impfstoffen gegen Erreger chronischer Infektionskrankheiten arbeitet, wurde 2014 als Spin-off der Technischen Universität München gegründet. Es ist eine ähnliche Wette wie Biontech, nur dass sie in diesem Fall noch nicht aufgegangen ist.
Das Freiburger CoreTech arbeitet an Implantaten für eine direkte Kommunikation von Gehirn und Technik, ähnlich was das US-Unternehmen Neuralink. Ziel der Technologie ist es, neue Formen der Therapie für beispielsweise Querschnittslähmung, Depression, Diabetes oder Schlaganfall zu entwickeln.
Das Thema Biotech findet sich in den meisten Beteiligungen von Santo Venture Capital wieder. Auf der Webseite der Isar-M GmbH aus Holzkirchen heißt es beispielsweise, das Unternehmen entwickle „medizinische Technologien und Verfahren zur Verbesserung der Patientensicherheit in der operativen Medizin“.
Auch deshalb ist es eine große Überraschung, im Portfolio das Berliner Umzug-Startup Movinga zu finden. Die Zwillinge sind nach der Krise eingestiegen und halten inzwischen sogar die Mehrheit an Movinga. Das Unternehmen schreibt seit Jahren zweistellige Millionenverluste, insgesamt hat es bereits 72,7 Millionen Euro verbrannt.
Auf Boxine, den Anbieter der Kinder-Audiosysteme Tonies, wetten die beiden laut dem Manager Magazin ebenfalls. Seit einigen Monaten ist klar: Das Unternehmen plant noch in diesem Jahr mit der Börsenmantelfirma 468 Spac I zu fusionieren. Das Startup zählt 2,4 Millionen Kunden. Vor wenigen Tagen konnte außerdem das Berliner Proptech-Startup Sensorberg eine Finanzierungsrunde über sechs Millionen Euro verkünden – nach Informationen von Finance Forward waren die Strüngmanns ebenfalls beteiligt. Das Unternehmen digitalisiert und automatisiert Gebäude anhand eigener Soft- und Hardware. Das Bauunternehmen Bauwens, seit 2019 auch Investor, ist einer der Kunden.
Das Startup-Portfolio der Sprüngmann-Brüder besteht, abgesehen von den Biotech-Investments, aus einer wilden Mischung. Sie folgen keinem Herdentrieb, heißt es von einem Gründer, der mit den beiden gearbeitet hat – eine Strategie, die jetzt schon einmal aufgegangenen ist.