Große Fintechs treten bei Neueinstellungen auf die Bremse
Exklusiv: Mehrere wichtige Fintechs nehmen den Großteil ihrer Stellenausschreibungen offline. Nach der Anmeldung von Kurzarbeit ist das ein nächstes Zeichen dafür, wie die Coronakrise die Branche trifft.
Die Zahl war für viele Fintechs immer auch ein Signal an die Öffentlichkeit: Wir wachsen gerade massiv, das Geschäft läuft. So ließ es sich bislang deuten, wenn Gründer unzählige neue Stellen auf der eigenen Website präsentierten. Die Firmenchefs berichteten stolz davon, dass in manchen Wochen 60 neue Leute in ihrem Unternehmen angefangen hätten.
Tatsächlich lief der Jobmotor der ganzen Fintech-Szene auf Hochtouren: 1.700 Stellen hatten die Fintechs im Frühjahr 2020 laut einer Erhebung von Finanz-Szene.de ausgeschrieben, etwa ein Drittel der Jobanzeigen entfiel dabei allein auf die fünf Fintechs: Sumup, N26, Mambu, Simplesurance und Raisin.
Die neue Einstellungs-Strategie
Ende März waren die Fintech-Chefs noch zuversichtlich: Ja, sie planen weiterhin, in den kommenden sechs Monaten Mitarbeiter einzustellen, gaben 80 Prozent der befragten deutschen Fintech-CEOs im FFWD-Stimmungsbarometer an. Inzwischen lässt sich zwar sagen, dass es bei den wichtigen Unternehmen in der Tat noch keinen vollständigen Einstellungsstopp gibt, doch ein großer Teil der vor wenigen Wochen noch ausgeschriebenen Stellen werden die Firmen erst einmal nicht besetzen.
In der aktuellen Krise versuchen die Fintechs so zu wirtschaften, dass ihre Kapitalausstattung möglichst lange hält. Weil sie noch nicht profitabel arbeiten, sind sie auf Investorengelder angewiesen. Unternehmen wie der Smartphone-Bank N26 und dem Payment-Anbieter Sumup haben bereits reagiert und einen Teil ihrer Belegschaft in Kurzarbeit geschickt – Finance Forward berichtete.
Die neue Einstellungs-Strategie lautet nun: Nur die absolut notwendigen Stellen werden neu besetzt. Auf die restlichen neuen Mitarbeiter verzichten die Unternehmen vorerst.
N26 nimmt krisenbedingt „signifikanten Anteil“ der Stellen offline
Die deutsche Smartphone-Bank N26 hatte Anfang Februar noch 117 offene Stellen – übriggeblieben sind 36. Von den 80 Stellen sei ein „signifikanter Anteil“ krisenbedingt offline genommen worden, heißt es von einem Sprecher auf Nachfrage. N26 habe viele „Stellenausschreibungen bis zum 3. Quartal 2020 pausiert“. Die Gründe: Das Unternehmen könne keine persönlichen Gespräche führen, auch Umzüge aus dem Ausland seien momentan nicht möglich.
Bei der Zinsplattform Raisin zeigen sich die Auswirkungen der Coronakrise ebenfalls. „Unter den aktuellen Bedingungen hat es sich für Raisin als anspruchsvoll erwiesen, neue Mitarbeiter zu onboarden“, lässt sich CEO Tamaz Georgadze auf Anfrage zitieren. Deshalb konzentriere sich das Fintech bei Neueinstellungen derzeit auf dringend benötigte Positionen.
Raisin will Corona-bedingte Kürzungen vermeiden
Von den 40 im Februar ausgeschriebenen Stellen sind mittlerweile nur noch neun auf der Seite zu finden. Ursprünglich plante das Fintech in diesem Jahr insgesamt 150 neue Mitarbeiter einzustellen. Das hat sich jetzt geändert, denn Raisin will Kurzarbeit und andere Corona-bedingte Kürzungen vermeiden. „Dennoch können wir – wie alle anderen Unternehmen wohl auch – nur schwer vorhersagen, wie sich die gesamtwirtschaftliche Dynamik in den kommenden Wochen und Monaten entwickeln wird“, heißt es von dem Unternehmen.
Unter den Fintechs mit den meisten offenen Stellen war im Februar auch Simplesurance mit 53 offenen Stellen. Neun sind noch online. Das Versicherungs-Startup habe in den vergangenen Wochen noch Neueinstellungen vorgenommen, sagt eine Sprecherin auf Anfrage. Aufgrund der Planungsunsicherheit sei das Recruiting aber „sehr gezielt auf die Stellen mit höchster Priorität ausgerichtet“.
Mit 170 offenen Stellen hatte Sumup im Februar die meisten Ausschreibungen, auch dort konzentriere sich das Unternehmen auf „die Besetzung von Schlüsselposition“. Und der Plattform-Anbieter Mambu hat seine ausgeschriebenen Job um die Hälfte auf 42 Anzeigen reduziert.