Eine neue Finanzierungsform drängt nach Europa – US-Fonds Riverside expandiert von Köln aus
In den USA stecken bereits mehrere Milliarden in umsatzbasiertem Startup-Funding. Erste Unternehmen bieten die Finanzierungsform auch in Deutschland an, weitgehend unbemerkt ist auch das Schwergewicht Riverside gestartet. Was hat es damit auf sich?
Insgesamt 750 Millionen Euro sammelte Sumup vor wenigen Tagen ein – als Kredit. „Gründer müsste man sein“, kommentierte einer der Investoren den Deal. Der Vorteil für die Gründer und andere Beteiligte: Ihr Anteil an dem Unternehmen schrumpft nicht – ein möglicher Börsengang könnte sie in der Zukunft reich machen, während eine klassische Finanzierungsrunde ihre Anteile verwässert hätte.
Aus einer seit Jahren massiv wachsenden Startup-Szene entstehen in der aktuellen Niedrigzinsphase ganz neue Fremdkapital-Finanzierungsformen, die US-Trends kommen dabei nach Europa und Deutschland. Eines der großen neuen Themen ist das sogenannte Revenue-based Financing. Die Startups erhalten dabei beispielsweise eine Million Euro und zahlen das Geld zurück, immer dann, wenn sie etwas einnehmen. Der Finanzierungsgeber erhält einen vorher vereinbarten Teil des Umsatzes ein.
„Nicht nur Hypergrowth-Wachstum finanzieren“
Christian Stein ist einer der neuen Riverside-Partner. „Nach zwölf Jahren als Venture-Capital-Investor hatte ich keine Lust mehr, Startups abzusagen, wenn sie kein Hypergrowth-Wachstum vorweisen konnten“, sagt er im Gespräch mit Finance Forward. Stein war zuletzt Chef des staatlichen 275-Millionen-Fonds Coparion und holte Michael Aring gleich mit zu Riverside.
Die jungen Firmen müssen nicht zwangsläufig ein starkes Wachstum vorweisen. Im Fokus liegen Business-Software-Anbieter, bei denen Riverside zwischen einer und fünf Millionen Euro investiert. „Es gibt immer noch eine große Lücke für Unternehmen, die keine Bankkredite bekommen und kein Venture-Capital wollen oder zu dem Zeitpunkt nicht zu guten Konditionen bekommen können“, sagt Stein. Der Vorteil für die Firmengründer: Sie verwässern nicht ihre Anteile und behalten die Kontrolle über das Startup.
Als Teil des Umsatzes zahlen die Software-Firmen die Schulden so lange an Riverside zurück, bis sie das eineinhalb- bis zweifache des Betrages eingespielt haben. In der Branche ist teilweise das drei- bis vierfache Betrag gefordert. Die Zielgruppe sind dabei Startups, die bereits Umsätze machen – sie können etwa die Hälfte des Jahresumsatzes als Finanzierung erhalten. Je nach wirtschaftlicher Lage kann das Unternehmen den Betrag zurückzahlen.
Venture Debt wartet noch auf den Durchbruch
Dies unterscheidet die Finanzierungsform auch von dem sogenannten Venture Debt, dabei erhalten die Startups einen Kredit mit festem Zinssatz und Laufzeit. Auch das ist in den USA bereits populär, allerdings hat es sich in Europa noch nicht stark durchgesetzt. Teilweise hat die Form in der Szene einen schlechten Ruf. Oft wird sie in Kombination mit großen Wagniskapital-Deals eingesammelt. So vergab die Silicon Valley Bank beispielsweise Kredite an das Flugtaxi-Startup Lilium oder die Sprachlern-App Babbel, die beide aktuell an die Börse streben. Teilweise ist es auch Kalkül der Startups, das weitere Investoren die alten Kredite ablösen. Auch Sumup bezahlte mit der neuen Finanzierung alte Schulden ab. Im Fall einer Krise haben die Kreditgeber teilweise weitreichende Zugriffsrechte. Die umsatzbasierten Fundings sind oft einfacher aufgesetzt, es gibt keine große Sicherheiten.
Genau wie beim Venture Debt ist der Beweis noch offen, ob das Produkt auch hierzulande fliegt. Riverside hat bereits einige Deals gemacht, zum Beispiel hat es mit seinem neuen Europa-Büro die Immobilien-Verwaltungs-Software Casavi finanziert. „Die Finanzierungsform ist in Europa noch relativ unbekannt“, sagt Christian Stein. In den USA haben bereits 57 Fonds insgesamt 4,3 Milliarden Dollar in das umsatzbasierte Funding gesteckt, wie eine Techcrunch-Erhebung zeigte.
Das Angebot ist bereits da
Das Angebot ist schon mal da. Der Riverside-Fonds dürfte mindestens 100 Millionen Euro groß sein, das Unternehmen will sich nicht dazu äußern. Seit einigen Monaten sind bereits weitere Fintech-Projekte aktiv. Zum Beispiel Uncapped aus London, das von Rocket Internets finanziert wurde – oder Uplift1, in dem Geld von Szenekopf Marco Vietor steckt. Reimagine ist eine Berliner Firma, die mehrere N26-Mitarbeiter abgeworben hat.
Wie bei jeder Finanzierungsform unterscheiden sich die Konditionen, zum Beispiel die Laufzeit, das Rückzahlungsmultiple, die geforderten Sicherheiten und die Rangfolge der Schuldner – Punkte, bei denen die Gründer aufmerksam schauen müssen. An diesen Details und den ersten Erfahrungen wird auch hängen, ob sich der Hype um die neue Finanzierung in den künftigen Zahlen niederschlägt.