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Ein Gründer greift Facebooks Libra an – und wird selbst zur Zielscheibe

OpenLibra will wie Libra sein, nur sicherer und unabhängig. Die Initiative sorgt in der Kryptoszene für Furore. Doch an der Seriosität ihrer Hintermänner gibt es ernsthafte Zweifel.

Es war ein Überraschungsauftritt mit Paukenschlag. Eigentlich nur ein kleiner Programmpunkt kurz vor der Mittagspause der Ethereum-Konferenz Devcon im japanischen Osaka, Titel: „What do we do about Libra“, es klang nach einer allgemeinen Diskussion über Facebooks geplante Kryptowährung. Doch das, was Lucas Geiger da präsentierte, war viel mehr und es fand weltweit in der Kryptoszene Beachtung: ein Projekt namens OpenLibra.

Während Facebooks Libra mit regulatorischen Schwierigkeiten und von Bord gehenden Mitgliedern kämpft, bastelt Geiger bereits an einer Alternative. Zusammen mit mehreren Blockchain-Unternehmen und Non-Profit-Organisationen hat er sich einen Fork des Facebook-Projekts vorgenommen – also eine Libra-Variante, die alles besser und vor allem sicherer machen soll. Wie viele andere misstraut er dem Internetgiganten aus dem Silicon Valley, der bekannt ist für seinen fragwürdigen Umgang mit der Privatsphäre der Nutzer. „Libra vertrauen wir“, sagte Geiger auf der Bühne in Osaka. „Facebook nicht.“

Ein Fork ist in der Szene nichts Ungewöhnliches. Viele haben das Ziel, eine bestehende Kryptowährung zu verbessern. Wird der Quellcode einer Währung verändert, spaltet sich eine neue Blockchain von der ursprünglichen ab. So entsteht ein Fork (zu deutsch: „Gabelung“). Auch Litecoin und Bitcoin Cash sind so entstanden. Beides sind Varianten der bekanntesten Kryptowährung Bitcoin.

Unabhängigkeit sieht anders aus

Geiger hat gute Gründe für seinen Fork. Wie viele andere kritisiert er an Libra, nichts mit der reinen Blockchain-Lehre zu tun zu haben – womit er nicht ganz Unrecht hat. Anders als Bitcoin oder Ethereum basiert Libra auf einer sogenannten Konsortium-Blockchain, die nicht für jedermann zugänglich ist. Die Währung darf damit nur von ausgewählten Mitgliedern geschürft werden. Die Oberhand behält in diesem Fall die Libra Association, in der bis zu 100 Firmen vereint sein sollen, darunter Uber, Spotify und Vodafone. Der Verein spielt am Ende also Zentralbank. Unabhängigkeit sieht anders aus.

Auch mit der Dezentralisierung, dem Hauptmerkmal jeder echten Kryptowährung, nehme es Facebook nicht so ernst, sagt Geiger. Obwohl Facebook in seinem Whitepaper betont, einen dezentralen Ansatz zu verfolgen, sei Libra am Ende nichts weiter als das plutokratische Projekt einiger weniger Firmen, heißt es auf der Webseite von OpenLibra. „Wir wollen keine Kartellfirma mit der Ethik von Uber und der Zensur von Visa als Eigentümer“, sagte Geiger dem Online-Fachmagazin CoinDesk. Er sieht in Libra so etwas wie den Verrat an der Blockchain-Bewegung.

OpenLibra will all das anders machen – und im Vergleich zu Libra eine echte Kryptowährung werden. Geiger hat sich dafür den originalen Quellcode von Libra geschnappt und begonnen, ihn zu seinem Idealbild umzubauen. Auf der Entwicklerplattform GitHub existiert bereits eine erste Version.

Als Stablecoin ist OpenLibra zwar faktisch an Libra und damit auch an Facebook gebunden. Die Rechenprozesse aber laufen jetzt auf einer Public Blockchain namens Tendermint, die für jedermann frei zugänglich ist. Geiger verspricht außerdem mehr Unabhängigkeit. OpenLibra werde nicht von einem Konsortium, sondern von einem „losen Kollektiv von Individuen“ gesteuert, heißt es auf der Webseite. „Keine Vereinsmitglieder, keine Partner, keine Angestellten, keine Führungskräfte.“

20 Millionen – weg?

Während ein Teil der Szene – darunter Ethereum-Vordenker Lane Rettig – das Projekt feiert, kommt von anderer Seite harsche Kritik. Geiger sei nur ein Trittbrettfahrer ohne ernstzunehmende Ambitionen, sagt etwa einer seiner ehemaligen Kollegen zu Finance Forward. Über Geigers Vorgeschichte ist wenig im Netz zu finden. Auf Interviewanfragen antwortet er nicht.

Aber man kann etwas über seine Zeit bei Wireline, seinem vorherigen Unternehmen, herausfinden. Dort soll er versucht haben, aus dem Krypto-Hype und dem Vertrauen anderer Kapital zu schlagen.

Mit Wireline sollte ein Peer-to-Peer-Netzwerk für Entwickler und Unternehmen entstehen. 20 Millionen Dollar hatte Geiger per ICO von diversen Geldgebern eingesammelt. Auch Investor Andrew Lee hat eine gute Million in das Projekt investiert. Kurze Zeit, nachdem er das Geld in Wireline gesteckt hatte, habe er nie wieder etwas von ihm gehört.

„Lucas Geiger hat eine Menge Versprechen gemacht, die er nie eingehalten hat“, sagt Lee im Gespräch mit Finance Forward. Weder existiere das Netzwerk, noch gebe es die Token, die ihm im zweiten Quartal 2018 als Anteile an Wireline zugesichert worden waren. Angebliche Partner und Investitionen von Krypto-Projekten wie Golem oder Augur habe es nie gegeben. Auch Versprechungen, dass Jun Hasegawa, der Gründer und CEO der Zahlungsplattform Omise, das Marketing von Wireline leiten würde, seien nicht wahrgemacht worden.

Für Lee ist klar: Geiger habe absichtlich Falschangaben gemacht, um an Kapital zu kommen. Eine Masche, die er jetzt bei OpenLibra wiederhole.

Schon während Geiger sein Projekt auf der Devcon präsentierte, wurden einige Zuschauer skeptisch. Auf einem Chart hatte er all die Namen versammelt, die angeblich an OpenLibra beteiligt sind oder zumindest Unterstützung zugesichert hatten. Neben dem Blockchain-Netzwerk Cosmos und dem Dänischen Roten Kreuz zählten auch Tendermint, Web3 und Hashed zu den angeblichen Unterstützern. Alle drei dementierten wenig später, bei OpenLibra involviert zu sein.

Gegenüber CoinDesk gestand Geiger ein, falsche Angaben präsentiert zu haben. „Wir waren in Eile, als wir die Folien erstellt haben. Mein Team hat dabei aus Versehen eine Liste genommen, auf der sowohl bereits bestehende als auch potentielle Partner gelistet waren. Das hätte ich besser überwachen sollen.“

Wer erreicht sein Ziel?

Noch ist unklar, wie viele der 30 von Geiger genannten Unterstützer wirklich an OpenLibra beteiligt sind. Neun Partner haben ihre Mithilfe bei OpenLibra bislang gegenüber CoinDesk bestätigt.

„Lucas Geiger ist ein Lügner“, sagt der ehemalige Kollege, der jahrelang mit ihm zusammengearbeitet hat und anonym bleiben will. Schon bei Wireline soll Geiger mit falschen Namen geworben haben, das ICO-Geld sei in Briefkastenfirmen geflossen. Die Investoren hätten ihr Geld nie wiedergesehen. Auf Anfrage äußerte sich Geiger nicht zu den Vorwürfen.

Bei Wireline ist Lucas Geiger inzwischen raus. Auf der Website findet man seinen Namen nicht mehr. Doch mit OpenLibra scheint er seine Ziele weiterzuverfolgen. „He fakes it until he makes it“, sagt sein ehemaliger Kollege, der sicher ist, dass Geiger dieses Spiel noch einmal durchziehen will. „Lucas ist ein Fantast, der unbedingt mit Kryptowährungen reich werden will. Koste es, was es wolle.“

Eigenes Geld investiert Geiger nicht in sein Projekt, das kündigte er schon auf der Konferenz an. Das Kollektiv habe allerdings einen „großzügigen Zuschuss“ von der Interchain Foundation bekommen, einer gemeinnützigen Organisation des Blockchain-Netzwerks Cosmos. Das erklärte Geiger gegenüber CoinDesk.

Entgegen der weltweiten Kritik glaubt Geiger übrigens fest an den Erfolg von Facebooks digitaler Währung. Die OECD-Staaten zum Beispiel hätten wenig gesetzgeberische Macht, um gegen eine transnationale Kraft wie Facebooks Libra vorzugehen. „Facebook wird sein Ziel wahrscheinlich erreichen“, heißt es auf der Website von OpenLibra. Und Geiger? Das muss bezweifelt werden.

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