Probleme der Finanzierungs-Fintechs: Berliner Volksbank stampft Vai Trade ein, Myos pausiert Kreditvergabe
Exklusiv: Um das Geschäft mit der Vorfinanzierung von Waren – etwa für Amazon-Händler – gab es vor Jahren einen Hype. Die Berliner Volksbank mischte mit dem Fintech-Ableger Vai Trade mit, das Startup Myos entstand als eigenständiger Player. Nun kämpfen beide Anbieter mit Schwierigkeiten.
Das Produkt sollte in eine Marktlücke stoßen. Myos aus Berlin hatte sich darauf spezialisiert, die Waren von Online-Händlern vorzufinanzieren. Gerade Verkäufer auf Plattformen wie Amazon, Ebay oder Shopify hatten es schwer, bei einer normalen Bank das Geld zu erhalten. Das Fintech analysierte die Verkaufshistorie und vergab dann die Finanzierung. Als Sicherheit dienten die Waren, die Myos bei einem Ausfall einfach selbst verkaufte – ein intelligenter Weg, um die Ausfälle zu reduzieren. Im Sommer 2021 bekam die Firma noch einmal eine Finanzierung über 25 Millionen Euro, um das Wachstum weiter anzukurbeln.
Zurzeit arbeite Myos mit seinen Finanzierungspartner an einem neuen Produkt, das aber erst Anfang 2024 wieder starten könnte. Für das Startup selbst hatte der Schritt starke Folgen: Von den rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mussten viele gehen – ein kleines Kernteam bleibt bestehen, heißt es aus dem Firmenumfeld. Gründe für die Neuausrichtung seien der schwierige E-Commerce-Markt, demnach seien etwa die Einkaufspreise der Händler inflationsbedingt gestiegen und die Plattformen hätten ihre Gebühren erhöht. Dadurch steigt die Ausfallwahrscheinlichkeit.
Hinzu sei gekommen, dass die komplexe Kreditvergabe bei Myos wegen externer Abhängigkeiten noch nicht skalierbar genug gewesen sei. Das Unternehmen will sich nicht dazu äußern. Der Blog Wortfilter hatte in der vergangenen Woche über Stellenstreichungen bei Myos berichtet.
Berliner Volksbank glaubt nicht mehr an Finanzierungs-Fintech
Mit den Problemen ist Myos nicht allein, der Konkurrent Vai Trade gibt komplett auf. Hinter dem Online-Anbieter steht die Berliner Volksbank. Das Fintech gründete sie zunächst in Kooperation mit dem Company-Builder Bridgemaker. 2020 dann übernahm die Bank im Rahmen einer „strategischen Neuausrichtung“ sämtliche Anteile.
Ohne langfristige Perspektive, wie sich nun herausstellt. Zum Jahresende stellt Vai Trade seinen Geschäftsbetrieb ein. Entsprechende Informationen von Finance Forward bestätigte die Berliner Volksbank als Eigentümer. Dazu ein Sprecher: „Der Grund für die Beendigung ist schlicht, dass sich die Marktgegebenheiten (deutlich höheres Zinsniveau) verändert haben und damit auch die derzeitige Nachfrage nach diesem Finanzierungsbaustein.“ Alternative Angebote werde es auf Wunsch jedoch direkt von der Berliner Volksbank geben. Für die zuletzt rund 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Vai Trade seien zudem „sehr zügig passende Anschlusslösungen“ gefunden worden, teilweise bei anderen Unternehmen oder im Bankhaus selbst.
Noch weitere Anbieter betroffen?
Dabei hat sich das Startup wirtschaftlich betrachtet zuletzt offenbar durchaus positiv entwickelt. Zu Umsätzen trifft die Berliner Volksbank zwar keine Aussagen. Doch nach eigenen Angaben erreichte Vai Trade in diesem Jahr erstmals die schwarze Null. „Bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen wäre das Geschäft vermutlich weiter in die Profitabilität gewachsen“, sagt ein Sprecher. Erste positive Monatsabschlüsse Anfang 2023 hätten diese Annahme noch gestützt. 2021 hatte das Fintech laut Daten im Bundesanzeiger noch einen Verlust von rund 780.000 Euro eingefahren.
Das zuletzt rasch gestiegene Zinsniveau kehrte den Trend offensichtlich um. Für die Unternehmen wurde es plötzlich erheblich teurer, sich Rechnungen vorfinanzieren zu lassen. Das macht Angebote wie Vai Trade weniger attraktiv. Gleichzeitig steigen für die Anbieter selbst die Ausfallrisiken – Gift für das Geschäftsmodell. Es dürfte noch weitere Fintechs in dem Markt treffen.