Ein alter IT-Fehler holt N26 ein
Exklusiv: Das Lastschrift-Chaos von 2019 beschäftigt die Neobank N26 noch immer – einige Kunden richten jetzt Schadensersatzforderungen gegen das Unternehmen.
Über mehrere Wochen hinweg kam es bei Lastschriften bei der Berliner Smartphone-Bank N26 im Sommer vergangenen Jahres zu Unregelmäßigkeiten. Verzweifelte Nutzer meldeten sich bei Medien, weil sie zum Teil doppelt belastet worden waren. Das Manager Magazin und die Bild berichteten etwa über Einzelfälle.
N26 sprach in Reaktion darauf von „einigen Fällen“. Doch nach Informationen von Finance Forward gingen zu dem Vorfall überdurchschnittlich viele Beschwerden bei der Finanzaufsicht Bafin ein. Die Zahl der betroffenen Kunden liegt mindestens im oberen dreistelligen Bereich.
Ein IT-Fehler mit Folgen
In vielen Fällen wurden Lastschriften aufgrund einer – wie N26 es nennt – „technischen Unregelmäßigkeit“ im Sommer 2019 zunächst gar nicht gebucht. Dem Unternehmen fiel das erst Wochen später auf, wie Recherchen von Finance Forward ergaben. Die Bafin bestätigt, für den Zeitraum Beschwerden von Kunden der N26-Bank erhalten zu haben und ihnen nachgegangen zu sein.
N26 nahm in der Folge manuell Korrekturbuchungen vor, mit denen die betroffenen Kunden zu dem Zeitpunkt mitunter gar nicht mehr gerechnet hatten. Die Bank sei in Vorleistung gegangen, hieß es vom Support auf Anfrage von Kunden.
In einzelnen Fällen hatten Kunden die ausstehenden Zahlungen bereits selbst per Überweisung beglichen, sodass die erneute Lastschrift von N26 nicht nötig gewesen wäre. Da die entsprechende Frist verstrichen war, konnten sie mitunter aber nicht direkt stornieren. Das Geld war also zunächst erst einmal weg – trotzdem wurde erneut eingezogen.
So fanden einige von ihnen ihr Konto im Minus vor – was nicht hätte passieren sollen. „Obwohl alle diese Lastschriftzahlungen zuvor durch die Kunden autorisiert worden waren, sind unsere Versuche, das Geld vom Konto des Kunden abzubuchen, zunächst fehlgeschlagen, sodass der entsprechende Betrag nicht vom Konto des Kunden abgebucht worden ist“, teilt das Fintech auf Anfrage mit.
Schadensersatzforderungen – ein Jahr später
Auf wiederholte Beschwerde erstattete N26 den Kunden das Geld jeweils. „Zu diesem Zeitpunkt haben wir bei N26 täglich durchschnittlich 28.000 Lastschriftzahlungen verarbeitet“, heißt es von dem Unternehmen, das zu dem Zeitpunkt etwa 3,5 Millionen Kunden führte. „Nur ein sehr geringer Prozentsatz von Kunden war von dieser Unregelmäßigkeit betroffen und die Mehrheit dieser Lastschriftzahlungen hatte einen Wert von unter 30 Euro.“
In einigen Fällen, die Finance Forward bekannt sind, ging es aber um drei- bis fünfstellige Beträge. Ein betroffener Versicherungsmakler etwa sah seine Liquidität und Kreditwürdigkeit in Gefahr, für den Schufa-Score etwa sei auch die Bilanz seines privaten Kontos wichtig, teilt seine Anwältin Ina Becker mit. Da es nicht gedeckt war, kam es zu einem Negativsaldo, Rücklastschriften, Mahngebühren sowie weiteren Kosten.
In einem Blogbeitrag von Mitte Oktober schildert sie den Fall detailliert. So habe sie die Erstattung fehlgebuchter Beträge samt Rücklastschriftgebühren und einen Schadensersatz für ihren Mandanten gefordert. Nach einem monatelangen Hin und Her leistete N26 die Zahlungen „ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht“. Damit ist für andere nicht gesichert, ebenfalls Forderungen gegenüber N26 geltend machen zu können.
Probiert wird es derzeit jedoch trotzdem: Seit Veröffentlichung ihrer Schilderung wurde Becker bereits von einigen N26-Kunden kontaktiert, die ähnliche Erfahrungen vor einem Jahr gemacht haben, wie sie Finance Forward mitteilt. Schon bald werden sie in der Lage sein, den nächsten Erfolg gegenüber N26 verkünden zu können, so die Anwältin. Und mit jedem neuen Blogpost steigt die Chance, dass Becker weitere Geschädigte als neue Mandanten gewinnen kann. Auf N26 könnte dann noch eine Vielzahl von Schadensersatzforderungen zukommen.