Dennis Müller hat vor wenigen Monaten Amie gegründet (Bild: PR).

N26: Die neue Gründerschmiede

Für viele war N26 eine der ersten großen Stationen ihres Berufslebens: Einige, teils hochrangige Mitarbeiter der Neobank haben in den vergangenen Monaten gekündigt, um selbst zu gründen. Ein junger Hoffnungsträger unter ihnen ist Dennis Müller und sein Startup Amie.

Als er kam, zählte N26 gerade einmal 200 Mitarbeiter – es war ein mittelgroßes Fintech, das zu den aufstrebenden Berliner Unternehmen gehörte. Zweieinhalb Jahre später, als Dennis Müller die Firma wieder verließ, arbeiteten schon 1.500 Mitarbeiter für die Bank, Millionen Kunden verwendeten die Banking-App überall auf der Welt, die Erwartungen von Investoren und Öffentlichkeit waren immens.

Angespornt durch den Erfolg des Ex-Arbeitgebers gründete der 24-Jährige selbst ein Startup: eine App, die Smartphone-Kalender intelligent mit To-Do-Listen verknüpfen kann. „Ich habe bei N26 gelernt, immer größere Ziele zu formulieren“, sagt Müller. „Erst war die Ansage, dass wir 50 Millionen Kunden gewinnen, dann stieg es schon bald auf 100 Millionen.“

Für manche Beobachter schwang dabei immer ein bisschen Größenwahn mit. Noch ist der langfristige Erfolg des Bank-Startups nicht ausgemacht, wegen der Corona-Krise musste das Unternehmen Mitarbeiter gerade erst in Kurzarbeit schicken.

Doch ein Effekt lässt sich schon heute beobachten: Das bekannteste deutsche Fintech hat eine ganze Reihe von Mitarbeitern ermutigt, etwas Eigenes zu gründen. Erst kürzlich haben zwei hochrangige Manager das Unternehmen aus diesem Grund verlassen. Und zwei Dutzend anderer Ex-Angestellter werkeln laut Linkedin mittlerweile an eigenen Projekten.

Bei N26 hat man Dennis Müller in seinen Plänen stets bestärkt, sagt er. Seine Ursprungsidee: eine App zu entwickeln, mit der sich Gewohnheiten verändern lassen. Früh besprach er sich mit einem Vorgesetzten. „Er hat mich gefragt: Was ist der schnellste Weg das ganze zu testen?“, erzählt Müller. Also richtete er einfache Whatsapp-Tests mit Freunden und Bekannten ein, die etwa mehr Sport treiben wollen. Bei denen kam die Idee gut an. Nach seiner Kündigung reiste er nach Südafrika, feilte am Produkt und entwickelte die Idee weiter. Heraus kam die Kalender-App, in der man seine Tag minutiös planen kann.

Mit seinen ehemaligen Kollegen blieb der junge Gründer in Kontakt, er holte sich Ratschläge bei der Produktentwicklung. Seine Verbindungen nach Berlin halfen Müller auch bei der Suche nach Startkapital. Drei N26-Kollegen haben in der ersten Finanzierungsrunde bei Amie investiert, einer davon ist Nicolas Kopp.

Kopp hat von New York aus für N26 das wichtige US-Geschäft aufgebaut. Auch er hat gekündigt, um ein eigenes Startup zu gründen – es soll sich dabei wahrscheinlich auch um ein Fintech handeln. Mehr ist dazu noch nicht bekannt.

Zu den Gründern aus dem N26-Netzwerk gehören außerdem:

– Jordan Abderrachid, ehemaliger N26-Entwickler, hat die App Donut mitgegründet, die einfachen Krypto-Handel ermöglichen soll und in den USA gestartet ist. Angel-Investor ist der N26-Aufsichtsrat und Branchenkenner Marcus Mosen.

– Nadine Deuring war im Business Development der Bank tätig und hat später den Möbel-Mietservice Lyght Living gegründet.

– Robert Kilian, ehemaliger General Counsel, hat das Berliner Unternehmen Beams gegründet. Mit der App können die Nutzer ihre Lieblingsorte mit Freunden teilen – und Touren erstellen, wie zum Beispiel „Lieblingsplätze in London“.

– Plantclub, ein Pflanzenmietdienst der beiden ehemaligen N26-Mitarbeiter Max Brennsell und Jack Lancaster.

Weitere Startups sind noch nicht öffentlich, andere haben ihre Versuche schon wieder eingestellt. Und sicherlich war bei vielen die Arbeit bei N26 nicht der einzige Grund, ein eigenes Unternehmen zu starten. „Ich wollte auch schon vorher gründen“, sagt Dennis Müller. Nach den zwei Jahren bei N26 habe er gemerkt: „Bereiter werde ich nicht – ich muss jetzt loslegen.“

Im Produktmanagement der Bank habe er gelernt, wie es auf die Details ankommt: „Ich habe zum Beispiel viele Tests dazu gemacht, wie lange ein Longpress in der App dauern soll“, sagt Müller. Für seine neue Kalender-App, die von Menschen genutzt wird, die ihren Arbeitstag optimieren wollen, ist das umso wichtiger. „Schon ein kleines Problem kann dazu führen, dass die Nutzer die App nicht mehr verwenden.“

Startup-Investoren glauben an den ehemaligen N26ler. 1,3 Millionen Dollar haben unter anderem der prominente Investor Creandum und mehrere Business Angels investiert, darunter die ehemalige Accel-Investorin Laura Grimmelmann und die Gründer des Logistik-Startups Sennder. Auch bei Beams, dem neuen Unternehmen des N26-Managers Robert Kilian, ist schon der bekannte Geldgeber Mangrove eingestiegen.

Und so entstehen im Umfeld von N26 immer neue Firmen. Zusätzlich finanzieren ehemalige N26-Manager wie Kelly Ford und Christian Rebernik neue Ideen. Es könnte ein Netzwerk entstehen, wie die Paypal-Mafia in den USA. Aus dem Gründerteam der Payment-Firma entstanden viele erfolgreiche Firmen wie etwa der Autobauer Tesla und das Karriere-Netzwerk Linkedin.

Noch vor einigen Jahren galt in Deutschland Rocket Internet als der wichtigste Ausbildungsort für die nächste Unternehmergeneration. So war der Auto1-Gründer Hakan Koc zu Beginn seiner Karriere im Rocket-Umfeld unterwegs, auch N26-Gründer Valentin Stalf hat bei einem Fintech-Startup von Rocket Internet angefangen.

Doch in den vergangenen Jahren hat sich Rocket Internet vom Company Builder zum Investor gewandelt. Als neue Gründerschmieden gelten nun große Tech-Firmen wie Zalando und eben N26. Was auffällt: Während viele neue Geschäftsmodelle eher auf Produkte für andere Unternehmen setzen, richten sich die N26-Alumni an den Massenmarkt. „Was N26 im Banking geschafft hat, wollen wir für das Thema Produktivität erreichen“, sagt Amie-Gründer Dennis Müller.