So ging es auf der N26-Mitarbeiterversammlung zu – Management will nächstes Treffen kippen
Auch ein Gericht konnte sie nicht stoppen: Die Mitarbeiter von N26 haben am Donnerstag einen Wahlvorstand für einen künftigen Betriebsrat bestimmt. Das Management des Banking-Startups verfolgt derweil eigene Pläne – und versucht, eine nächste Mitarbeiterversammlung zu verhindern.
Normalerweise feiern hier auf den Holzbänken tagtäglich angetrunkene Touristen. Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie geht es ruhiger zu. Am Donnerstagnachmittag änderte sich das Bild im Berliner Hofbräu mal wieder: Etwa 50 Mitarbeiter der Smartphone-Bank N26 trudelten ab dem Mittag ein. Ein Sonnenschirm der Gewerkschaft Verdi und ein Schild machten deutlich, dass es heute weder Bier noch Musik geben würde.
Update, 14. August, 12 Uhr: Wie die N26-Betriebsratsinitiatoren auf Twitter mitteilen, wurde die Polizei zum Veranstaltungsort der Wahlversammlung gerufen, um die Sicherheitsvorkehrungen zu überprüfen. „Sie hatten nichts zu beanstanden und verließen den Ort wieder“, heißt es.
Update, 14. August, 11 Uhr: In einer Nachricht an die N26-Belegschaft kritisiert Gründer Valentin Stalf die Übernahme der Veranstaltung durch die IG Metall. „Noch eine Gewerkschaft (IG Metall) versucht, eine faire, gut geplante Wahl eines Wahlvorstands für den Betriebsrat bei N26 zu beeinträchtigen“, heißt es in der Mitteilung. „Jegliche schnell organisierte Wahl, die von externen Parteien vorangetrieben wird, wird Euch nicht miteinbeziehen, wird nicht sicher und nicht repräsentativ sein.“ Nach Angaben aus Teilnehmerkreisen sind bei der Versammlung am Freitag deutlich weniger Mitarbeiter anwesend als beim ersten Treffen am Donnerstag. Heute soll der Wahlvorstand für die N26 GmbH bestimmt werden, gestern ging es um die N26 Operations GmbH.
Am frühen Freitagmorgen hatten die Gründer in einer längeren Mail an die Mitarbeiter erklärt, dass die heutige Wahlversammlung wegen der von ihnen erwirkten einstweiligen Verfügung nicht stattfinden könne. „Wir unterstützen einen Betriebsrat und die dafür notwendigen Wahlen, aber nur unter Einhaltung existierender Gesetze, damit ihr alle gut geschützt seid“, heißt es in der Mitteilung. Die Debatte um einen Betriebsrat sei „eskaliert und zunehmend konfrontativ geworden“, schreiben die Gründer. „Obwohl es Einmischung von außen gab, fühlen wir uns dafür verantwortlich.“ Es seien daher keine weiteren juristischen Schritte gegen den Wahlprozess geplant, „weil wir die Situation deeskalieren wollen“.
Update, 14. August, 10.30 Uhr: Die Initiatoren für eine N26-Betriebsratsgründung konnten auch die zweite einstweilige Verfügung des Unternehmens gegen die Wahlversammlung am heutigen Freitag umgehen. Weil sich diese gegen Verdi als Veranstalter richtete, sei nun kurzfristig die IG Metall als neuer Veranstalter eingesprungen, erklärten die Initiatoren auf Twitter.
Es ist das vorläufige Ende einer turbulenten Woche für Deutschlands Vorzeige-Fintech N26, das mit 1.500 Mitarbeitern und mehr als fünf Millionen Kunden zu den wichtigsten europäischen Startups gehört. Erst am Montag vor einer Woche war ein interner Konflikt an die Öffentlichkeit gedrungen: Eine Gruppe von Mitarbeitern hatte in einem Brief angekündigt, Betriebsratswahlen anstoßen zu wollen. Das Vertrauen in das Management sei „auf einem historischen Tiefstand“, hieß in dem Schreiben.
Die N26-Gründer machten schnell deutlich, was sie davon hielten. Per Gericht versuchten sie zudem, die Versammlung für die Bestimmung eines Wahlvorstands zu stoppen – letztlich ohne Erfolg. Sie beriefen sich auf ein angeblich fehlendes Hygienekonzept am Veranstaltungsort. Gleichzeitig versuchten sie, im Unternehmen für eine alternative Mitarbeitervertretung zu werben – ein Meeting zu diesem Thema wurde gleichzeitig zur Versammlung der Mitarbeiter im Hofbräu angesetzt.
Als Reaktion auf die Berichte von Finance Forward über das Vorgehen der Bank hagelte es Kritik an N26, etwa von der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken. Internationale Medien berichteten über den Fall.
Mittlerweile hat das Startup Details zu seinem Gegenvorschlag veröffentlicht – zudem versucht die Unternehmensführung vor Gericht weiter, die nächste Versammlung zu kippen. Am heutigen Freitag soll der Wahlvorstand für eine weitere N26-Gesellschaft bestimmt werden. N26 beruft sich wiederum auf ein fehlendes Hygienekonzept.
Leidenschaftliche Reden für einen Betriebsrat
Doch vor Ort herrschten durchaus strenge Vorkehrungen, wie Finance Forward beobachtete. Die N26-Mitarbeiter durften nur gestaffelt in die Halle eintreten, damit sich keine Schlangen bilden. An der Tür hatte der Veranstalter Händedesinfektionsmittel bereitgestellt. Die Anwesenden hätten während Sitzung Masken getragen, berichtet ein Teilnehmer.
Erst sei die Stimmung verhalten gewesen, weil auch ein Manager in der Sitzung gewesen sei, erzählt der Mitarbeiter. Die Führungskraft habe mehrfach Argumente gegen einen Betriebsrat vorgetragen. Doch nachdem einige Mitarbeiter „leidenschaftliche Reden“ für ein solches Gremium gehalten hätten, habe sich die Stimmung etwas entspannt.
Dass die Gründer zur gleichen Zeit ein Meeting angesetzt hatten, um für ihr alternatives Konzept zu werben, sei ein „dreister Versuch der Unternehmensleitung, das Recht ihrer Beschäftigten, einen Betriebsrat einzurichten, zu untergraben“, beschwert sich der Mitarbeiter.
Die Frage nach dem Hygienekonzept
N26 hatte sich in seinem Antrag auf einstweilige Verfügung auf seine Sorgfaltspflicht als Arbeitgeber in der Pandemie berufen. Es habe die Gaststätte Hofbräu und die Initiatoren gebeten, „ein ausreichendes Gesundheits- und Hygienekonzept vorzulegen, das die erforderlichen gesetzlichen Anforderungen erfüllt“ – doch das sei nicht geschehen.
Der Betreiber der Gaststätte Hofbräu, Björn Schwarz, versichert im Gespräch mit Finance Forward jedoch, ein mit den Behörden abgestimmtes Sicherheits- und Hygienekonzept vorliegen zu haben. Das gelte nicht nur für die N26-Veranstaltung, sondern grundsätzlich: In seinen großen Räumlichkeiten an der Karl-Liebknecht-Straße seien Zusammentreffen mehrerer Hundert Menschen auf Abstand möglich. „Der Weg vom Büro zum Veranstaltungsort und zurück war durch die öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich gefährlicher als die Veranstaltung selbst“, sagte ein Teilnehmer.
Obwohl der Termin schon länger klar gewesen sei, habe N26 ihm eine „unangenehm kurze Frist“ gesetzt, ein entsprechendes Sicherheits- und Hygienekonzept vorzulegen, erklärte der Betreiber bei einer gemeinsamen Begehung der Räumlichkeiten kurz vor Veranstaltungsbeginn. Trotzdem habe er fristgerecht eine anwaltlich abgestimmte Erklärung geliefert, die dem Veranstaltungsort ein fachgerechtes Hygienekonzept bescheinigt habe. Zudem habe er den Veranstalter Verdi direkt über die Bedenken des Unternehmens informiert. Auch Oliver Hauser von Verdi hatte gegenüber Finance Forward erklärt, sich vor Ort vom Hygienekonzept überzeugt zu haben.
Ein Gegenvorschlag der Gründer
Trotzdem versucht das Management von N26, das nächste Treffen am heutigen Freitag erneut per einstweiliger Verfügung zu kippen. Man habe einen entsprechenden Antrag beim Berliner Arbeitsgericht eingereicht, teilte ein Unternehmenssprecher mit. Das Gericht war am Donnerstagnachmittag nicht zu erreichen. Heute soll eine weitere N26-Gesellschaft einen Wahlvorstand bestimmen.
Unterdessen hat das Unternehmen Details zu seinem Gegenvorschlag veröffentlicht. Es wolle eine Mitarbeitervertretung einführen, die für alle Märkte zuständig sei und nicht nur Deutschland, heißt es in einer Stellungnahme. Ein Betriebsrat, der nur die deutschen Gesellschaften repräsentiere, sei ungeeignet. Zudem sei eine Wahlperiode von vier Jahren für ein schnellwachsendes Unternehmen nicht angemessen. Neue Mitarbeiter müssten erst Jahre warten, bis sie eine Chance hätten, in den Betriebsrat einzuziehen. „Wir wollen in unserer Branche die Vorreiterrolle für eine internationale Arbeitnehmervertretung übernehmen“ – mit „inklusivem, modernem und digitalem Konzept“.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi lässt diese Bedenken nicht gelten. N26 könnte mit dem Betriebsrat auch Vereinbarungen für das Ausland treffen, erklärt Verdi-Vertreter Oliver Hauser. Der Verzicht auf einen Betriebsrat und die Repräsentation durch ein anderes Gremium könne dazu führen, dass N26 „die Mitarbeiter kündigen kann, die nerven“, so Hauser. Für eine gute Vertretung brauche es deswegen einen Kündigungsschutz. Die Wahlperiode sei mit vier Jahren nicht ohne Grund so lang: Die Mitarbeitervertreter müssten erst einmal lernen, wie sie dem Management entgegentreten könnten.
Ein Gericht muss nun heute entscheiden, wie es weitergeht. Die erste Wahl hätten viele Beschäftigte angesichts des Drucks des Managements bereits als einen großen Sieg empfunden, sagt ein N26-Mitarbeiter.