Bessere Zeiten: 2019 strukturierte Linus ein 45-Millionen-Darlehen für das Leipziger Projekt „Quartier Krystallpalast“ (Bild: Linus Digital Finance)

Nur noch eine Million Umsatz: So dürftig lief das erste Halbjahr für den einstigen Hoffnungsträger Linus

2022 rutschte die Berliner Immobilienplattform Linus in die Krise. Nach heftigen Sparmaßnahmen und einer Strategiewende will das Startup wieder profitabel werden. Im ersten Halbjahr ist das allerdings nicht gelungen. Nun folgt der Rückzug von der Börse – und die neuen Eigentümer geben die Hoffnung nicht auf.

Die Euphorie war groß. „Erstes Berliner Fintech geht an die Börse“, schrieb das Handelsblatt 2021. Über eine Plattform wollte das Proptech-Startup Linus attraktive Immobilien-Deals einer breiteren Masse zugänglich machen – ab einer Investmentsumme von 50.000 Euro. Zu den wichtigen Finanziers zählte die Szenegröße Alexander Samwer. An der Börse sollte es steil nach oben gehen.

Doch dann stiegen schon ein Jahr später die Zinsen und der Immobilienmarkt brach ein. Seitdem herrscht auch bei Linus Krisenstimmung. Es folgten: Entlassungen, Einsparungen, Managementwechsel. Ein Strategiewechsel sollte das Startup wieder fit machen und in die Profitabilität führen. Der Großteil der Belegschaft mussten gehen, Budgets für Marketing und Vertrieb wurden zusammengestrichen sowie Management und Aufsichtsrat neu formiert. Vor wenigen Tagen kündigte die Firma einen Börsenrückzug an – und den Rückzug des wichtigen Ankerinvestors Samwer.

Ein aktueller Bericht unterstreicht jetzt, wie angespannt die Lage bei Linus weiter ist. Demnach brach der Umsatz im ersten Halbjahr um mehr als 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ein und lag nur noch knapp über einer Million Euro – ein Bruchteil im Vergleich zu zwölf Millionen Euro im Jahr 2021. Der Grund: Finanzierungsvermittlungsgebühren, die im Halbjahr 2023 noch gut eineinhalb Millionen einbrachten, blieben in diesem Halbjahr aus.

Es sind jene Gebühren, die Linus mit vermittelten Immobilienkrediten einnimmt. Eigentlich eine wichtige Einnahmequelle, die 2022 über 80 Prozent und 2023 noch 57 Prozent des Umsatzes ausmachte. Denn das Geschäftsmodell besteht unter anderem darin, die Immobilieninvestments an Privatanleger zu vermitteln und strukturiert für Immobilienentwickler als sogenannte Whole-Loan- oder Mezzanindarlehen zu vergeben. Dabei handelt es sich um spezielle Darlehensformen: Kredite, die von einem einzigen Geldgeber stammen und eine Mischfinanzierung aus Fremd- und Eigenkapital.


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Der Großteil des noch vorhandenen Umsatzes kommt aus so genannten „Break-Fees“, „Exit Fees“ und „Handling Fees“, wie aus dem Bericht hervorgeht. Es sind Verwaltungsgebühren sowie Gebühren, die anfallen, wenn ein Kredit frühzeitig gekündigt oder getilgt wird. Außerdem Strafgebühren, die anfallen, wenn eine Partei von einem vereinbarten Geschäft zurücktritt.

Fehlbetrag weiter gestiegen

Auf Anfrage teilt Co-CEO Christopher Danwerth mit, Linus habe gemäß der strategischen Neuausrichtung 2022 im Investmentgeschäft aufgrund des unbeständigen Marktumfelds erheblich abwartender und in der Auswahl der Investments selektiver agiert. In diesem Zuge habe es eine Verschiebung der Einnahmen von Finanzierungsvermittlungsgebühren hin zu sonstigen Gebühren gegeben.

Entsprechend ist das Investmentangebot auch auf der Website stark zusammengeschrumpft. Nur noch zwei Projekte werden dort angeboten, eins davon stammt von einem Partnerfonds aus den USA. Weiter teilt Danwerth mit, Linus habe 2023 seine Geschäftstätigkeit in Großbritannien auf strategische Partnerschaften mit beispielsweise Bain Capital und Shojin konzentriert und baue das Netzwerk in Großbritannien kontinuierlich aus. Zumindest im ersten Halbjahr schlägt sich im Umsatz allerdings nicht nieder – demnach hat es außerhalb Deutschlands keine Einnahmen gegeben.

Insgesamt hat sich das Ergebnis vor Steuern im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr weiter verschlechtert und liegt bei -2,7 Millionen Euro. „Die weitere Reduzierung der Aufwendungen für Leistungen an Arbeitnehmer und der sonstigen betrieblichen Aufwendungen konnte zwar die im Vergleich zum Vorjahreszeitraum geringeren Umsatzerlöse und das negative Ergebnis assoziierter Unternehmen kompensieren, nicht jedoch das rückläufige Finanzergebnis“, heißt es dazu vom Unternehmen im Halbjahresfinanzbericht.

Der schwächelnde Immobilienmarkt bereitet dem Startup noch immer Probleme. „Das im Vorjahr stark veränderte Zinsumfeld hat auch das erste Halbjahr 2024 geprägt und dürfte – trotz kürzlich eingetretener leichter Entspannungen seitens der Notenbanken – weiter für Verwerfungen sorgen“, schreibt Linus im Bericht. Das neue Zinsumfeld belaste den Markt weiterhin, die Folge seien teurere Finanzierungsmöglichkeiten und weniger Transaktionen. Außerdem sei die Bautätigkeit – und damit auch die Nachfrage nach Finanzierungen – aufgrund des negativen Wirtschaftswachstums zurückgegangen.

Investoren zahlten Zehnfaches des Börsenwerts

Die Krisensituation macht sich auch weiterhin beim Aktienkurs bemerkbar. Am Frankfurter Börsenparkett wird ein Firmenanteil für nur noch gut 1,70 Euro gehandelt, die Marktkapitalisierung – zu Hochzeiten um die 240 Millionen – ist auch gut elf Millionen Euro abgestürzt. Den schwachen Börsenwert erklärt CEO Danwerth auch mit der geringen Liquidität der Aktie: „An der Börse ist daher keine adäquate Marktpreisfindung mehr möglich und der Börsenkurs kein verlässlicher, aussagekräftiger Indikator mehr für den Wert des Unternehmens.“

In der Tat scheint Linus hinter verschlossenen Türen einen anderen Preis aufrufen zu können. Im Juli 2023 hatte das Unternehmen im Rahmen einer Kapitalerhöhung rund 4,7 Millionen Euro eingenommen. Dabei zahlten Investoren 18,30 Euro pro Aktie – also gut das Zehnfache des aktuellen Börsenkurses.

Alexander Samwer verkaufte Anteile

Zwei neue Investoren sehen auch heute weiter Potenzial im Geschäftsmodell von Linus. Philipp Horsthemke und Matthias Mittermeier – beide Managing Partner beim Immobilien-Asset-Manager Coros – haben Anfang Oktober gemeinsam über 70 Prozent an Linus erworben. Ihre neuen Anteile dürften laut der Mitteilung mehrheitlich von Alexander Samwer gekommen sein. Details zum Kaufpreis nennen sie auf Anfrage nicht.

Die Aussichten für Linus deutet einer der neuen Eigentümer im Gespräch mit Finance Forward positiv. „Ich glaube, dass das Management-Team in der Vergangenheit wichtige Änderungen angestoßen hat, die Linus auf solide Beine stellen werden“, sagt Horsthemke. „Gleichzeitig gibt es wieder mehr Bewegung im Markt – und durch die Zurückhaltung traditioneller Banken auch eine Marktlücke, die Linus sehr gut füllen kann.“

Noch ist der 2022 angekündigte Plan, die Firma in die Gewinnzone zu führen nicht geglückt. Im Bericht teilt die Unternehmensführung allerdings eine positive Prognose: „Der Linus-Konzern rechnet für das Geschäftsjahr 2024 mit einem bereinigten EBT im positiven einstelligen Millionenbereich.“